Ob der vorliegende Prachtband das erhoffte abschließende Handbuch zur
Geschichte des Augsburger Druck- und Verlagswesens sein wird, ist
allerdings zu bezweifeln. Schon seine Unhandlichkeit wird das
erschweren. Den Handbuchcharakter unterstreichen soll allerdings die
Dokumentation der Augsburger Buchdrucker und Verleger des 15. bis 20.
Jahrhunderts (S. 1205 - 1340), die dem Abkürzungs- und
Literaturverzeichnis und den vier umfangreichen Registern[1] unmittelbar
vorausgeht. Sie stammt wie das einleitende Kapitel (S. 3 - 21)
Entwicklungslinien des Augsburger Buchdrucks von den Anfängen bis zum
Ende des Dreißigjährigen Krieges von Hans-Jörg Künast und basiert für
das 15. bis 17. Jahrhundert auf den entsprechenden Verzeichnissen von
Ernst Voulliéme, Ferdinand Geldner und Josef Benzing ergänzt durch
Archivrecherchen von Jutta Schumann (17./18. Jahrhundert) und Künast
selbst. "Auf die Aufnahme aller archivalisch feststellbaren
Formschneider, Briefmaler, Kupferdrucker und Lithographen mußte
verzichtet werden, da dies den vorgegebenen Rahmen gesprengt hätte.
... Druckereien, die nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründet wurden,
sind nicht berücksichtigt" (S. 1205). Die umfassende Dokumentation ist
streng chronologisch angelegt. Maßgebend für die Einordnung eines
Druckers/Verlegers ist der Beginn seiner Tätigkeit. Innerhalb ein und
desselben Jahres werden die Personen alphabetisch geordnet. Der
alphabetische Zugriff auf die ganze Dokumentation ist über das
Namenregister gegeben. In der Kopfzeile jedes Artikels wird nach dem
Namen die gesamte Wirkungszeit angegeben. Darauf folgen (soweit
bekannt) Herkunft und Lebensdaten sowie die Augsburger Adresse(n)
(meist der Steuerbezirk der betreffenden Person). Anschließend "werden
in komprimierter Form Informationen zum persönlichen, sozialen und
wirtschaftlichen Umfeld der jeweils behandelten Person bzw. Firma
mitgeteilt" (S. 1206). Den Abschluß jedes Eintrags bilden - sofern es
welche gibt - Literaturhinweise. Wie zu erwarten, sind die Artikel von
sehr unterschiedlicher Länge. Bei Personen und Firmen des 20.
Jahrhunderts handelt es sich oft nur um zwei Zeilen. Diese
Dokumentation ist zweifellos außerordentlich nützlich, aber nicht
absolut zuverlässig. Bei der anschließenden Besprechung von Künasts
eigenem Werk über die Frühzeit des Augsburger Buchdrucks werden wir
darauf zurückkommen.[2]
Für ein so umfangreiches Werk mit einer so großen Zahl von
Mitarbeitern und Verfassern hält sich die Zahl der reinen Druckfehler
sehr in Grenzen. Ein Zeichen, daß sehr sorgfältig Korrektur gelesen
wurde. Fehler bei Orten und Familiennamen, die auf die einzelnen
Verfasser zurückgehen und folglich nicht als Druckfehler betrachtet
wurden, gingen so leider auch in die Register ein.[3] Bei der Durchsicht
der Abgekürzt zitierten Literatur (S. 1343 - 1347) fiel unter anderem
auf, daß bei älteren Werken dankenswerterweise meist auch die
Neudrucke aus den letzten Jahrzehnten angegeben sind, aber eben nicht
konsequent.[4]
Nur wenige Monate vor dem vorstehend besprochenen Werk kam das Buch
von Hans-Jörg Künast über Buchdruck und Buchhandel in Augsburg
zwischen 1468 und 1555 (so der Untertitel) als Bd. 8 der Studia
Augustana heraus. Aus dem Vorwort erfährt man, daß es sich dabei um
eine von dem damals Augsburger Historiker Wolfgang Reinhard angeregte
und betreute Doktorarbeit handelt. Da Künast zuvor schon mehrfach
seine umfassenden Archivrecherchen zum Thema betont und teilweise auch
unter Beweis gestellt hat,[5] nimmt man den Band mit hohen Erwartungen
in die Hand. Da die Grundthesen seiner Arbeit im wesentlichen längst
bekannt sind, erwartet man das Neue vor allem in den Details. Nach
eingehender Beschäftigung mit seinem Buch mehren sich aber die Zweifel
an der Gründlichkeit seiner Recherchen und an der Zuverlässigkeit
seiner Interpretationen des vorliegenden Materials. Künast steht - wie
er selbst wohl am besten weiß - auf den Schultern vieler Vorgänger,
die bereits im 18. Jahrhundert mit dem immer noch sehr nützlichen
Georg Wilhelm Zapf[6] einsetzen. Ihm läßt er auch ganz kurz (S. 6)
Genugtuung widerfahren, um dann festzustellen: "Alle
Veröffentlichungen der nächsten 150 Jahre basieren im Grunde auf
diesen Werken und bringen wenig Neues, weshalb hier nicht näher auf
sie eingegangen werden muß." Daß er selbst massiv von der Literatur
dieser anderthalb Jahrhunderte profitiert hat, läßt er nicht einmal
anklingen. Im Anschluß geht er dann kurz auf den programmatischen
Aufsatz von Carl Wehmer Zur Beurteilung des Methodenstreits in der
Inkunabelkunde[7] ein, den dieser fast ausschließlich mit Augsburger
Material bestritten hatte. Daß ein zentrales Kapitel seiner
Dissertation - nämlich das über die Finanzierung des Augsburger
Buchdrucks (S. 32 - 72) ohne Wehmers Aufsatz nicht denkbar wäre, wird
von Künast nirgendwo vermerkt, obwohl er die Gliederung seiner Tabelle
über das Steueraufkommen der Augsburger Drucker (S. 34 - 52) mehr oder
weniger deutlich aus Wehmers Vorlage (S. 291) übernommen hat.
