Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
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Maler-Müller-Bibliographie


01-1-055
Maler-Müller-Bibliographie / Rolf Paulus ; Eckehard Faul. - Heidelberg : Winter, 2000. - VII, 325 S. : Ill. ; 22 cm. - (Werke und Briefe / Friedrich Müller : Bibliographie). - ISBN 3-8253-1041-8 : DM 118.00
[6192]

Friedrich Müller (1749 - 1825), wegen seiner literarisch-künstlerischen Doppelbegabung auch Maler Müller genannt, erlebt zur Zeit eine Renaissance in der Publikation und Erforschung seines literarischen und teilweise auch seines bildkünstlerischen Werkes. Ein Freundeskreis in Müllers Geburtsstadt Bad Kreuznach und engagierte Wissenschaftler und Editoren an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, zu denen auch die beiden Bearbeiter der vorliegenden Bibliographie gehören, haben besonders durch den nur in größeren Abständen erscheinenden Maler-Müller-Almanach[1] und die Begründung einer von der DFG geförderten kritischen Gesamtausgabe der Werke und Briefe (seit 1996; bisher 6 Bände, s. Nr. 38 und 39) zu Recht wieder auf ein Lebenswerk aufmerksam gemacht, das vor allem für die Geschichte der deutschen Faust-Dichtungen und der Idyllendichtung - die Schaaf-Schur (1775) war seinerzeit ein vielgelesenes Werk - einige Bedeutung hat. Die vorliegende Bibliographie setzt zugleich die löbliche Praxis fort, neue kritische Werkausgaben mit einer fundierten Personalbibliographie (vgl. Klopstock, Möser, Goethe u.a.) zu verbinden. Das hat nicht nur seit Lachmann/Munckers Lessing-Ausgabe (1886 - 1924) Tradition, sondern sichert auch die unverzichtbare bibliographische Vorleistung für neue Editionen durch die verläßliche Fixierung der gedruckten Texte und den Überblick über die für den editorischen Kommentar (und natürlich andere Arbeiten) erforderliche Sekundärliteratur.

Diesem allgemeinen inhaltlichen und methodischen Ansatz wird die neue Maler-Müller-Bibliographie gerecht, zumal sie sich auf die Bibliographie von Friedrich Meyer[2] stützen kann, die neben O. Mallons Arnim- und Brentano-Bibliographien (1925 bzw. 1926) zu den Gründungskonstanten der neueren germanistischen Personalbibliographie zählt. Insofern war es selbstverständlich, daß eine verläßliche und gut annotierte bibliographische Beschreibung der Erstdrucke im Teil A. Werke angestrebt wurde, die bis zur Auswertung von Antiquariats- und Auktionskatalogen geht.

Die neue Bibliographie läßt mit ihren über 1500 bibliographischen Nachweisen von den Anfängen bis zum Erscheinungsjahr 1999 hinsichtlich der Erfassung nur wenige Wünsche offen, wie zahlreiche Vergleiche u.a. mit der Weimarer Internationalen Bibliographie zur deutschen Klassik ergaben.[3] Viel Wert wird auch im Teil B. Literatur über Maler Müller auf die analytische Erschließung der Publikationsinhalte gelegt; oft sind die verzeichneten Veröffentlichungen neben solchen Inhaltsübersichten mit weiteren, typographisch übersichtlich abgesetzten sachkundigen Inhaltsannotationen versehen.[4] Die Namen und Sachtitel sind akribisch korrekt verzeichnet.[5]

Indem Paulus/Faul die Bibliographie von Meyer nach fast einem Jahrhundert aufarbeiten und weiterführen, müssen sie sich jedoch der Frage stellen, in welchem Maße sie den methodischen Fortschritten der neueren germanistischen Personalbibliographie gerecht werden. Und in dieser Hinsicht sind z.T. erhebliche Bedenken anzumelden. Erneut erweist sich, daß literaturwissenschaftliche Kompetenz ohne die Beschäftigung mit bibliographischen Fragen bzw. ohne die Kooperation mit einem erfahrenen Bibliographen nicht zum erforderlichen Niveau führt.

Die Probleme beginnen mit der sinnvollen Konzentration auf das inhaltlich Relevante. Der präsentierte Datenpool enthält viel Redundantes und Nebensächliches. Ist die minutiöse Verzeichnung der kleinsten Erwähnungen Müllers und seiner Erstpublikationen bis 1825 aus biographisch-wirkungsgeschichtlicher und editorischer Sicht noch durchaus akzeptabel, so werden viele Sachgruppen mit bedeutungslosen Erwähnungen und für die Müller-Forschung unwesentlichen Veröffentlichungen nach 1825 zugeschüttet, die dem Nutzer wachsenden Unmut bereiten. Das betrifft extrem die Gruppe B II.2 Darstellungen, Studien, kleinere Beiträge ... zum Gesamtwerk, S. 135 - 180). Wozu werden allgemeine Literaturgeschichten des 19. und 20. Jahrhunderts (Nr. 447, 460, 488, 500, 556, 660, 667, 676, 691, 725, 758, 759 usw.) oder allgemeine Darstellungen zum Sturm und Drang (480, 588, 614 u.a.), Monographien oder Aufsätze zu anderen zeitgenössischen Autoren (483, 489, 509, 577, 622, 735, 807, 813 usw.) oder zu einzelnen Themen (547, 690, 788 u.a.) hier verzeichnet, ohne daß sie einen nennenswerten zusammenhängenden Part zu Maler Müller enthalten? Die erforderliche und auch methodisch differenzierte effiziente Arbeitsteilung zwischen allgemeiner retrospektiver Fachbibliographie, Epochenbibliographie und Personalbibliographie scheint den Bearbeitern unbekannt zu sein. Hinzu kommt, daß die Maler-Müller-Bezüge pauschal mit Seitenzahlen, nicht mit inhaltlichen Hinweisen angegeben werden, was auch zu falschen Einordnungen führen kann: Nr. 1109 gehört eigentlich zur Gruppe B III.3.b Faust, denn das angegebene Kapitel heißt "Der Monolog in Maler Müllers ,Faust'". Ein nur numerischer Nachweis auf H. 3/1817 von Goethes Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum (Nr. 404) geht ins Leere, was in diesem Fall besonders zu bedauern ist, da es hier um Goethes hohe Anerkennung für Müllers Leonardo-Aufsatz geht, mit der Goethe seine frühere Abneigung gegenüber Müller revidiert.

