Martina Rommel
Da der Oratorienführer, der sich zwar hauptsächlich auf geistliche Chormusik beschränkt, dennoch auch weltliche Werke und überdies nicht nur Oratorien verzeichnet - insgesamt "rund 450 Werke" ("großbesetzte Chorwerke, Oratorien und Messen") "von mehr als 200 Komponisten" (Schutzumschlag) - , ist der Titel irreführend. So finden sich u.a. weltliche Kompositionen von Berlioz (La damnation de Faust), Brahms (Rinaldo, Alt-Rhapsodie, Nänie), Schönberg (Gurre-Lieder), Sibelius (Kullervo), Strauss (Die Tageszeiten), Vaughan Williams (A sea symphony), und schon der erste Blick in das Systematische Register der behandelten Werke fällt auf Gattungen anderer Art: Magnificat, Messe und Meßsätze, Requiem, Stabat mater, Te Deum.
Zwar hielten sich die Herausgeber nicht "streng" an die "Kriterien der Gattungszugehörigkeit" und "versucht[en]", "allen Werken den Weg in dieses Lexikon zu ebnen, die in den vierhundert Jahren Oratoriengeschichte irgendwann einmal als Oratorium gegolten haben oder gelten - nicht nur im Sinne der Gattungs-, sondern auch der Aufführungsgeschichte" (Vorwort S. IX), darunter besonders "Standardwerke, die Laienchöre einstudieren, die in den Konzertsälen gespielt und auf Tonträgern oder im Rundfunk verbreitet werden", "aber auch Werke - vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts - ..., die heute zu Unrecht vergessen sind" sowie "des 20. Jahrhunderts" (Schutzumschlag), doch drängt sich die Frage auf, ob bei einer anderen Formulierung des Titels die Auswahl nicht weniger willkürlich erschienen wäre und ob mit dem gegebenen, schlecht gewählten Titel nicht lediglich versucht wurde, das weite Feld der Chormusik auf ein überschaubareres einzuschränken, das dafür vollständiger vorgestellt werden kann.
Hauptteil: Alphabet der Komponisten mit Angabe der Geburts- und Sterbedaten und -orte, wichtiger Stationen des Lebenslaufes, weiterer einschlägiger Werke - auch hier ist die Bezeichnung "weitere Werke" (vor den besprochenen) nicht sehr glücklich, zumal nur solche genannt sind, die unter die Auswahlkriterien des Oratorienführers fallen - sowie des Werkverzeichnisses (ohne Seitenzahlen). Auf die letzte Eintragung unter einem Komponistennamen (Bernd Alois Zimmermann) folgen noch zwei Gemeinschaftskompositionen. Die gezeichneten Werkbeschreibungen sind chronologisch angeordnet. Sie beginnen mit den üblichen allgemeinen Angaben (Text, Besetzung, Dauer, Entstehungszeit, Uraufführung, Quellen, Bearbeitungen und weitere Fassungen, Ausgaben) - für die man sich eine übersichtlichere typographische Gestaltung etwa durch Hervorhebung (wie Fett-/Kursivdruck) der Kategorien gewünscht hätte, wie dies in vergleichbaren Nachschlagewerken allgemein die Regel ist - und enden mit Literaturangaben (selbständig und unselbständig erschienene Literatur, Monographien leider ohne Umfangsangabe). Anhang: 1. wie bei Harenbergs-Chormusikführer nützlicherweise Lateinische Texte mit deutscher Übersetzung; 2. Personen- und Werkregister; 3. Systematisches Register der behandelten Werke (Gattungen und biblische Stoffe); 4. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren.
Martina Rommel
Wie alle Reclams ...-Führer, so erscheint auch Reclams Chormusik- und
Oratorienführer[2] seit vielen Jahren in veränderten Ausgaben oder auch
in (weitgehend) unveränderten Auflagen. Der jetzt vorliegende, als 7.,
völlig neu bearbeitete Auflage[3] bezeichnete Band nennt erstmals einen
zweiten Herausgeber (Alexander Wagner). Als Einleitung ein kurzer
Überblick über die Geschichte der Chormusik. Der Hauptteil wie gewohnt
in "historisch-chronologische[r]" "Folge", worin "die Werke nach
Formtypen geordnet" sind. Es schließen sich Fachworterläuterungen und
das Verzeichnis der Komponisten und Werke an. Zwar sind die Gliederung
und ganze Textpassagen aus früheren Auflagen (verglichen wurde mit der
5. Aufl. 1987) übernommen, doch wurde der Text stark überarbeitet und
zahlreiche Komponisten erstmals berücksichtigt, so daß man künftig
primär die 7. völlig neu bearb. Aufl. (die eigentlich die 8. ist)
benutzen wird.
Trotz zahlreicher Überschneidungen zwischen allen drei Führern sind
die Werke, die in nur einem der Führer vorgestellt werden - selbst im
kleinen Reclams Chormusik- und Oratorienführer, der beispielsweise als
einziger Werke von Günter Bialas erläutert -, so zahlreich, daß
zumindest Musikbibliotheken auf keinen verzichten können.
Martina Rommel
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