Diese Tendenz zur Verschleierung benutzter Vorlagen zieht sich durch
das ganze Buch. Da es sich bei Künasts Arbeit um eine Dissertation
handelt, wäre es ein Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit gewesen,
jeweils die Erstveröffentlichung wichtiger Belege anzugeben, die er
stattdessen so zitiert, als hätte er sie gefunden und erstmals
zugänglich gemacht. Das gilt zum Beispiel für alle Belege über die
Wechselbeziehungen (Dinckmut, Saurloch, Zainer usw.) zwischen Ulm und
Augsburg in jener Zeit. Der Eindruck, daß es sich bei allen
angeführten Belegen um seine Funde handelt, wird dadurch erzeugt, daß
er fast immer - was im Prinzip ja sehr löblich ist - die direkte
archivalische Quelle angibt. Wenn er gar nichts angibt - wie zum
Beispiel in seiner Tabelle 4 (s.u.) -, kann man ziemlich sicher sein,
daß alle Daten ohnehin aus zweiter Hand stammen.
Beeinträchtigt wird der Wert von Künasts Buch auch durch die
zahlreichen Fehlinterpretationen archivalischer Quellen, die
Namenfehler und Namenverwechslungen, die ungenauen Daten und Zahlen
und sonstige Schludereien,[8] die die ganze Arbeit durchziehen und die
dazu führen, daß man im Grunde jeden Beleg überprüfen möchte.
Es ist unmöglich, sämtliche oben angedeuteten Fehler und Mängel hier
einzeln aufzulisten und zu erörtern. Um die Rezension nicht ins
Uferlose auszudehnen, werden im folgenden einige exemplarische
Beispiele für das oben Behauptete vorgeführt. Aus Gründen der
Übersichtlichkeit werde ich mich dabei an die Abfolge der Kapitel
halten mit gelegentlichen Ausblicken auf spätere Kapitel, wenn es das
gewählte Beispiel erfordert. Besonderes Augenmerk gilt dabei den sechs
materialreichen Tabellen, die gewissermaßen das Rückgrat oder Korsett
von Künasts Arbeit bilden.
In Tabelle 1 (S. 34 - 52) wird das Steueraufkommen der Augsburger
Drucker nach den Angaben in den Steuerbüchern aufgelistet. Die
Einteilung dieser Tabelle hat Künast von Wehmer übernommen (s.o.).
Aber sie ist zeitlich und inhaltlich stark erweitert. Bei jedem
Drucker ist bei den ausgewählten Jahren jeweils der betreffende
Steuerbezirk und der genaue Wortlaut des Eintrags angegeben.
Bei Augsburgs Erstdrucker Günther Zainer bietet Künast nichts Neues.
Er gibt aber auch nicht an, seit wann man definitiv weiß, daß Johannes
Zainer sein Bruder war und mit ihm von Straßburg nach Augsburg zog.
Stattdessen greift er die Hypothese auf, daß die 1478 (also nach dem
Tod Günther Zainers) in einem anderen Steuerbezirk aufgeführte
'Güntherin' Zainers Witwe war, die im Jahr darauf einen Hans Koler
geheiratet habe. Noch kühner ist die Annahme, eine 'Felicitas
Gintherin' aus der Augsburger Familie Schreyer sei Zainers Frau und
dann Witwe gewesen. Tatsache ist, daß Günther Zainer spätestens seit
1463 mit der Straßburgerin Agnes Krieg verheiratet war und das Datum
ihres Todes bisher nicht bekannt ist. Sicher ist nur, daß Zainers Haus
in Augsburg unmittelbar nach seinem Tod im Steuerbuch des Jahres 1478
als 'faccua do[mus]' (= 'vacua domus') erscheint, in dem kein
Steuerpflichtiger mehr wohnte. Bei der Wiedergabe des Steuerbetrags im
Jahr 1477 ist Künast ein für seine etwas unkonzentrierte Arbeitsweise
typischer Fehler unterlaufen. Die römische Zahl 'iij' mit der
durchgestrichenen Unterlänge bei 'j' bedeutet nicht 3 1/2, wie er
angibt, sondern 2 1/2. Solche Fehler, die seine Unkenntnis
mittelalterlicher Schreibgewohnheiten offenbaren, begegnen uns auf
Schritt und Tritt.
Der aus Antwerpen zugewanderte Formschneider Jost de Negker (unter
diesem Namen ist er den Kunsthistorikern geläufig) erscheint (S. 44)
bei den Druckern als Jobst Denecker, obwohl er selbst sich mit
ziemlicher Sicherheit nie als Drucker sondern neben seinem
eigentlichen Beruf nur als Buchführer und Verleger betätigt hat. Als
Buchführer und Verleger hat Künast ihn später (S. 125, Nr. 49) mit
seinem Sohn David (S. 128, Nr. 84) nochmals verzeichnet. In den
Augsburger Archivalien taucht de Negker unter den verschiedensten
Namen auf (zunächst meist als Jos Formschneider, später als Denecker
und Dienecker, seine Söhne nur noch in der eingedeutschten Form).
Künast bringt für ihn als angeblichen Drucker Belege aus den
Steuerbüchern ab 1526. Erstmals ist er jedoch bereits im Steuerbuch
1512 (Bl. 1 d) als 'Jos Kay[serlicher] M[ajestä]t Formschneider'
verzeichnet. Im Register von Künasts Buch kommt er nur als 'Denecker,
Jobst' vor , wobei die S. 127 bei ihm und seinem Sohn David in 128 zu
verbessern ist.
