Das Werk verzichtet, abweichend von der Konzeption vergleichbarer Werke, auf viele eigenständige Artikel für Sacheinträge, und legt den Schwerpunkt auf Autoren, da es in der amerikanischen Literaturgeschichte "... in effect the story of its 'makers'" (S. V) sieht, schließt aber in den Sach- und Themenartikeln auch die Darstellung und Erläuterung von "genres and forms, ... trends and movements, ... critical theory and application, ... race, ethnicity, and gender" (S. VI) ein. Das stilistisch und typographisch gut lesbare Lexikon, zweispaltig gesetzt, mit lebenden Kolumnentiteln und ordentlich verarbeitet, enthält neben der Introduction, der Liste der Topical articles und einer mehrseitigen Übersicht der verwendeten Abkürzungen die ca. 1100 Einträge und endet mit einem knappen Index (S. 1283 - 1305). Die Personeneinträge bringen jeweils in einer Kopfzeile die Lebensdaten sowie die Geburts- und Sterbeorte der Autoren, umreißen ihre literaturgeschichtliche Bedeutung, bewerten und charakterisieren im Rahmen einer biographischen Darstellung der Hauptwerke, schließen die Rezeption ein und enden in einer auswählenden, nicht annotierten Sekundärbibliographie.
Die Sach- und Themenartikel erläutern in zum Teil erstaunlicher Breite und Tiefe unter anderem die Geschichte der Hauptgattungen, die ethnischen und regionalen Literaturen, die Literaturkritik, die Perioden und wesentliche kulturgeschichtliche Züge der amerikanischen Literatur. Autoren, die keine eigenen Artikel haben, erscheinen im Kontext dieser Themenartikel. Auch diese Sachartikel schließen mit einer, von Ausnahmen abgesehen, ordentlichen, wenn auch leider manchmal zu knappen Sekundärbibliographie.
Im folgenden sollen die für den Nachschlagewert bestimmenden Elemente kurz angesprochen werden.
Zur Bewertung der Autorenartikel
Die Auswahl und Darstellung der Autoren kann angesichts des in einem
einbändigen Werk zur Verfügung stehenden Platzes das der Moderne viel
Raum widmet ohne die Vergangenheit zu vernachlässigen, als weitgehend
gelungen gelten. Das Lexikon ist speziell in diesem Punkt seinen
direkten Konkurrenten, etwa dem deutlich preisgünstigeren Oxford
companion to American literature,[3] zum Teil überlegen, allerdings den
bekannten, reinen Autorenlexika der amerikanischen Literatur
unterlegen. Daß freilich bei den bedeutendsten Autoren Übereinstimmung
herrscht und die Aufnahme oder Nichtaufnahme bei den Lexika
wechselseitig negativ angemerkt werden könnte, liegt auf der Hand.
So bringt Serafin, etwa beim Drama, bereits John Guare (1938 -) und
Tony Kushner (1956 -) ohne die modernen "Klassiker" wie Marsha Norman
(1947 -), David Rabe (1940 -) oder Wendy Wasserstein (1950 -) zu
vernachlässigen. Das Lexikon enthält auch Einträge für so verschiedene
Autoren wie Ana Castillo (1953 -), Roberto G. Fernandéz (1952 -),
Cristina García (1958 -), Ellen Gilchrist (1935 -), Gail Godwin
(1937 -), Garrett Hongo (1951 -), Elías Miguel Mu¤oz (1954 -), Neil
Simon (1927 -) oder Cathy Song (1955 -), die man alle etwa beim Oxford
companion vermißte, bis hin zu Bret Easton Ellis (1964 -), Jay
McInerney (1955 -) oder E. Annie Proulx (1935 -). Aufgrund eines
deutlich erweiterten Literaturbegriffs werden auch Autoren aus dem
Bereich der Kriminal-, Science-fiction- und Unterhaltungsliteratur
aufgenommen, so daß beispielsweise Michael Crichton (1942 -), Harlan
Ellison (1934 -), William F. Gibson (1948 -), Evan Hunter (1926 -,
wohl bekannter als Ed McBain), Robert P. Parker (1932 -), Mario Puzo
(1920 -) oder Jim Thompson (1906 - ?1977) rasch nachgeschlagen werden
können. Bei anderen Autoren wiederum gibt das Lexikon einen
wesentlichen Hinweis zur Neubewertung, so etwa im Fall des Prosaisten
Andre Dubus (1936 - 1999) oder der Lyriker David Ray (1932 -) und Joel
Oppenheimer (1930 - 1988), eines "Black mountain poet". Insbesondere
in den Einzelfeldern der ethnischen Literaturen - einige Namen wurden
oben bereits angesprochen - bringt das Lexikon einen merklichen
Fortschritt, nicht zuletzt für die Kanonbildung, da es wichtige
Autoren der Gegenwart bereits mit eigenständigen Einträgen
berücksichtigt. Freilich sollte beispielsweise bei den Chicanos die
Auswahl generell überprüft und bei den Afro-Americans an eigene
Einträge beispielsweise für Octavia E. Butler (1947 -) und Alain Locke
(1886 - 1954) gedacht werden. Auch wenn in Einzelfällen Kritik
durchaus nötig wäre, etwa bei der relativen Gewichtung der Autoren
innerhalb des Lexikons, bei gravierenden Inkonsequenzen in einzelnen
Feldern, bei der Nichtaufnahme einzelner Namen oder bei falschen
Schwerpunkten innerhalb von Artikeln, kann doch insgesamt festgestellt
werden, daß die Autorenartikel in der Regel in wenigen Strichen im
Rahmen der Gattungs- und Literaturgeschichte ein markantes Bild des
Autors, seiner Werke und seiner Rezeption vermitteln und eine
verläßliche Vielfalt an Wissen in der ausführlichen Beschreibung und
Bewertung zugänglich machen.
