Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
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Großes Werklexikon der Philosophie
- 00-1/4-118
-
Großes Werklexikon der Philosophie / hrsg. von Franco
Volpi. - Stuttgart : Kröner, 1999. - Bd. 1 - 2. - XX, 1733
S. ; 23 cm. - ISBN 3-520-82901-0 : DM 398.00, DM 350.00
(Subskr.-Pr. bis 1.4.2000)
- [5829]
- 00-1/4-119
-
Hauptwerke der Philosophie: Mittelalter : Interpretationen
/ hrsg. von Kurt Flasch. - Stuttgart : Reclam, 1998. - 499
S. ; 15 cm. - (Universal-Bibliothek ; 8741). - ISBN
3-15-008741-4 : DM 22.00
- [4932]
Abgesehen von Personen- und Begriffslexika gibt es, wie vor allem im
literaturwissenschaftlichen Bereich, so auch in der Philosophie, sog.
Werklexika. Zwar ist es sinnvoll, auf die Problematik von
Werkbeschreibungen hinzuweisen,[1] insofern sie in der Gefahr stehen,
als Ersatz für die eigene Lektüre der Originalliteratur benutzt zu
werden - sei es, um ein bestimmtes Werk erst gar nicht in die Hand zu
nehmen, sei es, um sich bereits im Besitz des Inhaltes (soweit das
überhaupt möglich ist) zu wähnen. Andererseits ermöglichen derartige
Lexika jedoch auch den Zugang zu einem philosophischen Text und damit
hoffentlich auch zu einem philosophischen Problem. Weitaus mehr als
Textsammlungen, Anthologien, Lesebücher oder Reader, die teilweise mit
unterstützenden Anmerkungen versehen sind, versuchen Einführungen,[2]
Materialsammlungen,[3] Kommentare[4] und Interpretationen[5]
Verständnishilfen zu geben. In diesem Zusammenhang sind auch
Werklexika hilfreich, indem sie durch einen relativ kurzen Überblick
die Möglichkeit bieten, das Ganze des jeweiligen Textes (noch einmal)
in den Blick zu nehmen, bevor und vor allem nachdem man selbst das
Original gelesen hat. Franco Volpi (Professor für Philosophie an der
Universität Padua) scheint nun den Aspekt einer vorgängigen
Inblicknahme im Auge zu haben, wenn es in seinem Großen Werklexikon
der Philosophie heißt: "Das Lexikon soll nicht durch bequeme
Schnellinformation die mühsamere Lektüre der Texte ersetzen, sondern
möchte umgekehrt die Werke gleichsam in greifbare Nähe rücken, zum
Lesen motivieren und den Zugang zu ihnen erleichtern: es soll bei der
ersten Orientierung helfen, zuverlässige Informationen über Titel,
Inhalt, wichtige Ausgaben und Literatur geben und so als Anregung und
Geleit zur direkten Auseinandersetzung mit den Schriften der
Philosophen dienen" (S. XII). Da sich das Lexikon letztlich nicht als
protreptikos verstehen kann und somit sein Hauptziel wohl darin liegt,
den Zugang zur Originalliteratur zu erleichtern,[6] gilt es zu prüfen,
ob es den Anspruch erfüllt: Von seinem äußeren Aufbau her ist
gegenüber dem Lexikon der philosophischen Werke[7] vieles verbessert
worden: Zum einen sind die Werke nicht mehr, wie früher, im
Titelalphabet, sondern unter ihrem Autor verzeichnet. "Über die
einzelnen Philosophen orientiert jeweils zunächst ein kurzer
biographischer Abriß, eine Auflistung der Hauptwerke mit ihrem
Veröffentlichungs- bzw. Entstehungsdatum sowie ein Verzeichnis der
Werkausgaben und allgemeiner Sekundärliteratur. Im Anschluß daran
werden in alphabetischer Reihenfolge die wichtigsten Werke des
jeweiligen Philosophen in eigenen Artikeln vorgestellt, die eine kurze
einleitende Charakterisierung, eine Inhaltsbeschreibung und
gegebenenfalls einen Hinweis auf die Wirkungsgeschichte sowie
einschlägige Literaturangaben enthalten. (S. X). Eine chronologische
statt alphabetische Ordnung innerhalb des Autors hätte der Rezensent
freilich vorgezogen, böte diese Anlage doch durchaus nützliche