Künasts Belege für den 1502 zusammen mit Johannes Otmar aus Tübingen
nach Augsburg übergesiedelten Drucker Erhard Oeglin sind sehr dürftig
(S. 50). Wegen seiner mehrfachen Wohnungswechsel fand er ihn nur in
den Steuerbüchern von 1516 und 1517 und seine Witwe 1522. Er ist aber
ab 1503 in den Steuerbüchern nachweisbar. Der 'Maister Erhart', der im
Steuerbuch 1503 (Bl. 31 c) im Steuerbezirk 'Salta zum Schlechtenbad'
erstmals auftaucht und in den beiden folgenden Jahren an derselben
Stelle (1504, Bl. 30 a, 1505, Bl. 29 c) als 'Erhart Buchtrucker'
erscheint, ist offensichtlich Oeglin, denn Erhard Ratdolt, der auch
häufig 'Maister' genannt wird, war zu dieser Zeit eindeutig im
Steuerbezirk 'S. Kathrinen gaß' ansässig. 1506 (Bl. 35 d) und 1507
(Bl. 35 b) taucht Oeglin zusammen mit seinem zeitweiligen Partner Jörg
Nadler, für den Künast (ebenfalls S. 50) in diesen beiden Jahren auch
keinen Beleg in den Steuerbüchern fand, im Steuerbezirk 'Von S.
Anthonino' auf. 1516 und 1517 (Bl. 3 c) befand sich Oeglin im
Steuerbezirk 'H. Creutzer tor extra' und wird im Steuerbuch erstmals
als Erhart Oeglin bezeichnet. Nach Künast (S. 50) saß Oeglin 1517 im
Steuerbezirk 'St. Katharinengasse', was wohl auf einer Verwechslung
beruht. Bei Oeglin sind Künast noch weitere Fehler unterlaufen, von
denen wir drei herausgreifen möchten. In seiner Tabelle 3 (S. 103
- 105) mit dem Personal der Augsburger Drucker und Buchführer bis
1555,
auf die wir unten noch kurz eingehen werden, führt er beim Jahr 1507
(S. 104) ohne Angabe einer Quelle einen 'Erhard, Buchdrucker' auf.
Dies ist mit Sicherheit der mit Oeglin zu identifizierende Buchdrucker
aus dem Steuerbuch von 1507 (s.o.). Gravierender ist Künasts auch
andernorts wiederholte apodiktische Behauptung, Oeglin sei nie
Augsburger Bürger gewesen, was man auch an seinem Steuerbetrag ablesen
könne (S. 50, Anm. 67). Um es klipp und klar zu sagen: Oeglin war
mindestens von 1507 bis 1512 Augsburger Bürger, denn für diese Jahre
liegen dafür eindeutige Belege vor, die auch Künast sowohl bei der
Erfassung der Augsburger Drucke (s. u.a. S. 16 und 29 - 31 als auch
bei der Durchsicht der Augsburger Stadtgerichtsbücher (S. 31) nicht
entgangen sein dürften. Mindestens in zwei Drucken von 1507 (VD 16 G
4135/4136) und 1508 (VD 16 B 5470) bezeichnet sich Oeglin im Kolophon
selbst als 'civis Augustensis'. In den Augsburger Stadtgerichtsbüchern
wird er mindestens zweimal in den Jahren 1510 und 1512 als Augsburger
Bürger apostrophiert.[9]
Auf S. 97 seines Buches findet sich in einem längeren Abschnitt über
Schönsperger und Oeglin als kaiserliche Hofdrucker eine Behauptung,
die Künasts Tendenz belegt, seine archivalischen 'Funde' als
Erstveröffentlichung vorzustellen. Er schreibt: "Von Erhard Oeglin
wußte man bisher nur, daß er sich im Bericht über den Augsburger
Reichstag von 1510 'Kaiserlicher Majestät Buchdrucker' nannte. Im
Augsburger Stadtarchiv fand sich eine Quittung Öglins über 20 Gulden
für Drucke und Reisekosten im Dienste Kaiser Maximilians". Im Anschluß
druckt er sie im Wortlaut als angebliche Erstveröffentlichung ab.
