Der Umfang der (lt. Vorwort) knapp 1000 gezeichneten Artikel reicht
von relativ kurzen, etwa 10 Zeilen bis zu Artikeln enzyklopädischen
Inhalts und Umfangs, die mit Zwischenüberschriften untergliedert sind
womit der Herausgeber den Anspruch rechtfertigt, es handele sich hier
um eine encyclopedia und nicht um ein dictionary; damit setzt er sich
zugleich von dem älteren englischsprachigen Dante-Lexikon von Toynbee[1]
ab. Der wichtigste Unterschied zu diesem liegt allerdings in der
Auswahl der Lemmata: Bei Toynbee überwiegen ganz eindeutig die proper
names, also Gestalten aus Dantes Werken, Zeitgenossen und historische
Persönlichkeiten sowie Geographica, während die Eintragungen unter
Sachschlagwörtern wenig zahlreich sind und sich dazu (trotz der
Revision durch den bekannten amerikanischen Dante-Forscher und
-Übersetzer Charles Southward Singleton) nicht selten mit einer
positivistischen Datenanhäufung begnügen. So besteht z.B. der Artikel
Bibbia bei Toynbee fast zur Gänze aus einer Aufzählung der
Bibel-Zitate bei Dante, während der entsprechende Artikel Bible im
vorliegenden Werk bei etwa gleicher Länge einen Überblick über Dantes
Stellung zur Heiligen Schrift und ihre Verwendung in seinen Werken
gibt und dazu einschlägige Literaturangaben nennt. Natürlich finden
sich auch in der Dante encyclopedia (meist kurze) Eintragungen über
Namen und Geographica aus Dantes Werken und sonstige damit in
Zusammenhang stehende Namen. Zusätzlich finden sich Eintragungen unter
den Namen wichtiger Dante-Kommentatoren sowie der bedeutendsten
Dante-Forscher vor allem des 20. Jahrhunderts, aber z.B. auch von
Illustratoren seiner Werke (von Botticelli über Blake bis Dal¨).
Mittellange bis lange Artikel bekommen die einzelnen Werke des
Dichters sowie zentrale Begriffe. Von den enzyklopädischen
Überblicksartikeln seien nur einige erwähnt: Allegory, Boccaccio,
Commedia (S. 181 - 213, in acht Abschnitte sachlich gegliedert, wobei
die Abschnitte z.T. eigene Literaturangaben haben; hier auch
Abschnitte über die Editionen und die frühen und späteren Kommentare)
oder Florence (18 S.). Unter Dante and ... finden sich mittellange
Artikel über Film, Bildende Kunst, die klassische Tradition und
Fernsehen, dagegen nicht über Musik, unter Dante in ... Artikel zur
Dante-Rezeption und -Forschung in England, Frankreich, Deutschland (7
S.), in der italienischen Literatur, in Rußland und Spanien;
eigenartigerweise fehlt ein Artikel über Dante in den USA; es gibt nur
einen über die Dante Society of America, während die Deutsche
Dante-Gesellschaft gleichfalls einen eigenen Artikel zusätzlich zu dem
über Deutschland hat. Dazu gibt es noch separate Artikel für England,
France, Germany und Italy (nicht dagegen für die anderen vorstehend
genannten Länder), in denen deren Bild in Dantes Werk erörtert wird,
unter Germany (von Gustavo Costa) aber zusätzlich noch ein Abschnitt
über die Rezeption Dantes in Deutschland, der ganz offensichtlich
nicht mit dem vorstehend genannten Artikel Dante in Germany (von Ernst
Behler) koordiniert wurde.[2]
Da sich die Dante encyclopedia speziell an ein englischsprachiges
Publikum wendet, sind die Lemmata unter ihrer englischsprachigen Form
angesetzt, unter der italienischen nur dann, wenn kein eingebürgerter
englischsprachiger Begriff existiert. Diese Ausrichtung beeinflußt
auch die Auswahl der zitierten Sekundärliteratur, unter der die
englischsprachige besonders breit vertreten ist (was sich natürlich
auch aus der Bedeutung der Dante-Forschung in den anglo-amerikanischen
Ländern ergibt), doch geht das nicht auf Kosten der Literatur in
anderen Sprachen: voran natürlich italienisch, gefolgt von
deutschsprachiger Sekundärliteratur, die hier (im Gegensatz zur
weitgehenden Nichtbeachtung in vielen italienischen Publikationen)
breit und sachkundig ausgewählt wurde; daß im Artikel über Rußland
auch russischsprachige Sekundärliteratur angeführt wird, sei eigens
erwähnt.