Zur Bewertung der Topical articles
Die 70 Sach- und Themenartikel sind, bedingt durch die Konzeption des
Bandes, seine problematische Gewichtung zwischen Autoren- und
Sacheinträgen und nicht zuletzt auch durch die Auswahl der
Sachartikel, auf die hier inhaltlich nur knapp eingegangen werden
kann, in meinen Augen der eigentlich fragwürdige Teil dieses Lexikons.
Einige kritische Punkte seien kurz angesprochen:
Wichtige Dichtergruppen, wie etwa die Black Mountain Poets, die Beat
Generation, die Confessional School oder die Language Poets sind nur
über das Register bzw. seine Verweisungen auffindbar und nach meiner
Einschätzung nicht hinreichend dargestellt. Eigenständige Einträge
schienen mir unabdingbar. Dasselbe gilt auch für wesentliche
literaturkritische Termini, wie man etwa beim Nachschlagen von New
critisism, New journalism, New (literary) historicism oder Narrative
theory feststellen kann. Geistesgeschichtlich und
literaturgeschichtlich grundlegende Begriffe wie Ethnicity, Frontier,
Harlem renaissance, Local color, Lost generation oder Vietnam[4] werden
natürlich in anderen Kontexten behandelt, aber nicht immer in der
nötigen Tiefe erläutert, selbst wenn man die Raumverteilung eines
einbändigen Lexikons bedenkt. Auch diese Begriffe sind zum Teil nicht
einmal über den Index auffindbar.
Da die tatsächlich aufgenommenen Bereiche aber viel ausführlicher als
etwa im Oxford companion to American literature beschrieben sind und
mit einem Literaturverzeichnis enden, stellt die getroffene Lösung,
wenn man ein gerechtes Fazit ziehen will, einen Kompromiss dar, der
freilich den Nachschlagewert des Bandes, insbesondere für den
Nichtfachmann, stellenweise deutlich vermindert.
Zur Bewertung der Literaturangaben
Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, so etwa bei den Artikeln
Gotanda, Philip Kan oder Proulx, E. Annie, enden alle Artikel mit
einer auswählenden Sekundärbibliographie, die nur englischsprachige
selbständige und unselbständige Titel in verkürzten Aufnahmen nach dem
Alphabet der Autoren bzw. Herausgeber aufführt. Leider fehlt eine
Primärbibliographie der Erstveröffentlichungen sowie wesentlicher
Einzel-, Teil- oder Gesamtausgaben.
In der überwiegenden Zahl der Fälle ist die wesentliche
Sekundärliteratur in knapper, verlässlicher Auswahl verzeichnet, in
einigen Artikeln allerdings ungleich gewichtet, nicht ganz aktuell
und, auch in Relation zum gewiß knappen Platz, unvollständig. Da
dieser Punkt den Nachschlagewert des Lexikons massiv tangiert, im
folgenden der Hinweis auf einige gravierende Beispiele, die mir an
verschiedenen Stellen auffielen, aber natürlich der subjektiven
Einschätzung unterliegen:
So ist beispielsweise im Eintrag Puritanism P. Caldwells The Puritan
conversion narrative : the beginnings of American expression (1983)
nicht aufgenommen - eine grundlegende Arbeit zur vergleichenden
Darstellung der Literaturformen. Im Artikel Dickinson, Emily fehlt
überraschenderweise eines der besten Bücher, nämlich J. Farrs The
passion of Emily Dickinson (1992).[5] Der Themenartikel zur Jewish
American literature verzeichnet zwar D. Waldens Twentieth century
American-Jewish fiction writers (1984) aus der für den Bestand fast
unerläßlichen Reihe Dictionary of literary biography, nicht aber J.