Zusatzinformationen. Ein Titel- sowie ein Autoren- und Werke-Register
ermöglichen zudem die gezielte Recherche. Erwähnenswert ist, daß auch
zahlreiche Werke aus der slawischen, jüdischen, arabischen, indischen,
chinesischen und japanischen Philosophie berücksichtigt werden und daß
das Spektrum "von der systematischen Abhandlung bis zum Essay, vom
Entwurf bis zum ausgereiften Hauptwerk, [umfassen] Dialoge,
Lehrgedichte, Briefe, Bekenntnisse, Vorlesungen, deren Mit- und
Nachschriften, Kommentare, Glossen und schließlich auch Fragment- und
Aphorismensammlungen" (S. X) reicht. Auch wurde in vielen Fällen der
Beschreibung eines Werkes mehr Platz zugestanden, was der
Verständlichkeit gut tut. Ob nun allerdings inhaltlich die
Beschreibung eines Werkes "als erste Orientierung vor der eigenen
Lektüre" (S. X) dienlich ist, hängt von verschiedensten Faktoren ab,
so daß hier kein Pauschalurteil möglich ist. Eher skeptisch ist der
Rezensent allerdings, wenn auf diese Weise an die sog. großen Texte
herangegangen wird: So erscheint es fraglich, ob z.B. die Beschreibung
von Kants Kritik der reinen Vernunft, die E. Rudolph von der Auflösung
der Antinomienproblematik her unternimmt, jemandem, der dieses Werk
nicht kennt, tatsächlich eine erste Orientierung bieten kann. Aus
diesem Grund plädiert der Rezensent dafür, dieses auf jeden Fall
äußerst nützliche Werk lieber häufiger nachträglich zu verwenden,
insofern die angebotene knappe Zusammenfassung eine Hilfe dafür sein
kann, nach der eigenen Durcharbeit eines Textes an Hand der eingangs
genannten Werkzeuge den oder die Grundgedanken eines Werkes quasi auf
den Begriff zu bringen.
Ebenfalls in dem Rahmen einer interpretatorisch allerdings sehr weit
ausholenden Werkbeschreibung können die Hauptwerke der Philosophie:
Mittelalter[8] von Kurt Flasch (Professor em. der Ruhr-Universität
Bochum) gesehen werden. Der Band, der neben einem sehr kurzen Vorwort
von nur einer Seite und den anschließenden 480 Seiten
Interpretationen[9] biobibliographische Angaben der Beiträger[10] und etwas
mehr als zwei Seiten Personen- und Sachregister enthält, will in die
Philosophie des Mittelalters einführen (S. 7). Allerdings handelt es
sich hier nicht um eine Einführung im üblichen Sinne für einen
universitären Kurs über mittelalterliche Philosophie, in dem
sogenannte zentrale Texte vorgestellt werden. Vielmehr wird an den
hier interpretierten zwanzig, zwischen 400 und 1450 entstandenen
Werken[11] "die Vielfalt von Denksituationen, Strömungen und Texten"
nicht nur aus dem "lateinischen Westen, sondern auch bei arabischen
und jüdischen Denkern" deutlich, "die oft noch wenig bearbeitet sind"
(S. 7).[12] Angesichts dieser äußerst interessanten Zielsetzung, die in
den einzelnen Artikeln neben bereits Bekanntem auch viel Neues an den
Tag bringt, wäre es aber ebenfalls anregend gewesen, zumindest in
einem umrißhaften Wurf die Funktionen und Bedeutungen der aus welchen
Gründen auch immer noch nicht genügend bearbeiteten Werke für die
offenbar eigentliche, d.h. wahre mittelalterliche Geistesgeschichte
aufgezeigt zu bekommen - nicht zuletzt um somit den Begriff
"Hauptwerke" im Titel genügend auszuweisen -, auch wenn es dazu
lapidar im Vorwort heißt: "Die Quellenforscher, die den vorliegenden
Band erarbeitet haben, befassen sich nicht mit Wortgefechten ... sie
basteln nicht an Definitionen, um im voraus zu bestimmen, was ein
'Hauptwerk' sei. Wie in der Architektur und der Malerei hat jede
Generation auch in der Philosophie das Recht, ihre 'Hauptwerke' in der
Geschichte neu zu entdecken" (S. 7).
