Unter der Ägide von Werner Paravicini (bis 1993 Professor für
Mittelalterliche Geschichte an der Universität Kiel, seither Direktor
des Deutschen Historischen Instituts in Paris) wurde in der Reihe der
Kieler Werkstücke bereits 1995 eine analytische Bibliographie zu den
spätmittelalterlichen Reiseberichten aus dem deutschen Sprachraum
vorgelegt.[1] In dem nun vorliegenden zweiten Teil sind 41 teils
lateinisch, teils französisch abgefaßte Berichte französischer
Reisender aus der Zeit zwischen 1300 und 1530 zusammengestellt, wobei
als Franzosen diejenigen Reisenden gelten, die innerhalb Frankreichs
in den Grenzen des Jahres 1477 (Tod Herzog Karls des Kühnen von
Burgund) geboren wurden. 36 Berichterstatter sind dabei namentlich
bekannt, fünf bleiben anonym. Hinzu kommen in einem von Jacques Paviot
erarbeiteten Exkurs zwölf Berichte französischer Reisender ins
Osmanische Reich in den 1530er und 40er Jahren (als König Franz I. im
Kampf gegen die habsburgische Hegemonie das Bündnis mit dem Sultan
suchte).
Die meisten Berichte schildern Pilgerreisen ins Heilige Land; nur zum
kleineren Teil liegen die Reiseziele innerhalb Europas (Rom, Santiago,
Neapel, Preußen, Aachen); zwei Berichte aus dem frühen 14.
Jahrhundert, diejenigen der dominikanischen Missionsbischöfe Guillaume
Adam (De modo Sarracenos extirpandi, nach 1317) und Jourdain Catalani
de Sévérac (1320 - 1324), führen den Leser bis nach Indien. Berichte
über Entdeckungsfahrten in den Atlantischen Ozean und in die Neue Welt
bleiben ausgespart.
Im Vergleich zum Band über die deutschen Reiseberichte wurden die
Aufnahmekriterien etwas enger gefaßt und nur solche Berichte
berücksichtigt, die über tatsächlich durchgeführte Reisen
unterrichten. Ein reicher Anmerkungsapparat zu den in der Einleitung
genannten Texten, die nicht berücksichtigt werden konnten (fiktionale
Berichte, anonyme Pilgerführer, Kreuzzugsaufrufe u.a.m.), macht
deutlich, daß den Bearbeitern diese Beschränkung nicht ganz leicht
fiel. Die Einleitung bietet ferner einen knappen Forschungsüberblick
zur Reiseliteraturforschung[2] und erläutert den analytischen Aufbau der
einzelnen Artikel, die nach einem festen Bearbeitungsschema erstellt
wurden.
Die Artikel gliedern sich in einen allgemeinen Teil, in dem Reiseziel,
Reisezeit, Autor (mit Angaben zur Person), ggf. weitere Reisen des
Autors und Parallelberichte (über Reisen zur selben Zeit zum selben
Ziel) genannt werden. Nach sieben Kategorien gegliedert schließen sich
die speziellen bibliographischen Angaben zu den jeweiligen Berichten
an: a) die handschriftliche Überlieferung mit einer recht
detaillierten Beschreibung der Überlieferungsträger; b) Inkunabeln und
ältere Drucke bis 1800; c) Textausgaben des 19. und 20. Jahrhunderts;
d) Erwähnungen in Repertorien, Verzeichnissen, Kompendien,
Bibliographien, Sammelwerken usw.; e) Sekundärliteratur; f)
Bemerkungen (meist zu Interessenschwerpunkten und Besonderheiten der
Reisenden bzw. ihrer Berichte); g) Itinerar (soweit rekonstruierbar).
Die Bibliographie wird abgeschlossen durch ein Verzeichnis der
abgekürzt zitierten Titel und der einschlägigen Handschriftenkataloge.
Der Personenindex verzeichnet dankenswerterweise sowohl die Reisenden
und ihre erwähnten Zeitgenossen als auch die an der Erforschung ihrer
Berichte beteiligten Gelehrten. Ein Ortsindex erfaßt alle erwähnten
Reiseziele einschließlich der Stationen auf Hin- und Rückweg.
Da die hier vorgestellten Reisenden und ihre Berichte in vielen Fällen
nicht in den gängigen Nachschlagewerken erwähnt werden und die Texte
oft an entlegener Stelle publiziert sind, stellt der vorliegende Band
eine willkommene Bestandsaufnahme und ein wertvolles Hilfsmittel zur
weiteren Erforschung des Gegenstands dar.
Christian Heitzmann
Es bietet sich ein Hinweis auf einen kleinen Ausstellungskatalog von
1996 an, da es sich bei den dort vertretenen Werken überwiegend um
solche französischer Autoren handelt. Nicht auf das Mittelalter
beschränkt, dafür auf Orientreisen und speziell auf solche ins Heilige
Land war die Ausstellung von Handschriften und Drucken aus der
Sammlung des Privatgelehrten und Bibliophilen Marie-Joseph-Charles,
Comte de L'Escalopier (1812 - 1861), die aus seinem Nachlaß als
Geschenk an die Stadt Amiens gelangte. Die ausgestellten und in dem
Katalog knapp beschriebenen Stücke reichen von Handschriften des 14.
und 15. Jahrhunderts (Jean de Mandeville), über Inkunabeln und Drucke
des 16. Jahrhunderts bis zu Ausgaben aus der Mitte des 19.
Jahrhunderts.
Klaus Schreiber
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