In der oben genannten Rezension der vier Katalogbände hatte ich unter anderem auf zahlreiche Fehler, Irrtümer und gewisse Schwächen der Teilregister hingewiesen und gleichzeitig Wünsche (z.B. a.a.O. S. 59) für das künftige Gesamtregister geäußert. Der Schluß der Rezension strich nochmals den hohen Stellenwert der Register für einen Katalog dieses Kalibers heraus. Er lautete: "Gerade die außergewöhnliche Vielfalt und Bedeutung der jetzt in einem vollständigen Katalog erfaßten Sammlung verpflichtet zur umfassenden Erschließung ihrer individuellen Merkmale durch gründliche, umsichtig angelegte Register, wie sie oben angeregt wurden. So ruhen die diesbezüglichen Hoffnungen auf dem Gesamtregister im abschliessenden fünften Band des Katalogs" (a.a.O. S.70). Auch Walsh selbst betrachtete die Teilregister der vier Katalogbände (wie er im Vorwort des vorliegenden Bd. 5, S. VIII schreibt) "as provisional, compiled more as a temporary convenience for the user of the individual volumes than as an authoritative key to the contents of the work. That being the case, I cannot stress too strongly that it is only the cumulative indices contained in this fifth volume that are to be regarded as final". Mit entsprechend hohen Erwartungen nimmt man deshalb diese Gesamtregister unter die Lupe.
Vorab ist zu sagen, daß die Rezension der vier Katalogbände in IFB
offensichtlich zu spät kam, um noch für den abschließenden Band, der
sich damals bereits im Druck befand, berücksichtigt werden zu können.
Auf einen Teil der dort aufgezeigten Fehler war Walsh inzwischen
selbst gekommen oder von anderer Seite aufmerksam gemacht worden.
Ansonsten gelten weiterhin die Hinweise und Korrekturen der
Besprechung in IFB. Mir selbst ist bei der Untersuchung des Provenance
index von Bd. 1 ein kleiner Irrtum unterlaufen. Das
Benediktinerkloster St. Wunibald ist natürlich nicht im
württembergischen Heidenheim beheimatet sondern im mittelfränkischen
Heidenheim in der Diözese Eichstätt. Walsh hat ihm im Gesamtregister
den erläuternden Zusatz S. Wunnebald gegeben. Die in IFB (a.a.O. S.
59) angeregten Sonderregister für Exlibris, Wahlsprüche, Rubrikatoren,
Druckfragmente in Einbandspiegeln usw. wurden von Walsh nur teilweise
und rudimentär in den abschließenden Registerband eingeführt. Das
einzige zusätzliche Register, das nur zwei Seiten (S.382 - 383)
umfaßt, das Walsh den jeweils sechs Indizes der vier Textbände in Bd.
5 hinzufügte, nannte er Points of bibliographical interest. Darin sind
einige der Punkte partiell berücksichtigt, die z.B. von mir für den
abschließenden Registerband als registerwürdig vorgeschlagen wurden.
So findet sich hier unter dem Stichwort Purchase notes, early eine
(vollständige?) Zusammenstellung früher Kaufvermerke. Aber die in den
Kaufvermerken genannten Orte sind ebenso wie die Herkunftsorte der
frühen Vorbesitzer in keinem Register erfaßt. Auf Rubrikatorenvermerke
wird durch die beiden Stichwörter Rubricator's date und Rubricator's
name hingewiesen. Hierbei handelt es sich mit Sicherheit nur um eine
Auswahl der in den Katalogbänden festgehaltenen Rubrikatorenvermerke.
So fehlt hier z.B. der Tübinger Rubrikator P:W:, der übrigens nicht
mit dem Schreiber Peter von Urach identisch ist, wie jüngst behauptet
wurde.[1] Er ist nur im Provenance index unter W.,P. aufgeführt (ohne
Hinweis darauf, daß es sich um einen Rubrikator handelt). Eine
Zusammenstellung aller Exlibris gibt es weder in diesem Registerteil
noch bei den Provenienzen. Im Provenance index sind lediglich unter
dem Stichwort Bookplate eine Reihe nicht identifizierter Exlibris
aufgeführt. Alle anderen Exlibris erscheinen nur unter ihren Eignern
im Alphabet der Vorbesitzer, wobei nur bei deutschen und italienischen
Exlibris durch die nachträgliche Beifügung der Bragaglia-[2] bzw.