Wolfgang Erb
- [1]
- So geschehen durch sarkastische Bemerkungen von Hubertus Busche in
Frankfurter Allgemeine. - 00-02-28, S. 55.
(zurück)
- [2]
- Zu erwähnen wäre hier die seit 1997 erscheinende Reihe Philosophie
für Anfänger mit dem neuesten Band: Nietzsche für Anfänger : eine
Lese-Einführung - Orig.-Ausg. - München : Deutscher
Taschenbuch-Verlag. - Ecce homo / von Rüdiger Schmidt ... - 2000.
- 173 S. - (dtv ; 30734). - ISBN 3-423-30734-X : DM 17.50.
(zurück)
- [3]
- Hier sind z.B. die mit Materialien zu ... beginnenden Titel
innerhalb der Reihe Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft zu nennen; aus
dem Bereich der Philosophie gibt es zahlreiche, wenn auch bereits
ältere Bände, von denen stellvertretend ein besonders erfolgreicher
genannt werden soll: Materialien zu Hegels "Phänomenologie des
Geistes" / hrsg. von Hans Friedrich Fulda ... - 8. Aufl. - Frankfurt
am Main : Suhrkamp, 1992. - 444 S. - ISBN 3-518-27609-3.
(zurück)
- [4]
- Zu nennen - jeweils mit neueren Exempla - sind folgende Reihen bzw.
gleichartig aufgemachten Bände:
- Studienkommentare zur Philosophie aus dem Schöningh-Verlag (Paderborn)
mit Karl R. Popper: "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" : ein
einführender Kommentar / Eberhard Döring. - 1996. - 147 S. - (UTB für
Wissenschaft : Uni-Taschenbücher ; 1920 : Studienkommentare zur
Philosophie). - ISBN 3-506-99481-6.
- Aus dem Alber Verlag: Kants "Kritik der reinen Vernunft" : Anleitung
zur Lektüre / Hans Michael Baumgartner. - 4. Aufl. (unveränd.
Nachdruck der 2., durchges. Aufl. 1988). - Freiburg (Breisgau) [u.a.]
: Alber, 1996. - 165 S : graph. Darst. - ISBN 3-495-47638-5.
- Aus dem Klostermann-Verlag: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten :
ein kooperativer Kommentar / hrsg. von Otfried Höffe. - 3., erg. Aufl.
- Frankfurt am Main : Klostermann, 2000. - 335 S. - ISBN
3-465-03057-5.
(zurück)
- [5]
- Zu nennen ist hier z.B. die seit 1995 erscheinende, gezählte Reihe
Klassiker auslegen des Akademie-Verlags mit dem neuesten Band:
Jean-Jacques Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des
Staatsrechts / hrsg. von Reinhard Brandt ... - Berlin :
Akadademie-Verlag, 2000. - VII, 308 S. - (Klassiker auslegen ; 20).
- ISBN 3-05-003237-5.
- Ferner aus dem Herder-Verlag: Die Confessiones des Augustinus von
Hippo : Einführung und Interpretation zu den 13 Büchern / hrsg. von
Norbert Fischer ... - Freiburg (Breisgau) [u.a.] : Herder, 1998.
- XVI, 684 S. - ISBN 3-451-26624-5.
(zurück)
- [6]
- Uneinsichtig bleibt dem Rezensenten die im Vorwort geäußerte
Meinung, daß sich durch diese vom Lexikon angeregte werkzentrierte
Betrachtung der Philosophie eine neue Fachperspektive erschließen
könnte (S. XII). Auf der anderen Seite ist es sicher auch ein sehr
positiver Nebeneffekt, daß "Bibliophile und Antiquare [von diesem
Lexikon] profitieren [können] - nicht zuletzt wegen der Angabe der
Erstausgaben, die bei den ältesten Fällen nicht nur aus den
gebräuchlichen Verzeichnissen der Wiegendrucke ermittelt wurden,
sondern oft durch Autopsie der Originalausgaben oder spezielle
Recherchen" (S. XII).
