Nur vor diesem Hintergrund wird
verständlich, wie Besitznachweise aus mehr als 800 Bibliotheken im
ILC, so die offizielle Abkürzung für den vorliegenden Zensus,
berücksichtigt werden konnten. Verzeichnet sind 2229 Frühdrucke (bei
Campbell waren es nur rund 1800) im Alphabet. Für jeden Druck - die
bibliographischen Beschreibungen entsprechen ganz den knappen
ISTC-Einträgen - werden außer sparsamsten Hinweisen auf enthaltenen
Bilderschmuck, bibliographische Zitate und Datierungs- bzw.
Zuordnungsprobleme vor allem die ermittelten Besitznachweise
angegeben. Auf diplomatisch getreue Wiedergaben von Textanfängen, wie
man sie von Campbell her kennt, verzichtet der Zensus. Schon allein
deshalb sollte man die ältere Bibliographie neben dem neuen Werk im
Regal stehen lassen. Wie üblich machen ergänzende Listen und Register
rund ein Drittel des Gesamtwerkes aus: ein Verzeichnis von
ursprünglich als Inkunabeln betrachteten, inzwischen aber später
datierten Drucken (S. 416 - 428), ein Appendix mit einst einem
niederländischen Druckort zugewiesenen, heute anders lokalisierten
Büchern (S. 429 - 444), eine Liste der Drucker, das Alphabet der
Druckorte mit den jeweils dort tätigen Druckern und ihren Produktionen
(S. 448 - 520), ein fünfzehnseitiger Index (Namen und Titel), und
schließlich rund 100 Seiten mit den unverzichtbaren Konkordanzen.
Das alles macht den vorliegenden Zensus zu einem rundherum soliden und
zuverlässigen Standardwerk, an dem es kaum etwas auszusetzen gäbe,
wenn, ja wenn sich nicht die Frage erheben würde, weshalb ein
Datenbestand, der doch im wesentlichen ein Auszug aus einer Datenbank
ist, so ganz im konventionellen Stil in Buchform und mit
Erschließungshilfen präsentiert wird. Zu diesem Thema schreibt Lotte
Hellinga im Vorwort: "The full record in hard-copy form, however, will
be the best point of departure for reinterpretation of the material,
for analysing distribution, book-trade, readership, recording early
owners, studying the transmission of texts; the interaction,
intellectual and commercial, with the surrounding world" (S. X). Mehr
als nur ein Index mit Fundstellen kann der Zensus für derartig
ambitionierte Forschungsvorhaben, die doch wesentlich auf
Zusatzinformationen aus dem Bereich exemplarspezifischer
Beschreibungen angewiesen sind, aber eigentlich nicht sein. Und das
ist für ein teures Buch vielleicht doch ein bißchen wenig.
Joachim Migl
- [1]
- Dazu liegt vor: Incunabula in Dutch libraries : a census of
fifteenth-century printed books in Dutch public collections / [Gerard
van Thienen, ed.-in-chief]. - Nieuwkoop : de Graaf, 1983. - 1 - 2.
- (Bibliotheca bibliographica Neerlandica ; 17). - ISBN
90-6004-375-8.
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- [2]
- Annales de la typographie néerlandaise au XVe siècle / par M.-F.
A.-G. Campbell. - La Haye, 1874, mit Supplementen. Zu diesem
Standardwerk und den älteren Vorgängern des Zensus vgl. die
einleitenden Bemerkungen von Lotte Hellinga, S. VII - X.
(zurück)
- [3]
- S.o. IFB 00-1/4-005.
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