Warnecke-Nummern[3] deutlich wird, daß hinter dem Namen ein Exlibris
steckt. Die beiden Nachschlagewerke von Bragaglia und Warnecke wurden
auch erst in Bd. 5 ins Literaturverzeichnis aufgenommen. Miniaturen,
mit denen zahlreiche Inkunabeln geschmückt sind, werden unter dem
Stichwort Miniatures nachgewiesen. Illuminierung eines Drucks umfaßt
aber noch weit mehr als nur Miniaturen. Auf eingemalte Initialen z.B.
wird nur in einem Fall durch das Stichwort Initials, MS, Grotesque
hingewiesen, weil es sich dabei (Nr. 373) um "Grotesque Initials, with
human figures, added in brown ink at beginning of books" handelt. Ob
es Drucke mit Zeichnungen oder umfangreichen handschriftlichen
Marginalien gibt, erfährt man nicht. Auch Handkolorierung der
Holzschnitte ist in diesem Sonderregister nicht erfaßt worden.
Trotzdem enthalten die Points of bibliographical interest sehr viele
Informationen, die gerade für den Inkunabulisten besonders nützlich
sind. Hingewiesen sei nur auf die Stichwörter Bearers (Stützsatz) oder
Signatures mit der Zusammenstellung der verschiedenen Arten
Bogensignaturen anzubringen.
Bevor wir nochmals im Detail auf die einzelnen Cumulative indices
eingehen, werfen wir noch einen Blick auf die Errata and addenda to
volumes 1 - 3 (S. 475 - 477) am Ende von Bd. 5. Sie enthalten fast
keine Korrekturen oder Ergänzungen zu den Drucken selbst, so daß die
entsprechenden Bemerkungen in der früheren IFB-Rezension nach wie vor
gültig sind. Kein Hinweis findet sich auch auf das Mißgeschick, das
beim Druck von Bd. 1 passierte. Auf Seite 351 war aus Versehen der
Text von Seite 350 wiederholt worden, so daß die Nummern 906/907 ganz
und 905 sowie 908 teilweise fehlten. Dieser Fehler wurde durch ein
nachgeliefertes Ersatzblatt beseitigt. Die meisten Korrekturen
betreffen ungenau transkribierte oder falsch identifizierte
Provenienzen sowie echte Druckfehler. Soweit es dabei um Provenienzen
ging, wurden die Korrekturen stillschweigend in den Provenance index
übernommen.
Nun zu den sechs Cumulative indices, die aus den entsprechenden
Teilregistern der vier Katalogbände kompiliert wurden. Zu vier dieser
Register[4] ist über das früher in IFB Gesagte hinaus nichts anzumerken
ebensowenig zu den vier Konkordanzen (Hain/HUL, Proctor/HUL, GW/HUL,
Goff/HUL), die ebenfalls aus den Teilkonkordanzen der einzelnen
Katalogbände kumuliert wurden. Während beim kumulierten Provenance
index, auf den wir gleich zurückkommen, deutliche Verbesserungen
gegenüber den Teilregistern spürbar sind, ist der Index of incunabula
with identified bindings, der ohnehin nur eine halbe Seite (S. 381)
umfaßt, nach wie vor ein großes Ärgernis und der schwächste Punkt des
ganzen Katalogs. Alles Nötige dazu steht in der früheren Rezension in
IFB (a.a.O. S. 57 - 58). Zu dem mehr als fragmentarischen
Einbandregister nur noch folgende ergänzende Bemerkungen. Von den
vielen namentlich bekannten deutschen Buchbindern der Spätgotik sind
sogar drei (allerdings nicht ganz eindeutig gekennzeichnet) in dieses
rudimentäre Register aufgenommen worden:
HEILSBRONN. MOSES: dieser im Zisterzienserkloster Heilsbronn auch als
Buchbinder tätige Mönch ist in der Fachliteratur als "fr. Johannes
Moyses" bekannt (s. u.a. Kyriss I, Nr.72).[5]
TÜBINGEN. JOHANNES MEIFOGL: dieser Buchbinder hieß nicht Meifogl
sondern laut Namensstempel Johannes Meigfoge (s. u.a. Kyriss I, Nr.
68). Er war nicht in Tübingen sondern höchstwahrscheinlich in
Ellwangen tätig.
VALENTIUS (?): dieser Buchbinder ist in einem Teil der Literatur als
"dominus Valentinus" verankert (s. Kyriss I, Nr. 111). Er besaß einen
Namensstempel, der eindeutig als "dominus Valentius" zu lesen ist.
