Den Anspruch, ein Handbuch zu präsentieren, vermögen die Herausgeber nicht einzulösen. Die nach dem Alphabet der vorwiegend inhaltlich definierten Periodika-Gattungen ("Von Almanach bis Zeitung") angeordneten 25 Beiträge divergieren stark hinsichtlich des Umfangs, der Materialaufbereitung und der analytischen Durchdringung der Thematik. In die bunte Reihe könnten problemlos weitere Periodika eingeflochten werden, etwa die trivialliterarischen Unterhaltungsblätter oder die fremdsprachigen Journale, die nicht auf den Spracherwerb ausgerichtet waren. Zwischen den Beiträgen bestehen keine Verknüpfungen, und man sucht vergebens nach einschlägigen Verweisungen. Hingegen häufen sich die Überschneidungen, da viele Zeitschriften sich nicht in einer einzigen Fachschublade unterbringen lassen. Angesichts der Fülle der erwähnten, zitierten und näher beleuchteten Periodika hätte ein Handbuch-Herausgeber auch nicht auf ein Titelregister verzichten dürfen.
Sämtliche Beiträger sind Spezialisten in ihrem Forschungsfeld, die
mühelos auf ihre bereits publizierten Arbeiten zurückgreifen können.
Reinhard Wittmann liefert einen Abriß seiner 1973 erschienenen
Dissertation über die frühen Buchhändlerzeitschriften.[1] Ute Schneider
untersucht die literarturkritischen Zeitschriften anhand der in ihrer
Dissertation über Friedrich Nicolais Allgemeine Deutsche Bibliothek
(1995)[2] entwickelten Methodik. Wolfgang F. Bender entwirft eine
Gattungstypologie der Theaterzeitschriften auf der Grundlage seiner
kurz vor dem Abschluß stehenden umfassenden Bibliographie.[3] Der
Mitherausgeber Wilhelm Haefs bringt in die Sichtung der frühen
Territorialzeitschriften einen Baustein aus seiner monumentalen Arbeit
über den bayerischen Publizisten Lorenz Westenrieder (1998)[4] ein.
Weniger überzeugend ist der von Helga Brandes unternommene Versuch,
auf sechseinhalb Seiten die Entstehung, Entwicklung und literarische
Funktion der Moralischen Wochenschriften nachzuzeichnen. Gleich zu
Beginn taucht die alte Legende auf, Addison und Steele hätten die
Gattung der moral weeklies begründet (S. 225). Der Spectator ist
jedoch täglich auf einem halben Foliobogen erschienen, und sein
Hauptautor Joseph Addison hat die von ihm in die Welt gesetzte neue
literarische Gattung schlicht als Paper bezeichnet.
Mitunter neigen gerade die Spezialisten dazu, die Interessen ihrer
Leser aus den Augen zu verlieren. York-Gothart Mix, der sich des
dankbaren Themas Medien für Frauen angenommen hat, überrumpelt seine
Leserinnen mit einem sechsseitigen title-dropping, das durch die
nachfolgenden interpretatorischen Bemühungen nicht ausgeglichen werden
kann. Im Gegensatz dazu begnügt sich Jan Knopf mit einer Skizze der
Geschichte des badischen Volkskalenders und seiner radikalen
Umgestaltung im Rheinländischen Hausfreund Johann Peter Hebels. Über
die Vielfalt der Kalendertypen, die Zentren der Kalenderproduktion in
Deutschland oder die Relationen zwischen den Formaten der beliebten
Schreibkalender und deren Käuferschichten erfahren wir nichts.
Keiner der Beiträger stützt die These der Herausgeber, das 18.
Jahrhundert sei das Zeitalter einer Medienrevolution gewesen. Hier und
da wird auf die beeindruckende Zahl von annähernd 4000 Zeitschriften
verwiesen, die Joachim Kirchner in seiner bekannten Bibliographie für
den Zeitraum von 1700 bis 1800 zusammengetragen hat. Aber mehr als
zwei Drittel der Periodika waren kurzlebige Unternehmungen, die oft
nicht über den ersten Jahrgang hinausgelangt sind. Vor fast
fünfundzwanzig Jahren hat Martin Welke anhand einer Auszählung des
Kirchner nachgewiesen, daß im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die
Zahl der in einem Jahr gleichzeitig auf dem literarischen Markt
konkurrierenden Zeitschriften weit unter Hundert geblieben ist.[5] Von
einem solchen Bündel heterogener Periodika konnte in der Tat keine
Medienrevolution entfacht werden - allenfalls ein mediales Strohfeuer
von unterschiedlicher Intensität im städtischen Umfeld und im
ländlichen Raum.
Herausgeber und Beiträger haben sich mit großer Sorgfalt um die
Korrektheit ihrer Texte gekümmert. Lediglich den IFB-Mitarbeiter
Manfred Komorowski hat es getroffen; er ist in Text, Bibliographie und
Personenregister zu Komarowski mutiert. Auf einen Computerlapsus geht
vermutlich der Eintrag "Paul J. Korshin: The Widening Circle [...].
Philadelphia 1976" im bibliographischen Anhang zu Friedrich-Wilhelm
Grafs lesenswertem Beitrag über die theologischen Zeitschriften
zurück. Der von Korshin herausgegebene Band versammelt Vorträge von
Robert Darnton über den Untergrundbuchhändler Bruzard de Mauvelain,
Roy McKeen Wiles über die englischen Provinzleihbibliotheken und
Bernhard Fabian über die Rezeption englischer Literatur im Deutschland
des 18. Jahrhunderts, die allesamt nicht zu Grafs Themenfeld passen.
Der hübsche Schutzumschlag kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die
buchbinderische Verarbeitung des Bandes von zweifelhafter Qualität
ist. Schon beim ersten Durchlesen verformt sich der Buchblock nach Art
des notorischen Leihbibliotheksromans der fünfziger Jahre.
Der Sammelband ist Wolfgang Martens zum 75. Geburtstag gewidmet,
dessen bahnbrechende Arbeiten zur Gattung der Zeitschrift im 18.
Jahrhundert in der erfreulich umfangreichen Auswahlbibliographie der
jüngeren Forschungsliteratur (S. 403 - 433) vollständig verzeichnet
sind.
Horst Meyer
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