Das vorliegende Bücherverzeichnis nimmt diese Situation zur Kenntnis, wenngleich nicht unbedingt als Gegenwart, wenn prognostiziert wird, daß "bald auch für die Geisteswissenschaften Datenbanken zur Bewältigung der Informationsflut bereitgestellt werden müssen" (S. 12). Wenn dann noch warnend gesagt wird, es bestehe "hier zumindest die Gefahr, daß wissenschaftliche Arbeit zum elektronischen Spiel zwischen Halbgebildeten verflachte", so ist das amüsant gesagt; daß daraus folgt, der rechte Weg zum rechten Buch sei wiederum ein Buch, ist aber nicht zu folgern.
Mögliche Kriterien für die Beurteilung einer Bibliographie sind: 1. das beabsichtigte Ziel und seine Bewältigung, 2. die Anlage, 3. die Auswahl des Verzeichneten.
1. Das Bücherverzeichnis, dessen Manuskript im Sommer 1998 abgeschlossen wurde und dessen Vorwort vom August 1999 datiert ist, denkt an "Studienanfänger, die etwa im Proseminar sich mit der Forschung vertraut machen sollen oder an die Abfassung ihrer ersten schriftlichen Arbeit gehen", will den Theologiestudenten aber bis zum Examen begleiten, wo man sich "mit Gebieten vertraut machen muß, in denen man noch keine vertieften Literaturkenntnisse erwerben konnte" - vom Nutzen für weitere Personengruppen einmal abgesehen. Damit übersteigt die Absicht bei weitem die Nennung der grundlegenden Hilfsmittel, mit denen man im Studium vertraut werden muß, gleichgültig, wo man seine Schwerpunkte setzt. Daß Bibliographien für diese Aufgaben nur eine Hilfestellung geben können, scheint mir evident. Reine Titelangaben helfen wohl nur, wo man klare Kategorien - Lexika, Wörterbücher etc. - nennen und die Spitzenliteratur nach common sense aufführen kann. So hängt die mehr oder weniger gute Bewältigung der weitergehenden Aufgabe m.E. wesentlich von der Anlage solcher Werke und von den kommentierenden Hilfestellungen ab.
2. Die einleitenden Hinweise zur Literatursuche von Stephan Holthaus
(S. 20 - 29) versuchen eine Übersicht zu Bibliotheken,
Bücherverzeichnissen (Neuere Literatur), Nachschlagewerken und
Bibliographien; es folgen Ältere Literatur, Zeitschriftenverzeichnisse
und Spezielle Verzeichnisse (enthalten sind biographische Werke!). Das
scheint mir insgesamt nicht stringent.[1] Neuere Literatur etwa kann man
schließlich nicht nur in Buchhandels-, sondern auch in
Bibliothekskatalogen ermitteln etc.; m.E. hätte zum Aspekt
"Literatursuche" schon unbedingt ein Hinweis auf elektronische
Kataloge gehört; die Bibliotheksverbünde, der Karlsruher virtuelle
Katalog sollte erwähnt werden etc.
Sechzig Seiten des Bandes entfallen auf den zweiten Abschnitt
Empfohlene Studienlektüre und grundlegende Sammelwerke. Abgesehen
davon, daß ich die Einteilung nicht ganz nachvollziehen kann
(Studienbücher: Bihlmeyer-Tüchle; Sammelwerke: Jedins Handbuch;
gebräuchlicher schiene mir - wenn das gemeint sein sollte -
"Lehrbücher" und "Handbücher", was allerdings auch nicht immer einfach
abtrennbar ist) ist dieser Teil m.E. durch seine Kommentierung
wertvoll. Er verzeichnet Gesamt- und Epochendarstellungen, wobei Frühe
Kirche, Mittelalter, Reformationszeit und Neuzeit abgetrennt werden
(so auch beim dritten Abschnitt). Er ist durchaus als Lesestoff
geeignet - was bibliographische Listen ansonsten ja nur sehr bedingt
sind - und für Anfänger im Fach sehr hilfreich.
Nach diesem Teil wechselt der Stil des Buches zu unkommentierten
Listen,[2] die in zwei Rubriken untergebracht sind: III. Grundbestand an
Quellen, Bibliographien, Zeitschriften und Fachbüchern und IV.
Allgemeine Bibliographie zum Studium der Kirchengeschichte. Auch diese
Unterscheidung scheint mir erklärungsbedürftig. Ersteres ist im
wesentlichen eine chronologisch aufgebaute Bibliographie. Die Epochen
sind dabei wie im vorangehenden Abschnitt unterteilt. Die zweite
Rubrik beginnt sozusagen wieder mit dem Allgemeinsten (Allgemeine
Einführungen, Hilfsmittel zum wissenschaftlichen Arbeiten ...), was
doch wohl besser weit nach vorn gehört hätte, und führt dann zu
thematischen Teilbereichen der Kirchengeschichte (von der
Dogmengeschichte über Liturgiegeschichte, Ordensgeschichte etc. bis
zur regionalen Kirchengeschichte.
In einem abschließenden stärker kommentierend geschriebenen Teil V.
Elektronische Datenverarbeitung und Kirchengeschichte findet man vor
allem wichtige bibliographische und Volltextdatenbanken. So nötig eine
Einführung in den Umgang mit elektronischen Medien ist, so schade
finde ich es doch, daß diese Medien von den papiernen Quellen
abgetrennt sind: Bei der Patrologia (S. 92) hätte auch die PL database
genannt werden sollen etc. In anderen Fällen ist dies wiederum
durchgeführt (Zeitschriften-Inhaltsdienst Theologie S. 28 und S. 244).
