Dem Katalogteil vorangestellt sind knappe und instruktive Beiträge.
Marielisa Rossi informiert über die Herkunft der heute in der BNCF
vereinten Bibelsammlung; der weitaus größte Teil der hier
beschriebenen Drucke stammt aus dem Fondo Magliabechiano, der
bekanntermaßen den Grundstock für die reichen Bestände an
Handschriften und alten Drucken der erst im Zuge des Risorgimento
errichteten BNCF ausmacht. Weitere wichtige Provenienzen sind die
Fondi Guicciardini (vorwiegend italienische und reformierte
Übersetzungen) sowie Mediceo-Palatino.[3] Ida Zatelli, die 1991
anläßlich einer Bibelausstellung in der Biblioteca Laurenziana einen
diesbezüglichen Katalog herausgegeben hat,[4] bietet einen konzisen
Überblick über Haupttendenzen der Bibelphilologie und Bibelübersetzung
im 16. Jahrhundert. Im Gefolge des humanistischen Grundsatzes ad
fontes fallen in dieses Jahrhundert so imposante Leistungen wie die
beiden Polyglotten von Alcalá (1514 -1517) und Antwerpen (1570 -
1571), während im Zuge der Reformation Übersetzungen in nahezu alle
europäischen Sprachen erstellt wurden. Die für den Katalog
verantwortliche Bearbeiterin Antonella Lumini skizziert das
Spannungsverhältnis von - im katholischen Bereich dominierender
- Beharrung auf dem überkommenen Vulgata-Text und den Bestrebungen,
den
Urtexten entsprechende Fassungen für die Wissenschaft und die immer
zahlreicher werdende Leserschaft unter den Laien zu schaffen; ferner
erläutert sie die Kriterien, nach denen die Beschreibungen erstellt
wurden.
Der eigentliche Katalogteil gliedert sich in die nur durch
Seitenüberschriften gekennzeichneten Gruppen Vollbibeln, Altes
Testament, einzelne alttestamentliche Bücher, Neues Testament,
einzelne neutestamentliche Bücher; jede dieser Gruppen ist in sich
nach Sprachen gegliedert, wobei auf die polyglotten Ausgaben die
Ursprachen Hebräisch und Griechisch, sodann Latein und schließlich in
alphabetischer Reihenfolge die Volkssprachen folgen. Die mit Abstand
größte Sprachgruppe bilden die lateinischen Bibeln mit 168 Ausgaben;
es folgen Italienisch (95), Griechisch (32), Hebräisch (17) und die
Polyglotten (9). Daran wird deutlich, daß die Interessen (aber wohl
auch die Möglichkeiten) der frühneuzeitlichen Sammler in Italien
beschränkt waren. Der Bestand der BNCF umfaßt nur drei
deutschsprachige Bibeldrucke des 16. Jahrhunderts, darunter keinen
einzigen aus Wittenberg; die Abschottung gegen reformatorische
Einflüsse scheint nahezu unüberwindlich gewesen zu sein, denn Martin
Luthers Übersetzung ist einzig in einer niederdeutschen Fassung
(Lübeck 1534) vertreten.
Die Beschreibungen beginnen mit einer Wiedergabe von Titel und
Kolophon sowie der Umfangsangabe. Bei der Titelaufnahme wird das
Titelblatt nicht diplomatisch genau wiedergegeben, sondern meist
gekürzt und mit Auflösung von Abkürzungen und typographischen
Sonderzeichen. Besonders informativ sind daran anschließende
Bemerkungen zu Bearbeitern, Herausgebern und Übersetzern (stets mit
Lebensdaten und meist mit kurzen biographischen Informationen) sowie
zu Vorlagen, Nachdrucken und zum Einfluß der einzelnen Ausgaben.
Darauf folgen die Angaben zu Druckermarke und Bogensignaturen, zum
Inhalt (einschließlich Widmungen, Vorreden, Kommentaren, Indizes)
sowie die Angabe der impronte, der fingerprints, die eine eindeutige
Bestimmung der einzelnen Drucke ermöglichen sollen.[5] Im Anschluß an
diese auf den Druck bezogenen Merkmale werden die individuellen
Buchmerkmale beschrieben, also vor allem Einband und Vorbesitzer,
unter Umständen auch Bindefehler und Erhaltungszustand (vielfach muß
schwere Beschädigung durch die Überschwemmung des Jahres 1966 vermerkt
werden, in zahlreichen Fällen jedoch mit dem Hinweis auf eine
mittlerweile erfolgte Restaurierung). Zuletzt werden umfangreiche
bibliographische Hinweise gegeben, die von aktuellen Repertorien und
Katalogen bis zu J. LeLongs im Jahr 1723 erschienenen Bibliotheca
sacra reichen; Stichproben haben nur vereinzelte Versehen erkennen
lassen. Der Informationsgehalt der Beschreibungen geht damit weit über
das hinaus, was die Repertorien und Kurztitelkataloge zum 16.
Jahrhundert, aber auch Spezialkataloge wie der genannte Bibelkatalog
von Landi bieten. Eine umfangreiche Bibliographie mit Auflösung der
verwendeten Abkürzungen beschließt den Band.
Der vorliegende Katalog, in dem an vielen Stellen griechische,
hebräische oder arabische Schriftzeichen zu verwenden waren, ist
vorzüglich gesetzt, sehr übersichtlich gestaltet und mit 24 teils
farbigen, ganzseitigen Tafeln von sehr guter Wiedergabequalität
ausgestattet. Zur Benutzerfreundlichkeit tragen die Register bei; sie
erfassen gesondert Sprachen, Drucker und Herausgeber, Druckorte (hier
muß Grossenhain durch Hagenau ersetzt werden), Erscheinungsjahre,
Provenienzen, Personennamen und Bibliothekssignaturen. Der Band stellt
besonders für die zahlreich vertretenen lateinischen und italienischen
Drucke ein bibliographisches Arbeitsinstrument dar, das in dieser Form
bisher fehlte.
Christian Heitzmann
Zurück an den Bildanfang