(zurück)
- [7]
- Das Große Werklexikon der Philosophie ist nicht einfach eine
vermehrte Neuauflage des Lexikons der philosophischen Werke / hrsg.
von Franco Volpi ... - Stuttgart : Kröner, 1988. - XIII, 863 S. - ISBN
3-520-48601-6: vom größeren Umfang (538 Autoren und 1147 Werke
gegenüber jetzt 827 Autoren und ca. 1800 Werke) ganz zu schweigen,
läßt sich an Hand einer stichprobenartigen Überprüfung feststellen,
daß Artikel aus der alten Auflage nicht nur überarbeitet, sondern z.T.
von anderen Bearbeitern neu verfaßt wurden.
(zurück)
- [8]
- Bisher sind in dieser gleichartig gestalteten Reihe des
Reclam-Verlags folgende Bände erschienen: Hauptwerke der Philosophie:
Antike / Andreas Graeser. - 1992. - 333 S. - ISBN 3-15-008740-6.
- Hauptwerke der Philosophie: Rationalismus und Empirismus / Lothar
Kreimendahl. - 1994. - 429 S. - ISBN 3-15-008742-2. - Hauptwerke der
Philosophie: von Kant bis Nietzsche / Werner Stegmaier unter Mitarb.
von Hartwig Frank. - 1997. - 464 S. - ISBN 3-15-008743-0. - Hauptwerke
der Philosophie: 20. Jahrhundert. - 1998. - (Zuerst 1992). - 400 S.
- ISBN 3-15-008744-9.
(zurück)
- [9]
- Die Artikel sind in der Regel 20 bis 30 Seiten lang; auffallende
Ausnahme ist der Ockham-Artikel mit 45 Seiten.
(zurück)
- [10]
- In alphabetischer Folge: F. Cheneval, K. Flasch, D. Gutas, R.
Imbach, U.R. Jeck, C. Lohr, B. Mojsisch, P.v. Moos, F. Niewöhner, O.
Pluta, T. Ricklin und P. Schulthess.
(zurück)
- [11]
- In chronologischer Reihenfolge: Augustinus: De civitate Dei; Libri
Carolini; Eriugena: De divisione naturae; Avicenna: De anima; Berengar
von Tours: Rescriptum contra Lanfrancum; Abaelard: Collationes;
Wilhelm von Conches: Glosae super Platonem; Maimonides: Dux Neutrorum;
Albert der Große: De quattuor coaequaevis; Roger Bacon: Opus majus;
Thomas von Aquin: De unitate intellectus; Bonaventura: Collationes in
Hexa‰meron; Siger von Brabant: Quaestiones in tertium De anima;
Dietrich von Freiberg: Tractatus de origine rerum praedicamentalium;
Raimundus Lullus: Logica nova; Dante Alighieri: Convivio; Meister
Eckhart: Expositio sancti Evangelii secundum Ioannem; Wilhelm von
Ockham: Summa logicae; Johannes Buridan: Quaestiones in tres libros
Aristotelis De anima; Nikolaus von Kues: De coniecturis.
(zurück)
- [12]
- Unter diesem Aspekt relativiert sich die immer etwas kleinlich
wirkende Kritik über die Auswahl der Autoren oder deren hier
interpretierte Werke. So bedauert Flasch selbst, daß z.B. ein Beitrag
über Averroes nicht zustande kam (S. 7); innerhalb der Zielsetzung des
Werkes, noch wenig Bearbeitetes hervorzuholen, könnte man aber genauso
gut das Fehlen beispielsweise eines Textes zur relationalen Ontologie
eines Heinrich von Gent (13. Jahrhundert) anmahnen, zu dem zur Zeit
Forschungen von Jos Decorte an dem renommierten Hoger Instituut voor
Wijsbegeerte der Katholieke Universiteit Leuven (Belgien) unternommen
werden usw.
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