Am problematischsten finde ich es aber, daß nicht grundlegender die
Möglichkeiten der internationalen Datennetze angesprochen werden (S.
242 ist auf "die immer mehr sich ausweitenden Möglichkeiten des
Zugriffs auf das INTERNET" hingewiesen; aber es ist kein Hinweis zum
Einstieg für den Studenten gegeben).
Diese problematisierenden Bemerkungen zum Aufbau mögen gegenstandslos
werden, wenn man sich genauer mit der Struktur vertraut gemacht hat.
Die Benutzung des Werkes wäre allerdings leichter, wenn der Aufbau an
einigen Punkten konsequenter wäre.
3. Entscheidend bei Bibliographien ist letztlich, was verzeichnet ist
und was man in ihnen finden kann - letzteres wiederum hängt bei Werken
ohne Register wie dem vorliegenden auch vom Aufbau ab. Dabei ist nicht
nur die Struktur des gesamten Verzeichnisses, sondern auch seine
Kapitelgliederung zu betrachten. Die Unterteilung in
Quellensammlungen, Bibliographien - Enzyklopädien und Lexika
- Zeitschriften - Einführungen ... - Darstellende Literatur - in
einigen
Fällen ergänzt oder etwas umstrukturiert - ist für die ersten Rubriken
unproblematisch. Schwierig wird immer die rechte Auswahl der
darstellenden Literatur. Teilweise wird hier wieder zurückverwiesen
(so gut S. 103, wo in Kurzform die in II. genannten Werke erneut
angeführt werden; daß Campenhausens Kirchenväter hier wie bei den
einführenden Werken des Abschnitts auftauchen, zeigt, daß auch hier
Abgrenzungen problematisch sind). Die ausgewählte Literatur ließe sich
in vielen Fällen problematisieren. Das ist sicher unvermeidlich, rührt
aber ein wenig an der Nützlichkeit solcher Auswahllisten, die man m.E.
auch aus guten Handbüchern, umfassenden Lexikonartikeln und ergänzend
aus aktuellen Bibliothekskatalogen zusammenstellen könnte.
Der Teil IV. Allgemeine Bibliographie zum Studium der
Kirchengeschichte hat m.E. dagegen erhebliche Probleme der
Ausgewogenheit: eine Seite Kirchenrecht gegen elf Seiten Kirchenbau
scheinen mir doch verwunderlich, so gut letzteres ist. Dies ließe sich
an Einzeltiteln weiter präzisieren: Warum fehlen die Zisterzienser bei
der Ordengeschichte (S. 178 - 179), sind aber bei Kirchenbau (S. 195)
zu finden; warum ein Index verborum ... zum so wenig "rechtlichen" II.
Vaticanum gerade beim Kirchenrecht (wegen des Autors?) etc. pp. Das
alles wäre unproblematisch, wenn die Auffindbarkeit durch Register
gegeben oder die Liste als elektronische Datei mit Suchfunktionen zur
Verfügung stände.
Die Redaktion des Verzeichnisses ist im übrigen m.E. sehr sorgfältig,
was nicht verhindert, daß es gelegentlich der Aktualität
hinterherhinkt (S. 159: TRE "bis Band 12. 1984" - 1998 waren 29 Bände
erschienen!) oder durch Versehen auftauchen, - besonders schön das
Handbuch der Marienkirche (S. 158), wo man vor vierzig Jahren
vielleicht noch an Absicht hätte denken können ... Es soll hier auf
weitere Beckmesserei verzichtet werden. Wer selbst bibliographisch
gearbeitet hat, weiß, wie viele Fehlerquellen es gibt und daß gerade
bei empfehlenden Bibliographien große Ermessensspielräume bleiben.
Sehr wünschenswert wäre es aber, wenn dieses Arbeitsinstrument in
einer neuen Auflage in seiner Anlage gründlich überprüft,
aktualisiert, neu organisiert und vor allem durch Register ergänzt
würde, die zur Auffindbarkeit einzelner Titel oder nicht in der
Systematik enthaltener Themen sowie auch im Falle von Überschneidungen
unentbehrlich sind. Wenn das Ganze in elektronischer Form - etwa als
CD-ROM - angeboten würde, ließen sich die Probleme vermutlich leichter
lösen und evtl. auch eine Aktualisierung via Internet dazukomponieren,
die das Problem der Aktualisierung mindestens hinsichtlich der
Monographien lösen könnte, zumal im gesamten deutschen Sprachraum
inzwischen mit der Schlagwortnormdatei gearbeitet und Suchanfragen in
großen Verbundkatalogen - etwa dem Südwestdeutschen
Bibliotheksverbund, der das Sondersammelgebiet Theologie in Tübingen
mit umfaßt - oder gar im Karlsruher virtuellen Katalog u.U.
voreingestellt mitgeliefert werden könnten. Wenn gar der
ausgezeichnete Zeitschriften-Inhaltsdienst Theologie der
Universitätsbibliothek Tübingen noch in einer Netzversion zumindest in
den deutschen Universitäten zur Verfügung stände (etwas Futurologie
sei hier gestattet), wäre solch ein Einstiegsinstrument ein
hervorragendes Medium! Das müßte zu keinem "elektronischen Spiel
zwischen Halbgebildeten" führen, sondern würde die heutigen - gewiß
noch nicht voll befriedigenden - Potentiale nützen und könnte zudem
durch erläuternde Kommentare in seiner Reichweite und seinen Grenzen
eingeordnet werden.
Albert Raffelt
Zurück an den Bildanfang