Die Matrikeln zahlreicher, zumal deutscher Universitäten liegen zu
einem beträchtlichen Teil seit langem publiziert vor. Allerdings
klaffen noch immer empfindliche Lücken. Eine von ihnen soll in den
kommenden Jahren auf Initiative der Universität Bologna und der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften geschlossen
werden. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde unter der Ägide von
Theodor Mommsen eine umfangreiche Quellensammlung zur Geschichte der
deutschen Nation an der Universität Bologna vorgelegt.[2] Der
Schwerpunkt des Interesses lag seinerzeit auf der mittelalterlichen
Universitätsgeschichte, während die Dokumente zum späten 16. bis 18.
Jahrhundert unberücksichtigt blieben, da sie vermeintlich einer Zeit
des Niedergangs und Bedeutungsverlusts der ältesten Universität
Europas angehören. In drei Bänden sollen nunmehr nicht publizierte
Quellen dieses Zeitraums ediert werden; dabei handelt es sich um die
Matrikel der Jahre 1573 - 1602 und 1707 - 1727 sowie um die Annalen
der deutschen Universitätsnation zu den Jahren 1592 - 1619 und 1640
- 1674; abschließend ist für das Jahr 2002 ein Aufsatzband mit
Forschungen zu den neu erschlossenen Quellen vorgesehen. Die
gedruckten Bände mit den Annalen sollen außerdem durch zwei CD-ROMs
mit den Wappenbüchern (Libri armarum) der deutschen Nation ergänzt
werden.
Der vorliegende Bd. 1 der Reihe Natio Germanica Bononiae umfaßt neben
einer forschungsgeschichtlichen Einleitung Beiträge von Gian Paolo
Brizzi (Aspekte der Geschichte der Natio Germanica von Bologna in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts), Norbert Conrads (Anmerkungen zur
Matrikel der deutschen Nation von Bologna) und M. Luisa Accorsi (Nos
qui studiorum causa dulcem patriam et parentes reliquimus : das Libro
degli immatricolati der Natio Germanica am Bologneser Studium).
Im späten 16. Jahrhundert war die von Kaisern und Päpsten reich
privilegierte deutsche Nation neben der spanischen die bedeutendste
ausländische Körperschaft an der Universität Bologna, der damals nach
wie vor wichtigsten Hochschule des päpstlichen Kirchenstaats. Zu den
Mitgliedern der deutschen Nation zählten entsprechend den weiten
Grenzen des Heiligen Römischen Reichs auch die Studenten aus der
Schweiz, den spanischen Niederlanden und aus den habsburgischen
Erblanden einschließlich Böhmens. Außerdem wurden aus Prestigegründen
nicht nur reguläre Studierende, sondern auch Adlige, die sich nur auf
der Durchreise befanden, ehrenhalber immatrikuliert. Zugleich sind bei
weitem nicht alle Bologneser Studenten, die aus dem Reich zum Studium
nach Bologna kamen, in der Matrikel verzeichnet. Da die
Immatrikulation mit der obligatorischen Entrichtung einer Gebühr
verbunden war, wurde es bisweilen vorgezogen, auf die Registration zu
verzichten. Hinsichtlich der Herkunft der Studenten überwiegen die
katholisch gebliebenen bzw. rekatholisierten Gebiete Süd- und
Westdeutschlands, doch finden sich auch in nicht geringer Zahl
Studenten aus protestantischen Reichsstädten (u.a. Nürnberg und
Augsburg) und Fürstentümern (u.a. Württemberg und Preußen). Oftmals
tragen sich ganze Gruppen von Neuankömmlingen aus bestimmten
Herkunftsregionen in die Matrikel ein, was auf eine gemeinsame Anreise
schließen lässt.
Die vorliegende Edition beruht auf dem Libro degli immatricolati (Sez.
II, Nr. 2) des Archivio Storico der Universität Bologna und umfaßt
insgesamt 2774 Einträge. Soweit möglich werden zu den einzelnen
Einträgen Belege zu anderwärtigen Studienaufenthalten deutscher
Studenten an italienischen Universitäten gegeben, wobei die
Hochschulen von Siena, Perugia und Padua besonders häufig genannt
werden.[3] Zwei Register (Personen- und Ortsnamen), in denen die
zahlreichen orthographischen Varianten berücksichtigt werden, erlauben
einen bequemen Zugriff auf das ausgebreitete Material.
Christian Heitzmann
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