Diese Quittung wurde schon 1892 von Adolf Buff im vollen Wortlaut
veröffentlicht und danach auch an anderer, Künast bekannter Stelle
zitiert.[10]
Für den aus Erfurt stammenden Wanderdrucker Hans Werlich, der 1515 als
Setzer nach Augsburg kam und sich 1518 als Drucker selbständig machen
konnte, bevor er 1520 nach Worms weiterzog, bringt Künast (S. 50 und
Anm. 69) insgesamt vier Belege (1515, 1518, 1519, 1522) aus den
Steuerbüchern, wobei er den von 1519 durch den Zusatz "fehlt" gleich
wieder relativiert. Im Abschnitt über das Personal der Augsburger
Drucker schreibt er dann über Werlich (S. 109): "Mit großer
Wahrscheinlichkeit ist der 1516 in den Steuerbüchern auftauchende
Setzer Johann Werlich identisch mit Hans von Erfurt, der von 1518 bis
1520 Eigentümer einer kleinen Druckerei in Augsburg war, ehe er nach
Worms abwanderte". Hätte Künast die Steuerbücher sorgfältiger gelesen
und richtig analysiert, dann hätte er sich in diesem Fall die
"Wahrscheinlichkeit" ersparen können. In Wirklichkeit liegen für Hans
Werlich in den Augsburger Steuerbüchern fast lückenlos Belege vor von
1515 bis 1527 (also bis 7 Jahre nach seinem Wegzug von Augsburg). Das
bedeutet unter anderem, daß er das Augsburger Bürgerrecht besaß und
noch viele Jahre nach dem Verlassen der Stadt nicht aufgab. Erstmals
taucht er 1515 ohne Berufsbezeichnung als Johannes Wärlich im
Steuerbezirk "Salta ad S. Margaretham" mit einem Steuerbetrag von 30 d
(= Pfennig) auf. Dieser Steuerbetrag blieb in allen folgenden Jahren
bei ihm unverändert. 1516 erscheint er im selben Steuerbezirk an
derselben Stelle als "Johann Wärlich buchsetz[er]". Mit Eröffnung
seiner eigenen Druckerei wechselte er 1518 in den Steuerbezirk "In der
prediger garten". Der angeblich fehlende Eintrag im Steuerbuch von
1519 steht auf Blatt 31 d und lautet "Hanns Werlich dt 30 d". Im
Steuerbuch von 1520 kommt er in seinem Steuerbezirk schon nicht mehr
vor, da er Augsburg im Sommer 1520 verlassen hatte und nach Worms
gezogen war. Dafür ist er ganz am Schluß des Steuerbuchs bei den
auswärtigen Augsburger Bürgern nachgetragen (Bl. 49 a). Dieser Eintrag
lautet: "Hanns von Ertfurdt zu Wormbs dt 30 d". 1521 erscheint er mit
dem gleichen Eintrag an der gleichen Stelle aber ohne Steuerbetrag.
Der Eintrag im Steuerbuch von 1522, den Künast (S. 50, Anm. 69) mit
mehreren Lesefehlern und ohne Erläuterung wiedergibt, lautet wörtlich:
"Hans wörlich von erdtfurt Zu Stutgartn dt für 3 steurn allweg[e] 30
d. vnd in d[er] geschworn steur 15 cr [= Kreuzer] für ein erb" (Bl. 50
b). Mittlerweile war Werlich von Worms nach Stuttgart weitergezogen
und schuldete Augsburg bereits die Steuer von 1520 bis 1522 (= "3
steurn"). Auch in den beiden folgenden Jahren wird Stuttgart als sein
derzeitiger Wohnsitz angegeben, aber kein Steuerbetrag. Ab 1525 fehlt
der Hinweis auf den jeweiligen Wohnsitz. 1525 (Bl. 47 c) sollte er
nochmals Steuer für zwei Jahre zahlen ("dt 60 d. für 2 steurn"). 1528
ist Werlich endgültig aus den Augsburger Steuerbüchern verschwunden
und hatte wohl sein Bürgerrecht aufgegeben.
Für den Drucker Matthäus Elchinger bringt Künast (S. 51 - 52)
eigenartigerweise keine Belege aus den Steuerbüchern zwischen 1534 und
1547. Nach Künast saß Elchinger von 1522 bis zu seinem Tod im
Steuerbezirk "In Prediger Garten". Als "vermutliches Todesjahr"
Matthäus Elchingers nennt Künast an anderer Stelle (S. 127, Anm. 78)
das Jahr 1547. Durch die Einträge in den Steuerbüchern von 1545 und
1546 hätte er diese Frage klären und eine andere Behauptung
korrigieren können. Im Steuerbuch von 1545 erscheint letztmals
Matthäus Elchinger selbst (Bl. 40 d) und zwar im Steuerbezirk "Am
Schwal", wo er vor 1522 schon mit seinem Vater Hans gewohnt hatte.
1546 ist an der gleichen Stelle bereits seine Witwe "Matheis
Elchingerin" aufgeführt. Matthäus Elchinger ist folglich entweder Ende
1545 oder Anfang 1546 gestorben. Seine Druckerei hatte er "an sant
Urselen Closter", wie man aus den wenigen Drucken weiß, die er
firmiert hat. In den alten Steuerbezirk "Am Schwal" war er schon lange
vor seinem Tod zurückgekehrt, spätestens 1540, wie aus dem Steuerbuch
dieses Jahres (Bl. 37 d) hervorgeht. Seine Witwe, deren Vornamen
Dorothea man erst im Steuerbuch von 1550 erfährt, bewohnte weiterhin
das ehemalige Haus ihres Schwiegervaters.
Die Elchingers kommen in Künasts Buch noch mehrfach vor. Wieder findet
sich auch bei ihrer Behandlung ein Beispiel für Künasts Methode,
wichtige archivalische Belege durch die Art ihrer Präsentation als
eigene 'Funde' vorzustellen. Im Kapitel über die Zensur in Augsburg
(S. 197 - 216), in dem ohnehin das meiste aus zweiter Hand stammt,
druckt Künast (S. 198) einen Hans und Matthäus Elchinger betreffenden
Eintrag vom 9. August 1515 aus dem Augsburger Ratsbuch wie eine
Erstveröffentlichung ab, obwohl Adolf Buff diesen Passus zusammen mit
anderen frühen Augsburger Zensuranordnungen schon 1881 veröffentlicht
hatte.[11]
Diese Beispiele aus Künasts Übersichten (S. 34 - 52) über die
selbständigen Augsburger Druckereien zwischen 1468 und der Mitte des
16. Jahrhunderts mögen genügen. Sie stellen nur einen kleinen Teil
dessen dar, was an Korrekturen und Ergänzungen in diesem Abschnitt
möglich und angebracht wäre. Leider sind die meisten Fehler und
Ungenauigkeiten (soweit sie Namen und Daten betreffen) von Künast auch
in seine Dokumentation der Augsburger Buchdrucker und Verleger in dem
oben besprochenen Handbuch übernommen worden.