Tätig war dieser Buchbinder in der Deutschschweiz, möglicherweise in
Rheinau (Kanton Zürich).
Einbände scheinen in der Erwerbungspolitik der HUL keine große Rolle
zu spielen. An einer Stelle (S. 67) seiner kurzen History of the
collection schreibt Walsh: "Only rarely is an exceptional bookbinding
bought to expand our collection for teaching purposes (see no. 3095,
from the library of J. R. Abbey)". Selbst diese bewußt als
Einbandstück erworbene Inkunabel wurde von Walsh nicht in das
Einbandregister aufgenommen; wahrscheinlich, weil der betreffende
Einband nicht genau zu lokalisieren ist. Das absolut unzureichende
Einbandregister zwingt künftig jeden Einbandforscher, der sich für
spätgotische oder Renaissance-Einbände in HUL interessiert, alle vier
Katalogbände im Hinblick auf sein Interessengebiet durchzuackern. Das
hätte leicht vermieden werden können (s. IFB a.a.O. S. 58).
Der beste Beitrag zur Erschließung der individuellen Merkmale der in
HUL vorhandenen Inkunabeln ist zweifellos der kumulierte Provenance
index, auf dessen Vervollkommnung gegenüber den Teilregistern in den
vier Katalogbänden Walsh sicher die größte Mühe verwandte. Von den von
mir in der IFB-Besprechung der vier Katalogbände als Beispiele
angeführten Fehler - oder zweifelhaften Einträge - ist knapp die
Hälfte im kumulierten Register korrigiert. Trotzdem ist die Zahl der
von Walsh mit einem Fragezeichen versehenen Einträge und der gar nicht
identifizierten Vorbesitzer mit nahezu 150 noch sehr hoch. Dazu kommen
noch einige Einträge deren Fehlerhaftigkeit bei der Durchsicht des
Registers gar nicht auffällt, weil es die betreffende Provenienz
tatsächlich geben könnte. Um diese Rezension nicht unnötig
auszuweiten, werden die in der IFB-Besprechung von 1997 beanstandeten,
im Gesamtregister aber nicht korrigierten Einträge hier nicht nochmals
aufgeführt, sofern nicht ein neuer Tatbestand dazukam. Im folgenden
sei nur auf einige neu entdeckte Fehler oder Ungereimtheiten
hingewiesen und zwar nach dem Alphabet des kumulierten Provenance
index:
Ahausen an der Brenz = Anhausen an der Brenz.
Barbarigo, Marco, Doge von Venedig: durch Walshs Errata (S. 477)
erfährt man, daß es sich bei der Nr. 1887 um das Widmungsexemplar an
den Dogen von Venedig Marco Barbarigo mit dessen eingemaltem Wappen
handle. Da Marco Barbarigo bereits 1486 starb, der betreffende Druck
aber erst am 21.5.1487 vollendet war ("Augustino Barbadico Inclyto
principe", wie es im Kolophon des Drucks heißt), dürfte es sich um das
Widmungsexemplar für dessen Nachfolger Agostino Barbarigo handeln. Der
Name Barbarigo fehlt aber so oder so im Provenance index.
Bregenz (Tyrol) Benedictines = Benediktinerkloster Mehrerau in Bregenz
(Vorarlberg).
Brunus Aretinus, Leonardus: befand sich als Übersetzer in Bd. 1 im
Provenance index statt im Index of editors and translators. In Bd. 5
ist er zwar aus dem Provenance index verschwunden, aber die
betreffende Nr. 790 fehlt jetzt auch im Index of editors and
translators, wo Bruni mit 17 anderen Nummern vertreten ist.
Cam (?), J.G.: es ist wohl anzunehmen, daß 'Cam' kein Personenname,
sondern die abgekürzte Form von Cambridge ist und 'J.G.' = Joseph
Graham, der sich im selben Band mit vollem Namen eingetragen hat.
Conventus S. Himerii (unidentified): der heilige Himerius (auch
Ymerius und Immer) wird vor allem in der Westschweiz verehrt, wo er
herstammte. Er ist aber auch Schutzpatron der Stadt Cremona, wo sich
seine Reliquien befinden. Bei dem 'Conventus S. Himerij' könnte es
sich um das gleichnamige Kloster in Bellelay im Bistum Basel handeln.
Vielleicht muß man aber auch im Umfeld von Cremona suchen.