Beigaben: 1. als Vorspann drei Karten (die denen bei Toynbee
entsprechen, doch waren sie dort wesentlich detaillierter und
informativer) und Schemata von Dantes Jenseitsreich; 2. die
Schwarzweißabbildungen im Text sind nur von mäßiger Qualität aber
dafür stehen sie bei den Artikeln, die sie illustrieren; 3. im Anhang:
chronologische Übersichten über das Leben Dantes, die Päpste, die
römischen und deutschen Kaiser; Liste der Dante-Vertonungen (Jahr,
Komponist mit Lebensdaten und Nationalität, Titel, Gattung, Textstelle
bei Dante) und der Einspielungen solcher Kompositionen (Komponist,
Titel, Label und Nummer, Jahr); ganz knappe Bibliographie von
Informationsmitteln (Bibliographien,[3] Lexika und Konkordanzen,
Zeitschriften; Internet-Quellen[4]); Register der italienischen und
lateinischen Eigennamen; allgemeines Register (mit Markierung der
Lemmata).
Kritische Bemerkungen verdienen außer einer gewissen Unausgewogenheit
(die z.B. daran abzulesen ist, welche Artikel mit Literaturangaben
schließen oder nicht: Arnaut Daniel mit, Bertran de Born ohne) und
ungenügender Koordinierung (s.o.) vor allem die unzureichende
Erschließung: so fehlen leider innerhalb der Artikel Verweisungen bei
Namen und Sachen, die eigene Artikel haben: natürlich wüßte man gerne
bei der Lektüre des Artikels Dante in Germany, daß es Artikel über E.
Auerbach, L. Spitzer und K. Vossler gibt; gleiches gilt für die
fehlenden Verweisungen in den Abschnitten über die Dante-Kommentare
auf Einzelartikel und umgekehrt. Ganz besonders bedauerlich ist es,
daß es Herausgeber und Verlag versäumt haben, eine systematische
Übersicht über die Artikel (und ihre Untergliederung) zu geben: sie
würden es erlauben, das Werk mit seinen enzyklopädischen Elementen
durch die Hinzuziehung der in den kurzen Artikeln enthaltenen
Informationen für die zusammenhängende "Lektüre" zu erschließen.
Auch wenn man dank der Dante encyclopedia das Dante dictionary jetzt
endgültig aus den Informationsapparaten entfernen kann, gilt das
keineswegs für die Enciclopedia dantesca,[5] die zuerst in sechs
großformatigen Bänden zwischen 1970 und 1978 erschien und die heute in
einer leicht revidierten 2. Aufl. von 1984 (in wenigen Exemplaren)
noch lieferbar ist. Abgesehen davon, daß sie eine Kombination aus
Dante-Wörterbuch und -Lexikon darstellt, ist letzteres - das allein in
Konkurrenz zur Dante encyclopedia steht - wesentlich reicher an
Artikeln,[6] so daß man wohl weiterhin immer dort zuerst nachschlagen
wird; zusätzlich sollte man aber jetzt stets die Dante encyclopedia
konsultieren, und das nicht nur wegen der aktuelleren
Sekundärliteratur. Umgekehrt ist Zahl und Qualität der Abbildungen in
der Enciclopedia dantesca unschlagbar.
Klaus Schreiber
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