Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
[ Bestand in K10plus ]
Dantes Göttliche Komödie
- 00-1/4-201
-
Dantes Göttliche Komödie / von Fritz R. Glunk. - Orig.
- Ausg. - München [u.a.] : Piper, 1999. - 105 S. ; 19 cm.
- (Meisterwerke kurz und bündig) (Serie Piper ; 2891).
- ISBN 3-492-22891-7 : DM 14.90
- [5744]
Warum ein seriöses Haus wie der Piper-Verlag das vorliegende Bändchen
nicht nur verlegt, sondern vermutlich in Auftrag gegeben hat, bleibt
schleierhaft. Die ganze Reihe ist ein Ärgernis. Sie "richtet sich
gleichermaßen an den neugierigen Laien wie den ambitionierten
Liebhaber der Meisterwerke abendländischer Kultur. Auf einen Blick
erfährt man alles Wissenswerte über herausragende Werke der Literatur,
Musik und Kunst" (Klappentext). Nur albernde Kinder üben sich darin,
Meisterwerke in ähnlicher Weise kurz zu fassen, man denke an die
bekannten Parodien des Erlkönig oder der Glocke. Kann man denen
wenigstens Pennälerwitz nicht absprechen, ist der vorliegende Band
eine gewollt fetzig geschriebene Nacherzählung von Dantes Göttlicher
Komödie. Da leidet der Jenseitsreisende Dante an der midlife-crisis
(S. 24), da wird "die schöne Beatrice [...] immer wieder mal zur
Oberlehrerin" (32), das Inferno zur "herrlich gruseligen
Horror-Picture-Show" (53), da gleicht der Flug durch das Paradiso der
Relativität der Bewegungen in Science-Fiction-Filmen wie Star-Trek
(71) usw. Der Verfasser, freier Journalist, Übersetzer und
Schriftsteller, glaubt, sich über die seriöse Dante-Forschung lustig
machen zu dürfen. Sie ist mißtrauisch (22), ratlos (23), fleißig, aber
pedantisch (34). Als einzige wissenschaftliche Referenz wird nur
Vosslers Dante-Buch von 1925 angegeben und einmal in Klammern ohne
Titelnennung Peter Kuon (98). Der Münchner Romanist Vossler habe "die
vollständigste und immer noch gediegenste Commedia-Einführung in
deutscher Sprache" geschrieben. "Kaum eine Zeile in Vosslers
Darstellung ist zeitgebundene, also leicht verderbliche
Interpretation". Ohne Vosslers Verdienste im geringsten schmälern zu
wollen, hat sich natürlich auch die deutschsprachige Dantistik, auf
deren Schultern auch der Verfasser des vorliegenden Bändchens steht,
seit 1925 weiterentwickelt. Zu nennen ist vor allem der viel benutzte
Kommentar Hermann Gmelins von 1949, auch wenn dieser längst eine
Überarbeitung und Aktualisierung verdient, mit dem Glunk vermutlich
auch gearbeitet hat. Mag sein, daß man sich heute Dante ohne besondere
Qualifikation nähern und schnell ein Buch über ihn schreiben darf, daß
das Publikum es liebt, wenn man den komplexen und poetischen Text auf
eine Zahlentabelle reduziert (33): "Dante im Inferno - trifft 128
namentlich genannte Sünder, - er spricht mit 37 von ihnen, - begegnet
35 Monstern, - unternimmt zwei Bootsfahrten, - reitet zweimal und
- fällt zweimal in Ohnmacht", und daß das dann als "unterhaltsamer und
fundierter Leitfaden" (Klappentext) bezeichnet wird. Das Buch ist ein
Schlag ins Gesicht jeder ernsthaften Beschäftigung mit einem der
größten dichterischen Genies des Abendlandes. Daß durch derartige
Einführungen vielleicht neue Leserschichten erschlossen werden, ist
kaum eine Entschuldigung. Doch man darf sich trösten, daß die Commedia
auch derartige Bearbeitungen schadlos überstehen wird und Dante für
die Wortfälscher einen eigenen Höllengraben vorgesehen hat.
Frank-Rutger Hausmann
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