Nun ein ganz kurzer Blick auf Künasts Tabelle 2 (S. 73 - 75) zu
Ausbildung, Sprachkenntnisse und weitere Tätigkeiten der Drucker. Sie
ist mit großer Vorsicht zu genießen, da Künast selbst sehr viele
Fragezeichen angebracht oder die Frage nach 'Universität und Sprachen'
mit 'unbekannt' beantwortet hat. Auch hier wären manche Korrekturen
und Ergänzungen möglich. Johannes Otmar zum Beispiel, bei dem Künast
(S. 74) nur lapidar 'Latein' angibt, hatte ein Universitätsstudium
(wahrscheinlich in Ingolstadt) absolviert und den Magistergrad
erworben. Sein zeitweiliger Mitarbeiter Oeglin (s.o.) hat seine
Buchdruckerlehre mit ziemlicher Sicherheit noch bei Otmar in
Reutlingen gemacht und arbeitete dann von 1491 bis 1495 als Drucker in
Basel, bevor er sich am 2.12.1498 an der Universität Tübingen
immatrikulieren ließ und dort wahrscheinlich auch den Magistergrad
erwarb. Daß Künast den Straßburger Erstdrucker Mentelin gleich in der
ersten Zeile dieser Tabelle bei Günther Zainer als 'Mentlin'
bezeichnet (S. 73), hält man zunächst für einen Druckfehler. Daß
Künast ihn aber im ganzen Buch (einschließlich Personenregister) so
schreibt, ist ein weiterer Beweis für seinen schludrigen Umgang mit
Namen.[12]
Auch in dem Kapitel über die verwandtschaftliche und geschäftliche
Verflechtung der Augsburger Drucker (S. 85 - 102) begegnen wir all den
Eigenheiten und Unarten Künasts, auf die wir oben schon mehrfach
hingewiesen haben. Aus der Fülle kleiner und größerer Fehler und
Ungenauigkeiten in diesem Kapitel greifen wir nur ein einziges
Beispiel heraus, das sich im Abschnitt über das von Künast so genannte
"Schönsperger-Netz" (S. 91 - 95) befindet. Auf S. 93 schreibt Künast:
"Enge Geschäftsbeziehungen unterhielten die Schönspergers und Bämlers
zu Anton Sorg. Sie halfen sich nicht nur mit Illustrationen aus,
sondern koordinierten auch die Papierversorgung und den Vertrieb
miteinander. 1485/86 verklagten sie zusammen die Pergament- und
Papiermacher Markus Nider und Lorenzo Gessasotis von Casale in Savoyen
wegen gebrochener Verträge". Das klingt sehr plausibel und stimmt ja
auch teilweise. Etwas später kommt Künast im Abschnitt über die
Bedeutung der Zulieferbetriebe (S. 110 - 118) nochmals auf diese Klage
zurück und schreibt (S. 115): "Im 15. Jahrhundert sicherte sich das
Schönsperger-Netz seine Papierversorgung durch den Unterhalt einer
eigenen Papiermühle. Offenbar mit der Einrichtung dieser Papiermühle
hing eine Klage gegen den Augsburger Meister Markus Nider und einen
weiteren Papiermacher Lorenzo Gessasotis aus Casale in Savoyen
zusammen. Am 11. April 1485 setzte Johann Bämler seinen Stiefsohn
Johann Schönsperger d.Ä. als seinen Rechtsvertreter vor dem
Stadtgericht ein, der von den beiden Papiermachern eine schriftliche
Erklärung erlangte, welche sie verpflichtete, zu Pfingsten mit der
Produktion von Pergament und Papier zu beginnen". Künasts Darstellung
stützt sich auf insgesamt vier Belege in den Stadtgerichtsbüchern von
1485 (Bl. 82, 88, 212) und 1486 (Bl. 38). In Wirklichkeit kommen die
beiden Papiermachermeister aus Piemont in den Stadtgerichtsbüchern von
1484 bis 1486 an mindestens sechzehn Stellen vor.[13] Allerdings
betreffen nur sieben Einträge ihre Auseinandersetzung mit Johannes
Bämler (und einmal Anton Sorg) und dessen Bevollmächtigten Johannes
Schönsperger d.Ä. Bei den anderen geht es hauptsächlich um
Streitigkeiten mit ihren Papiermachergesellen, von denen der am
häufigsten genannte Philip Margithan hieß. Lassen wir diese vor allem
sozialgeschichtlich interessanten Einträge hier beiseite und nehmen
die sieben Belege unter die Lupe, die Künasts Schilderung der
Angelegenheit betreffen. Dabei ergibt sich doch ein etwas anderer
Sachverhalt als bei Künast. Zunächst einige Bemerkungen zu den beiden
Papiermachern, die beide als Meister bezeichnet werden und in Augsburg
nur 'Gastarbeiter' waren. Marcus Nider war kein "Augsburger Meister"
(Künast S. 115) und auch kein Augsburger Bürger. Von ihm und seinem
Partner heißt es sogar zweimal, sie seien "baid walhen" (= beide
Welsche/Italiener), dabei einmal mit dem Zusatz "wonh[aft] zu
aug[spurg]" (Stadtgerichtsbuch 1486, Bl. 48 r und 49 r) im Gegensatz
zu ihrem Kontrahenten Hanß Brobst, der als Augsburger Bürger
bezeichnet wird. Nider war sicher deutscher Abkunft, hatte sich aber