Shatzkys und M. Taubs Contemporary Jewish-American novelists : a
bio-critical sourcebook (1997), das sich zwar mit Walden zum Teil
überlappt, ihn aber auch beträchtlich erweitert. Im Eintrag African
American literature vermißt man D. A. Williams' Contemporary African
American female playwrights : an annotated bibliography (1998). In
manchen Fällen wäre der Hinweis auf Speziallexika sehr hilfreich
gewesen, wie etwa im viel zu knappen Abschnitt Regionalism die Angabe
von J. Q. Andersons Southwestern American literature : a bibliography
(1980), das den schnellsten Zugang auch zu den kleineren Autoren der
Region inklusive der ausgewählten Primär- und Sekundärliteratur
bietet. Neben den sicherlich unverzichtbaren Werken von B. Ellsworth
und Y. Winters wäre im Artikel "Robinson, Edwin Arlington auch E. S.
Fussells Edwin Arlington Robinson: The literary background of a
traditional poet (1954, repr. 1970) aufzuführen gewesen. Bei der
Native American literature fehlen, um nur zwei gravierende Desiderata
zu nennen, die für die Erstinformation wie auch für die Vertiefung
unabdingbaren A. Wiget: Native American literature (1985), und H.
Jaskoski: Early native American writing : New critical essays (1996).
Bibliographische Inkonsequenzen und Versehen sind bei Lexika dieser
Größenordnung wohl unvermeidbar. Was bei Stichproben auffiel, sei kurz
verzeichnet: Es wäre zum Einen im Interesse der Information nötig
gewesen, bei allen Monographien konsequent auch den Untertitel
aufzuführen. Zum Anderen sollten - auch dies auf der Basis weniger
Stichproben - Versehen bei eventuellen Neuauflagen berichtigt
werden.[6]
Zusammenfassend ergibt sich: Will man einen schnellen Überblick und
eine Kontrolle der wichtigen Sekundärliteratur gewinnen, ist das
Lexikon bei aller berechtigten Kritik sehr hilfreich, reicht aber
allein nicht aus. Es empfiehlt sich zumindest partiell auch M.
Hawkins-Dadys Reader's guide to literature in English (1996), der
ebenfalls die wesentlichen amerikanischen Autoren behandelt,
beizuziehen und die verfügbaren, allerdings sehr teuer gewordenen
Bände des Dictionary of literary biography sowie neben anderen
neuerdings auch Thomas Riggs' Reference guide to American literature
(1999) zu nutzen.
Zum Register und zu den Verweisungen
Aufgrund der Konzeption des Bandes, der den Autoreneinträgen Vorrang
gibt, sind der Index und die Verweisungen von besonderer Bedeutung.
Die Verweisungen zwischen den Artikeln und Autoren sind, so weit ich
sehen konnte, korrekt durchgeführt und auch die Namen beim jeweiligen
ersten Auftreten in einem Artikel konsequent hervorgehoben. Der Index,
wohl korrekt erstellt, ist leider recht knapp gehalten, erschließt
aber als überwiegender Namenindex vorrangig Autorennamen und
Autorengruppen und relativ wenige Themen- und Sachbereiche. Er enthält
keine Werktitel, was um so kritischer ist, als das Lexikon keine
eigenständigen Werkeinträge hat, und verzichtet auch darauf, wie bei
vergleichbaren Lexika üblich, die Hauptstellen durch Fettdruck oder
Kursive hervorzuheben.
Obwohl das Werk den Anspruch des "most extensive single-volume
treatment of its subject available for the general and scholarly
reader alike" (S. VI) nicht einlösen kann, sollte es trotz seiner
fragwürdigen Konzeption und des recht hohen Preises als notwendige
Ergänzung zu den allerdings unabdingbaren anderen einbändigen Lexika,
also zu dem Oxford companion to American literature (1995), zu Benét's
Reader's encyclopedia of American literature (1995, zuerst 1991), zu
A. J. Hornungs Lexikon amerikanische Literatur (1992) und zu W. J.
Burkes American authors and books : 1604 to the present day (zuletzt
1978), in philologischen Fachlesesälen angeboten werden. Für die
Bestandskontrolle, für bibliographische Zwecke, wie etwa den
Signierdienst, und die Fortbildung im Fachreferat hingegen bietet
dieses Lexikon keine in allen Punkten verläßliche Hilfe.
Sebastian Köppl
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