Wir dürfen annehmen, daß für den Verfasser das zweite Ziel im Vordergrund steht, für den anglistischen Studienbetrieb ein Lehrbuch vorzulegen, das eine ausführliche Ausbreitung seines Themas mit punktuellen thematischen Vertiefungen verbindet, um sowohl Faktenwissen als auch Problembewußtsein zu vermitteln. Die Gliederung des Bandes ist dementsprechend angelegt: In insgesamt 21 Kapiteln finden sich neben Übersichten zu thematischen Längsschnitten (Filmindustrie und die wichtigsten Studios), zu einzelnen Zeitabschnitten (Frühzeit, Zwischenkriegszeit, 80er Jahre, Gegenwart) und Filmgenres (Komödien, Horrorfilme, Agentenfilme, Popmusikfilme, Free Cinema, New Wave) vor allem Einzelstudien zu Regisseuren (Hitchcock, Asquith, Korda, Powell, Pressburger, Reed, Lean, Greenaway und Jarman, um nur die besonders hervorgehobenen zu nennen) und zu "typisch britischen" Themen (Shakespeare-Verfilmungen). Unter systematischem Gesichtspunkt vermißt man die Vorstellung typisch britischer Schauspielerinnen und Schauspieler und Bemerkungen zur britischen Schauspieltradition.
Die Kapitel stehen jeweils unverbunden und recht isoliert
nebeneinander, sie lesen sich wie kleine Abhandlungen zu ihrem
jeweiligen Thema und fallen durch einen trockenen, faktenreichen, aber
zugleich doch seltsam inhaltsleeren Stil auf. Helbig versammelt
jeweils eine große Menge von Informationen, die er jedoch meist nur
anreißt; sie wirken wenig verarbeitet und fallen eher durch ihre
Quantität als durch ihre Qualität auf. Die vielen kurzen, quasi
lexikographischen Bemerkungen zu Nebenthemen und "weiteren" Filmen
eines Regisseurs oder eines Genres wirken häufig floskelhaft und
scheinen ihre Berechtigung vor allem durch die Addition immer neuer
Fakten zu finden. Ein Grund für die vielen Kurzkritiken liegt wohl im
Thema des Bandes, das dazu verpflichtet, jeweils "britische" Phasen im
Leben internationaler Künstler hervorzuheben und andere
"außer-britische" Phasen summarisch vor allem durch das Nennen von
Filmtiteln zu überbrücken. Leider färbt dieses Verfahren auch auf die
Diskussion der zwar britischen, aber "weniger wichtigen" Filme eines
Regisseurs oder eines Genres ab. So wird ein reiches Faktenwissen
angeboten, aber selten Problembewußtsein vermittelt; die
Aneinanderreihung von Details fügt sich nur selten zu abgerundeten
Darstellungen. Filmgeschichte wird zur Chronologie,[2] fügt sich nicht
in Zusammenhänge, deren Herausarbeitung oder auch Konstruktion doch
erst einen solchen Band über ein rein historiographisches Interesse
hinaus rechtfertigen würde. Am auffälligsten wird diese Technik im
letzten Kapitel, das gewissermaßen im offenen Satz abbricht, ohne sich
auch nur den kleinsten Versuch einer Zusammenfassung oder eines
Resümees zu gestatten.
Die Erwartungen an ein akademisches Lehrbuch werden noch durch zwei
formale Mängel enttäuscht: Helbig bietet weder im laufenden Text oder
an den Kapitelabschlüssen Hinweise auf weiterführende und vertiefende
Literatur (er nennt lediglich Belegstellen im Text) noch bietet er
eine inhaltlich gegliederte Bibliographie. Die Bibliographie im Anhang
enthält lediglich etwa 250 Titel in alphabetischer Folge mit knappsten
bibliographischen Angaben; diese Titelliste mag wohl für die
Verifizierung der im Text enthaltenen Beleghinweise notwendig und
nützlich sein, für eine Recherche nach weiterführender oder
ergänzender Literatur ist sie wenig geeignet. Hilfreich für die
Erschließung des Bandes selbst sind allerdings die beiden Register,
ein Personen- und ein Filmtitelregister, vermißt wird aber eine
Filmographie, die die vielen im Text und im Register erwähnten Filme
mit ausführlicheren Daten vorstellen würde, als im Text resp. in den
in den Fließtext eingeschobenen Titellisten geschieht (nur Jahr und
Produktionsfirma, gelegentlich Filmlänge, sowie im Text die deutschen
Verleihtitel).
Der abschließende und relativierende Einwand, es gäbe ja genügend
andere, ergänzende Titel zum britischen Film aus dem Heimatland
selbst, die die vermißten Informationen und Zusammenhänge in z.T.
vorbildlicher Weise bieten, sei nur als rhetorische Floskel
eingeführt: Warum dann dieses Buch für Anglistikstudenten, deren
Sprachkenntnisse für die Originalliteratur doch ausreichen dürften?
Wilbert Ubbens
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