wohl in Piemont niedergelassen. Sein Partner Lorenzo Goffasotis (oder
Geffasotis), den Künast als 'Gessasotis' las und aus Casale in Savoyen
stammen ließ, kam eindeutig aus Caselle (Torinese), einem der Zentren
der oberitalienischen Papierproduktion im l5. Jahrhundert.[14] Als Grund
der Klage(n) gegen die beiden Papiermacher gibt Künast (S. 93) an
"wegen gebrochener Verträge". Um welche Verträge es sich gehandelt
haben soll, geht aus den Gerichtsbüchern nicht hervor. Die erste Klage
Bämlers und die einzige, an der auch Anton Sorg beteiligt war, stammt
von "Mitwoch vnser frauen Tag Irer empfahung" (Abkürzungen aufgelöst =
8.12.1484) und wird bei Künast nicht erwähnt (Stadtgerichtsbuch 1484,
Bl. 260 l). Der Eintrag ist von extremer Kürze und lautet wörtlich:
"Item Bämler und Sorg clagen die ij Bappirmacher pro 52 kreuzer"
(Abkürzungen aufgelöst). Hierbei handelt es sich offensichtlich um
eine kleine Schuld von weniger als einem Gulden, von der wir nicht
erfahren, wodurch sie entstanden ist. Der nächste Eintrag ist der, den
Künast (S. 115) auf den 11. April 1485 datiert, der aber vom 9. Mai
1485 stammt.[15] Auch dieser Eintrag, in dem Bämler seinen Stiefsohn
Schönsperger als Bevollmächtigten vor Gericht einsetzte, gibt
keinerlei Hinweis auf den Grund der Klage. Erst beim nächsten
Gerichtstermin kurz vor Pfingsten (Stadtgerichtsbuch 1485, Bl. 88 r)
wird dargelegt, worum es geht. Schönsperger als bevollmächtigter
"anwalt" und "procurator" seines Stiefvaters Hans Bämler "Hatt begert
einzuschreiben, Das Im die zwen bappirmacher vor offen gericht
verhaissen vnd zugesagt haben, das Sj In sechs wochen den
Nechstkunfftigen Nach pfingsten kain ander Bappir machen wollen denn
Weiß Schreibpappir, das sy Im vmb das gelt Nach Inhalt des brieffs
geben vnd widerferen lassen wollen" (Abkürzungen aufgelöst). Das ist
doch etwas völlig anderes als die Angaben bei Künast (s.o.). Von
Pergament ist im Zusammenhang mit den beiden Papiermachern ohnehin nie
die Rede. Die Pergamenter (Bermenter etc.) waren ein eigener
Berufszweig, der sorgfältig von den Papiermachern unterschieden wurde.
Im übrigen gab es keine schriftliche Erklärung, "welche sie
verpflichtete, zu Pfingsten mit der Produktion von Pergament und
Papier zu beginnen" , sondern ganz konkret die Zusage "vor offen
gericht", in den sechs Wochen nach Pfingsten, das unmittelbar
bevorstand, kein anderes Papier als weißes Schreibpapier für Bämler zu
produzieren (so wie er es offenbar bestellt und vorausbezahlt hatte).
In Tabelle 3 (S. 103 - 105) stellt Künast das Personal der Augsburger
Drucker und Buchführer bis 1555 zusammen. Obwohl diese Namenliste nach
Künasts Aussage (S. 103) "auf der Auswertung der Steuerbücher,
Stadtgerichts- und Ratsbücher sowie der Zensurakten" beruht, ist sie
bei weitem nicht vollständig, enthält zahlreiche Verwechslungen und
nicht erkannte Überschneidungen mit der folgenden Tabelle 4, auf die
wir gleich im Anschluß eingehen werden. Die Belege über die aus Ulm
zugewanderten, teilweise ehemals selbständigen Drucker (wie zum
Beispiel Johannes Zainer d.Ä.) finden sich alle schon mit
ausführlichen Erläuterungen in Bd. 1 meines Katalogs Der Frühdruck im
deutschen Südwesten[16] werden von Künast aber - wie bei ihm die Regel
- zum Teil wie eigene Funde vorgestellt (z.B. S. 106, Anm. 296 oder S.
107, Anm. 298 - 299). Michael Dinckmut aus Ulm war nie "selbständiger
Drucker in Ulm", wie Künast (S. 104, Anm. 286) behauptet. Er ist bis
zu seinem Tod (um 1525/26) in Augsburg nachweisbar; seine Witwe
Magdalena kommt noch bis 1530 in den Augsburger Steuerbüchern vor.
Damit kommen wir zu Künasts Tabelle 4 (S. 111 - ll4), in der er die
Zulieferer der Drucker und ergänzende Berufe des Buch- und
Graphikgewerbes in Augsburg erfaßt hat. Sie ist in vielfacher Hinsicht
enttäuschend und enthält noch mehr Fehler, Lücken und Verwechslungen
als Tabelle 3. Schon bei Tabelle 3 mußte man sich die Frage stellen,
was die Jahreszahl bedeutet, die jedem Namen vorangestellt ist.
Dasselbe gilt für diese Tabelle und später für Tabelle 6. Es scheint
so, als handle es sich dabei um den zeitlich frühesten Beleg für die
betreffende Person, den Künast entweder in den Archivalien oder in der
Literatur fand. Bereits bei Tabelle 3 brachte Künast, der sonst nicht
mit archivalischen Belegen geizt, kaum noch Nachweise in den Fußnoten.