Florence. Dominicans (S. Marco): hier ist Nr. 2318 nachzutragen. Der
Besitzvermerk des Markusklosters hat den von Walsh mit Fragezeichen
versehenen Zusatz "ex olemosinis (?)". Der Zusatz bekommt seinen Sinn,
wenn man "ex elemosinis" liest.
Kempten (?) Parish Library: im Teilregister von Bd. 2 konnte diese
Provenienz nicht überprüft werden, da die Nummer (1936) fehlte. Jetzt
läßt sich leicht feststellen, daß es sich um einen Band aus der
Bibliothek der Pfarrkirche von Kempen am Niederrhein und nicht aus
Kempten handelt.
Neumarkt (Bavaria). Capuchins = Neumarkt (Südtirol/Italien).
Posen. Cistercians: es handelt sich um das Zisterzienserkloster S.
Mariae in Paradies (polnisch Paradyz) in der Diözese Posen.
Royal Meterological Society = Royal Meteorological Society.
Schoenthal. Augustinian Hermits: mit ziemlicher Sicherheit handelt es
sich um das Zisterzienserkloster Schöntal im heutigen
Baden-Württemberg, dessen lateinischer Name "Vallis Speciosa' lautete.
Der Eintrag in Nr. 1381 muß "Ad Conventu(m) Vallis Speciosae" lauten
und nicht "Speciosis".
Stadt am Hof = Regensburg-Stadtamhof; Stadtamhof ist heute ein
Stadtteil von Regensburg. Das Kloster St. Mang (und St. Andreas), um
das es hier geht, war kein Franziskanerkloster, wie bei Walsh
angegeben, sondern ein Augustiner-Chroherrenstift.
Steiff (?), Ladislaus und Striff (?), Ladislaus: diese beiden
Vorbesitzer sind doch wohl identisch. Aber welche Lesart des Namens
ist richtig?
Wessbach, Johann, of Ulm = Dr. Johannes Wespach, Richter und
Pfarrkirchenbaupfleger des ausgehenden 15. und frühen 16.Jahrhunderts
in Ulm. Der Name kommt in verschiedenen Schreibungen vor.
Neben den sechs Cumulative indices enthält Bd. 5 auch noch ein aus den
vier Katalogbänden kumuliertes Gesamtliteraturverzeichnis, das wie in
den Katalogbänden in Abbreviated references (S. 77 - 91) und Other
references (S. 91 - 105) unterteilt ist. Darin tauchen auch einige
neue Titel auf, die erst in Bd. 5 zitiert werden wie z.B. die bereits
erwähnten Exlibris-Verzeichnisse von Bragaglia und Warnecke. Bei den
Other references werden auf S. 101 verschiedene Schriften von Roberto
Ridolfi aufgeführt, von denen der zweite in I processi del Savonarola
zu verbessern ist. Von diesem und dem nächsten Aufsatz Ridolfis, der
ebenfalls die Prozesse Savonarolas betrifft, gibt es einen erweiterten
Separatabdruck unter dem Gesamttitel I processi del Savonarola, der
1946 in Florenz erschien.
Bd. 5 fungiert jedoch nicht nur als Indexband zu den vier
Katalogbänden. Er enthält auch am Anfang (S. 1 - 72) sogar mit einem
eigenen Namenregister (S. 73 - 75) die von Walsh schon in Bd. 1
angekündigte Brief history of the collection. Sie besteht im
wesentlichen aus zwei annähernd chronologisch gegliederten Teilen, die
Collections (S. 8 - 49) und Funds (S. 49 - 65) überschrieben sind.
Daran schließt sich eine kurze Betrachtung der die Inkunabeln
betreffenden Erwerbungspolitik (Current policy S. 65 - 68) der HUL an
sowie die sehr konzentrierte Geschichte der Inkunabelbestände in den
beiden der Medizin (Francis A. Countway Library of Medicine, S. 68
- 69) und dem Recht (Harvard Law Library, S. 70 - 72) gewidmeten
Teilbibliotheken der HUL. Bei der Lektüre dieser Brief history kann
man als Europäer nur staunen über das Mäzenatentum und unermüdliche
finanzielle Engagement, das ehemalige Harvard-Absolventen und andere
Gönner dieser ehrwürdigen Universität im Laufe der beiden letzten
Jahrhunderte für den Ausbau der Sammlungen der HUL an den Tag gelegt
haben. Der ausgezeichnete Katalog von James E. Walsh dokumentiert
diesen Reichtum auf eindrucksvolle Weise.[6]
Peter Amelung
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