Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
[ Bestand in K10plus ]
Dante
- 00-1/4-200
-
Dante / Ulrich Prill. - Stuttgart ; Weimar : Metzler,
1999. - X, 235 S. ; 19 cm. - (Sammlung Metzler ; 318).
- ISBN 3-476-10318-8 : DM 26.80
- [5654]
"Im Mittelpunkt der Beschäftigung mit Dante als Autor der
Weltliteratur sollte der plaisir du texte (Roland Barthes) stehen, die
Freude und der Genuß bei der Lektüre" (S. IX). Leider steht der reinen
Lesefreude eine Fülle von Vorwissen entgegen, über das ein gebildeter
mittelalterlicher Leser verfügte und das den meisten heutigen Lesern
abhandengekommen ist. Ulrich Prill, der jetzt in Germersheim lehrende
Romanist, hat es unternommen, dem Nicht-Dantologen Hilfestellung zu
leisten und ihn in Leben und Werk des großen Florentiners einzuführen.
Sein Buch ist knapp und präzise geschrieben und vermittelt die
wichtigsten Informationen zur Biographie, zur politischen Situation
Italiens an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert, sodann zu den
einzelnen Werkgruppen bzw. Werken in der Volkssprache und in Latein
(Lyrik, Convivio, De vulgari eloquentia, Monarchia, Commedia, Briefe,
Eklogen und Questio). Da diese Einführung sich als Realienband
versteht, müssen viele Sachverhalte vereinfacht werden. Prill kann
faßlich darstellen und zwischen Wichtigem und Unwichtigem trennen.
Kritisch könnte man allenfalls anmerken, daß der Commedia mit 56 S.
vielleicht nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet wird, denn der
Verfasser sagt selber (S. 125): "Die Commedia ist als literarisches
Kunstwerk und als summa des Mittelalters eines der Gipfelwerke der
Weltliteratur [...]. Ich meine, daß vielleicht noch Homer und der
Bibel, Shakespeare und Goethe sowie Mozart eine ähnlich universale
Bedeutung zukommt". (Über die Aufnahme Mozarts in diese Reihe und
beispielsweise das Fehlen von Cervantes könnte man übrigens noch
diskutieren!). Aber da über die Commedia an vielen Stellen
Informationen zu gewinnen sind und die anderen Werke vielfach als
Vorstudien oder Ergänzungen dieses Epos verstanden werden können, kann
sich auch ein kritischer Leser mit dieser Gewichtung einverstanden
erklären, zumal alle wichtigen Aspekte (Titel, Gattung, Aufbau,
Zahlensymbolik, Allegorese, Vergil, Beatrice, die Quellen,
Jenseitsreise, Wissen und Poesie) berührt werden. Höchst verdienstvoll
ist auch die dreißig Seiten umfassende Bibliographie (S. 203 - 233),
die in Bibliographische Hilfsmittel, Zeitschriften, Internet,
Werkausgaben, deutsche Übersetzungen und Sekundärliteratur eingeteilt
ist. Zwar kann auch hier aus der Fülle der vorliegenden Titel nur eine
Auswahl geboten werden, aber diese ist sinnvoll und angemessen. Der
einzige Titel, den ein deutscher Dantist vermissen dürfte, ist
Vosslers zweibändiges Dante-Buch (1925).[1] Der romanistische
Fachhistoriker hätte auch gerne mehr Hinweise zur Rezeption Dantes in
Deutschland gehabt. Die Deutsche Dante-Gesellschaft ist immerhin die
älteste der Welt. Im letzten Jahrgang des von ihr herausgegebenen
Deutschen Dante-Jahrbuchs hat das Ehepaar Martin und Ulrike Hollender
z.B. die deutsche Dante-Rezeption von 1933 - 1945 aufgearbeitet,[2] als
einige verblendete deutsche Gelehrte und Literaten meinten, Dante
gehöre den Deutschen ("Dante ist unser!"), weil er der nordischen
Rasse zuzurechnen sei. Prills Band ist sehr sorgfältig redigiert und
so gegliedert, daß ein Leser auch ohne Sachregister schnell die
Hinweise findet, die er zum Verständnis braucht. So kann diese
Einführung gute Dienste im akademischen Unterricht leisten, aber auch
jeden Leser, der eine Orientierung auf dem weiten Feld der Dantologie
sucht, ein kleiner 'Vergil' sein, der in der Commedia den Dichter
instruiert und ihm die wichtigsten Fragen auf der ersten Strecke
seiner Jenseitsreise beantwortet. Leider ist die Klebung der Blätter
dieses wie auch anderer Bändchen der Sammlung Metzler nicht besonders
resistent, so daß das Buch bereits nach kurzer Benutzung in seine
Einzelteile zerfällt. Der Verlag wäre gut beraten, sich hier ein neues
Verfahren einfallen zu lassen. Aber das ist nicht dem Autor
anzulasten, der auch von seiner Einführung sagen könnte: "Tratto t'ho
qui con ingegno e con arte: / Lo tuo piacere ormai prendi per duce
- Mit Geist und Kunst hab ich dich hergeleitet. / Nun nimm zum Führer
deinen eignen Willen".
Frank-Rutger Hausmann
- [1]
- Die göttliche Komödie / Karl Vossler. - 2., umgearb. Aufl.
- Heidelberg : Winter, 1925. - Bd. 1 - 2.
(zurück)
- [2]
- Die deutsche Dante-Rezeption 1933 - 1945 in Publizistik und
Wissenschaft : zwischen politischer Instrumentalisierung und
menschlicher Integrität / von Martin und Ulrike Hollender. // In:
Deutsches Dante-Jahrbuch. - 74 (1999), S. 13 - 84.
(zurück)
Zurück an den Bildanfang