Bei Tabelle 4 fehlen sie bis auf zwei Ausnahmen völlig. Das erschwert
natürlich die Überprüfung seiner Angaben, die in zahlreichen Fällen zu
korrigieren sind. Es wäre außerdem gut gewesen, Künast hätte bei jeder
Person die Eckdaten (Belege von ... bis ...) angegeben. Man muß leider
annehmen, daß vor allem in Tabelle 4 die meisten Daten aus zweiter
Hand stammen. Dies gilt vor allem für die Buchbinder, die häufig
zugleich Buchführer waren und deshalb auch in Künasts Tabelle 5 (s.u.)
erscheinen müßten, was teilweise der Fall ist. Zu den Augsburger
Buchbindern schreibt Künast (S. 116) ganz pauschal: "Das Augsburger
Buchbinderhandwerk stellt sich äußerst vielgestaltig dar und ist
bisher kaum erforscht". Das ist eine dreiste Behauptung, die Künasts
Unwissenheit auf diesem Gebiet offenbart. In seinem umfangreichen
Literaturverzeichnis (S. 257 - 287) führt er zwar zwei Arbeiten von
Ernst Kyriss auf, aber weder sein für Augsburg sehr ergiebiges
Hauptwerk[17] noch seine Beiträge zu Augsburger Buchbindern,[18] die
allerdings nur die zweite Hälfte des 16. und den Anfang des 17.
Jahrhunderts betreffen. Geradezu unglaublich ist aber, daß ihm
Heinrich Schreibers Arbeit über Augsburger Buchbinder der Gotik und
Renaissance[19] entgangen sein soll, die als Anhang (S. 18 - 19) eine
Alphabetische Uebersicht Augsburger Buchbinder des 15. bis frühen 17.
Jahrhunderts enthält, deren zeitlich relevante Namen und Daten wir bei
Künast wiederfinden, was kaum an Zufall denken läßt. Im übrigen werden
in den Augsburger Quellen noch weitere Buchbinder namentlich genannt,
die bei Schreiber, Kyriss und Künast nicht auftauchen. In einigen
Fällen dürfte es sich dabei nicht um selbständige Buchbinder gehandelt
haben, sondern um Gesellen, die Mitarbeiter großer Werkstätten waren.[20]
Nun einige wenige Beispiele für Irrtümer Künasts in seiner Tabelle 4.
Gleich die ersten drei Namen der Tabelle eignen sich dafür gut. Jörg
Scharpf existiert in dieser Form nicht. Der Buchbinder, dessen
Namenstempel bei Kyriss (s.o. Anm. 17) auf Tafel 129 abgebildet ist,
heißt Jörg Schapf und ist folglich nicht verwandt mit dem Augsburger
Buchführer Johannes Scharpf(f), wie Künast (S. 122, Anm. 9) annimmt.
Sixt Sauerloch wird in allen archivalischen Quellen Saurloch
(Sawrloch, Surloch) geschrieben und nie als 'Kistler' (Schreiner)
bezeichnet. Er kam aus dem Metallgewerbe und wurde ein renommierter
Schriftgießer.[21] Bei der Einrichtung der Klosterdruckerei von St.
Ulrich und Afra in Augsburg fungierte er vor allem als
Generalunternehmer und wird deshalb in den Quellen als opifex
(Werkmeister) bezeichnet. Wolfgang Schinkreist heißt in Wirklichkeit
Wolf Schwinkreist und kommt schon im Steuerbuch von 1471 als
Schwintkreust Buchbinder (Bl. 29 a) vor. Auch andere Angehörige der
Augsburger Familie Schwinkreist (Schwingkrist) sind in den
Steuerbüchern nachweisbar. Die Namensform ist schwankend, aber das w
fehlt nie. Beim Jahr 1521 führt Künast Nikolaus Bertschlin Illuminist
an. Es ist der aus Rorschach stammende Buchmaler Nicolaus Bertschy,
der seit 1501 (mit Unterbrechungen durch Abwesenheit) bis zu seinem
wohl 1541 erfolgten Tod unter wechselnden Namensformen (Pärsee,
Perschi, Berschin usw.) in Augsburg nachweisbar ist; seine Witwe
Margarete geb. Weller, die sehr alt geworden sein muß, noch bis
mindestens 1568. Der gleichnamige Sohn, der als Formschneider
teilweise in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist, kommt noch bis
1575 in den Augsburger Steuerbüchern vor und wird gelegentlich mit
seinem Vater verwechselt. Die Literatur über Bertschy ist Künast
offenbar unbekannt geblieben.[22]
In seiner Tabelle 5 (S. 122 - 128) stellt Künast die Augsburger
Buchführer und Verleger, 1470 - 1555 in chronologischer Abfolge
zusammen. Diesmal gibt er nach Möglichkeit die Eckdaten für das Wirken
der aufgeführten Personen an und bringt teilweise archivalische
Belege. Trotzdem gelten auch hier weitgehend die oben bei den anderen
Tabellen getroffenen Feststellungen. Zwei kleine Beispiele für die
Unzuverlässigkeit vieler seiner Angaben mögen hier genügen. Der
ausschließlich als Buchführer tätige Hans Scharpf(f) wird von ihm als
Buchbinder vorgestellt (S. 122), weil er in ihm einen Verwandten des
Buchbinders 'Jörg Scharpf'(= Schapf) sieht (s.o.). In dem als Beleg
angeführten Eintrag im Stadtgerichtsbuch von 1484 (Bl. 156 r) geht es
nicht um einen Vergleich zwischen Schönsperger und Scharpf, sondern um
die Modalitäten der Schuldentilgung Scharpfs (in Quatemberraten). Eine
andere Auseinandersetzung zwischen Schönsperger und Scharpf wird nicht
erörtert, sondern nur durch einen Beleg (Bl. 63 l) im
Stadtgerichtsbuch von 1483 angedeutet (S. 122, Anm. 9). Da hätte auch
noch das Ende der Auseinandersetzung angegeben werden können (s.
Stadtgerichtsbuch 1483, Bl. 160 r). Für den Buchführer Dietrich (S.
