Für das Lexikon, das ursprünglich für Juni 1998 angekündigt war, aber erst Anfang August 1999 erschien, wurden Kinder- und Jugendbücher aufgenommen, "die in ihren Herkunftsländern klassischen Statuts erlangt haben." Dabei wurden aber die "Kriterien einer an der europäisch-nordamerikanischen Kinderliteratur entwickelten kinderliterarischen Ästhetik" nicht auf die Kinderliteraturen aller Länder angewendet. Es wurde "der Rang eines Werkes nur relativ zum Entwicklungsstand einer nationalen Kinderliteratur gemessen." So ist es das Ziel des Lexikons "ein den jeweiligen eigenständigen historischen Voraussetzungen und Entwicklungen entsprechendes Bild der Kinderbuchklassiker einzelner Nationalliteraturen zu vermitteln." Hier wirkt die Auswahl nicht überall überzeugend. Zwei Beispiele: ein Kinderbuch von der Elfenbeinküste, das bisher nur in einer Ausgabe 1982 in Paris erschien oder ein Kinderbuch das erst 1990 in Kenia erschien und lediglich um 1992 ins Deutsche übersetzt wurde, erhielten gleich den Klassikerstatus.
Ursprünglich war das Lexikon "als Ratgeber für die Benutzergruppe der
Eltern geplant", die bei der Suche nach guten Kinderbüchern
"angesichts der Fülle der kinderliterarischen Neuerscheinungen" ratlos
sind. "Im Laufe der Arbeit hat sich das Projekt verselbständigt" und
ist "zu einem umfangreichen wissenschaftlichen Nachschlagewerk"
geworden. Für die ursprünglich vorgesehene Benutzergruppe ist es aber
nur bedingt brauchbar, da von den 534 verzeichneten Werken nur 65 %
ins Deutsche übersetzt wurden und lediglich 142 Werke noch im
Buchhandel erhältlich sind. Die Anlage des Lexikons geht auch über die
Anforderung eines Ratgebers weit hinaus. Der Preis des Werkes grenzt
den Benutzerkreis ohnehin ein. Die Lexikonartikel sind streng
gegliedert. Nach den Lebensdaten folgt eine Kurzbiographie und die
Aufführung der Auszeichnungen des Autors. Den folgenden Werkartikeln[1]
ist der Originaltitel mit Untertitel vorangestellt. Es folgt die
Angabe der Sprache, die Übersetzung des Titels mit der Gattungsangabe,
das Ersterscheinungsjahr und der Name des Illustrators. Das Werk wird
ausführlich in der Reihenfolge: Entstehung, Inhalt, Bedeutung,
Rezeption vorgestellt. Die bibliographischen Angaben gliedern sich in
Ausgaben, Übersetzungen, Fortsetzungen, Adaptionen (Dramatisierung,
Vertonung, Verfilmung), weitere Werke des Autors, Literatur zum Autor
(teils noch untergliedert) und zum Werk. So erhält man optimal alle
Informationen über das Werk nebst weiterführender Literatur. Lediglich
die Angabe des Verlages hätte man sich für die Erstausgabe des
jeweiligen "Klassikers" gewünscht. Die Auswahlkriterien muten zum Teil
recht subjektiv an, wie es sich wohl ergeben muß, wenn von acht
Kriterien drei beliebige genügen. Oder wenn Bilderbücher aus
Platzgründen nicht berücksichtigt werden, aber Struwwelpeter und Max
und Moritz doch aufgenommen wurden. Natürlich würde man sie zu Recht
vermissen, aber warum fehlen dann herausragende Bilderbücher anderer
Länder?
Das Lexikon enthält eine umfangreiche "forschungsorientierte
Einleitung" mit der entsprechenden Literatur zur Klassikerproblematik
und die notwendigen Hinweise zur Benutzung. Es schließt mit einem
Verzeichnis der Fachliteratur, einem Länderverzeichnis (die Angabe des
Verfassers, Titels und Erscheinungsjahres bietet zugleich eine gute
zusammenfassende Übersicht). Es folgen Titel- und Verfasserregister.
So ist das Lexikon bequem benutzbar. Erscheint auch die Zuerkennung
des Klassikerstatusses nicht immer nachvollziehbar und vermißt man
einige Titel, so sind doch insgesamt interessante und wichtige Werke
verzeichnet. Damit ist das Lexikon ein nützliches Nachschlagewerk. Mit
Recht schreibt die Autorin, daß es bisher keine "werkbezogene Lexika,
die die wichtigsten Werke der internationalen bzw. nationalen
Kinder- und Jugendliteratur zusammentragen und literaturhistorisch
einordnen"
gibt. Hier füllt das Lexikon eine Lücke. Die Möglichkeit, gute und
ausführliche Werkvorstellungen der wichtigsten Kinder- und
Jugendbücher aus aller Welt bequem nachzuschlagen, fehlte bisher.
Heinz Wegehaupt
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