123, Nr. 12 und Anm. 15) werden als Belege zwei Einträge im
Stadtgerichtsbuch von 1486 (Bl. 222 und 230) angegeben mit der
Erläuterung: "Dietrich wurde von dem Buchdrucker Johann Blaubirer
verklagt". In Wirklichkeit war es genau umgekehrt; und die
betreffenden Einträge stehen auf Blatt 220 r und 223 l. Im übrigen war
der Beklagte nicht Johannes Blaubirer, sondern seine Frau ("die
plawbeyrin"). Die Auseinandersetzung zwischen den beiden, bei der es
tatsächlich um Bücherkäufe ging, setzte sich 1487 fort (s.
Stadtgerichtsbuch 1487, Bl. 86 l). Dabei erfahren wir, daß der
Buchführer Dietrich mit Nachnamen "belderßheym" hieß. In Leipzig gab
es seit 1526 einen aus Halberstadt gebürtigen Buchbinder Adolar
Baldensheym. Es könnte sich bei ihm ebenso wie bei dem von Grimm (s.
Anm. 23) erwähnten (Nr. 434) Buchbinder Jörg Baldesheim aus Speyer,
der 1565 in Frankfurt Bücher einkaufte, um einen späten Verwandten des
1486/87 in Augsburg nachweisbaren Buchführers handeln.
Damit kommen wir zu Künasts letzter Tabelle 6 (S. 140 - 149) für
auswärtige Verleger, Buchdrucker und -führer mit Geschäftsbeziehungen
nach Augsburg von 1476 bis 1555. Nur für ein knappes Fünftel der
chronologisch aufgeführten Personen bringt Künast Belege aus
archivalischen Quellen. Das ist sehr dürftig. Die meisten seiner
Angaben stammen allerdings aus der sehr zuverlässigen Arbeit von
Heinrich Grimm über die deutschen Buchführer zwischen 1490 und l550.[23]
Trotzdem weist auch diese Tabelle einige Lücken und Fehler auf. Dafür
nur einige wenige Beispiele. Die aufmerksame Durchsicht der Augsburger
Missivbücher hätte Künast den bisher frühesten Beleg für Beziehungen
von Augsburgs Erstdrucker Günther Zainer zu auswärtigen Buchführern
beschert. An "Mittwoch[e]n In den hayligen osterfeyrtagen anno etc.
lxxvijmo" (= 9.4.1477) antworteten die "Rattgeben der Statt Augspurg"
auf einen Beschwerdebrief des Ulmer Buchführers Ludwig Lebzelter
("lebsellter") "antreffend vnnsern burger Günthern zayner".[24]
Lebzelter, der hier ohne Berufsbezeichnung erscheint,[25] fühlte sich von
Zainer offenbar bei einem Geschäft hintergangen und bedroht. Zainer
war sich keiner Schuld bewußt und ließ durch die Stadt antworten,
Lebzelter möge nach Augsburg kommen und seine Sache hier vortragen,
damit man zu einer friedlichen Einigung komme.[26] Beim Jahr 1480 führt
Künast (S. 140 und Anm. 157) einen Peter, Buchdrucker von Reutlingen,
an. In der wörtlich zitierten Klage aus dem Stadtgerichtbuch von 1480
(Bl. 24 l) wird er aber als Peter buchf[ühre]r bezeichnet und die
Schuld, um die es geht, beträgt nicht "9 gulden vnd 7 gulden" sondern
"9 gulden vnd 7 gr[oschen]". An anderer Stelle (Bl. 25 l) wird er dann
tatsächlich petter buchtrucker genannt. Auf S. 142 nennt Künast Ulrich
Sauter von Ulm und schreibt in der zugehörigen Anmerkung (Anm. 180)
u.a. "Peter Amelung ... sieht in Sauter nur einen Ulmer
Buchdruckergesellen". An der Stelle in meinem Frühdruck im deutschen
Südwesten (S. 312), auf die sich diese Äußerung Künasts bezieht, geht
es nur um die Frage, ob Sauter ein selbständiger Drucker oder nur
Druckergeselle war. Für Ulrich (Utz) Sauter (Sawter, Sutor) liegen mir
zahlreiche archivalische Belege vor, in denen er - wie oben Peter von
Reutlingen - mal als Buchführer mal als Buchdrucker bezeichnet wird.
Mit ziemlicher Sicherheit arbeitete er Anfang der 1480er Jahre als
Druckergeselle in Basel, bevor er sich Ende der 1480er Jahre in Ulm
niederließ und zusammen mit seiner Frau Apollonia ("Appolonia") auch
in Geschäftsbeziehungen zu Schönsperger in Augsburg trat. Ein fast
grotesker Schnitzer unterlief Künast mit der Nennung eines "Hans
Hestenberg von der Reichenau" (S. 145 und Anm. 225) aufgrund eines
Eintrags im Stadtgerichtsbuch von 1519 (Bl. 75 r). Im Original heißt
es Hanns Hesenberg Buchfürer auß der Reich[en]aw. Durch den Zusatz
'aus der Reichenau' wird jedem, der mit dem Buchwesen des frühen 16.
Jahrhunderts einigermaßen vertraut ist, klar, daß damit nur Johannes
Haselberg, einer der bekanntesten Büchführer seiner Zeit, gemeint sein
kann, der sich meist mit dem Zusatz "aus der Reichenau" vorstellte.
Haselberg kommt in Künasts Buch an drei anderen Stellen (S. 95, 96,
125) mit seinem korrekten Namen vor, wo ihn Künast aus der Literatur
zitiert. Im Register ist der Name Hestenberg zu tilgen und die Zahl
145 bei Haselberg hinzuzufügen. Mit dieser letzten Kostprobe möchte
ich die sehr lang geratene Besprechung eines Buches (einer
Doktorarbeit!) beenden, das doch einen sehr zwiespältigen Eindruck
hinterläßt.
Peter Amelung
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