Die Sachgruppengliederung der Bibliographie ist insgesamt durchdacht und dem Autor adäquat bis hin zur Berücksichtigung der Literatur über Müller als bildenden Künstler. In der Präsentation und Zuordnung der verzeichneten Publikationen zeigen sich jedoch erhebliche Mängel. Kann man die an sich rein formale Zweiteilung vieler Gruppen in Buchveröffentlichungen und Darstellungen, Studien, kleinere Beiträge ... vielleicht noch rechtfertigen, so stört doch, daß der Inhalt komplexer Publikationen (Textausgaben und -anthologien, Sammelbände u.ä.) oft auf mehrere Gruppen verteilt wird, ohne daß er an einer Stelle vollständig nachgewiesen wird. So z.B. bei Nr. 1 (S. 1 - 2 und 22 - 24), 17 (S. 17 und 20), 138 (S. 20 und 56) usw. (Das gelungene Gegenbeispiel dagegen bei Nr. 331, S. 5 - 8). Der Nutzer wird nolens volens zum Puzzle-Spieler; die an sich gründliche und zuverlässige Inhaltsannotierung solcher Veröffentlichungen verliert dabei an Wert. Und das hierbei angewandte Verweisungssystem verwirrt mehr als es nützt, weil die an anderer Stelle wiederholten laufenden Nummern den normalen Numerus currens unterbrechen, den man dadurch oft nur mit Mühe erkennen kann (extrem: S. 57, 58, 73 u.a. nur mit hüpfenden Verweisungsnummern; S. 66 sieben hüpfende Nummern bei neun Titeln usw.). In der Gruppe B II.3 Zeitgenössische Zeugnisse (S. 181 - 198) wird das Material insofern unnötig zersplittert als beispielsweise die relevanten Bände der Weimarer Goethe-(Sophien-)Ausgabe oder die des Wielandschen Briefwechsels einzeln verzeichnet werden, der Zusammenhang damit zerstört wird (Nr. 879 - 881, 890, 932, 936 u.a.).

Auch im Detail läßt die bibliographische Beschreibung Schwächen erkennen, die zu den mittleren und größeren bibliographischen Todsünden zählen: Bei den selbständigen Publikationen werden - im Gegensatz zu den Aufsätzen aus Sammelbänden oder Periodica - außer bei der Primärliteratur keine Gesamtseitenzahlen angegeben; auch Illustrations- und Beigabenvermerke fehlen generell. Sammelbände nicht unter ihren Sachtitel, sondern den Herausgeber zu stellen, hat sich leider eingebürgert und wird auch hier praktiziert. Insgesamt präsentieren sich die verschiedenen Arten der bibliographischen Beschreibung in einem teilweise skurrilen "Eigenbau", der die Übersichtlichkeit und Kompatibilität der Aufnahmen erschwert.

Der Registerapparat (Personenregister, Register der Werke Müllers, Register der exzerpierten Zeitschriften und Zeitungen) ist zuverlässig gearbeitet und als alternatives Erschließungsmittel angesichts des teilweise schwer zu überschauenden bibliographischen Hauptteils besonders wichtig, zumal die in den Inhaltsübersichten und Annotationen enthaltenen Informationen in die Register einfließen und dadurch beispielsweise die nachgewiesenen Briefe von und an Müller über die Korrespondentennamen vorzüglich erschlossen werden.

Insgesamt liegt ein Verzeichnis vor, das für den weiteren Fortschritt der Müller-Edition und - Forschung unentbehrlich ist. Wie schade, daß die bibliographisch-methodischen Schwächen und Holprigkeiten den Gesamteindruck schmälern und die Benutzung stark erschweren. Die Chance, am Beispiel eines überschaubaren bibliographischen Korpus etwas Vorbildliches zu schaffen, wurde leider vertan.

Siegfried Seifert


[1]
Maler-Müller-Almanach. - Bad Kreuznach : Ess. - 1 (1980) - 4. 1988 (1987); 5 (1995) - (zurück)
[2]
Maler-Müller-Bibliographie / bearb. von Friedrich Meyer. - Leipzig: Meyer, 1912. - 175, [14] S. : Ill. - Reprint 1994. (zurück)
[3]
So bliebe nur ein Beitrag von H. Ebert über B. Genellis Karikaturen zu Maler Müller und anderen im Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. - 17 (1985) ebenso nachzutragen wie ein Aufsatz von G. Stiehl über Maler Müller und Bad Kreuznach in Literaturschauplatz Rheinhessen (Mainz, 1993), das Kapitel über Müllers Golo und Genoveva in der Münchener Dissertation von Yuan Zhi Zhang zum Legendenstoff der heiligen Genoveva ..., (Frankfurt a.M. u.a. : Lang, 1998), oder der Wiederabdruck von R. Alewyns Aufsatz Mahler Müller und die heidnische Landschaft in Alewyns Sammlung Probleme und Gestalten (Frankfurt a.M., 1982). Doch diese Lücken fallen nicht ins Gewicht. (zurück)
[4]
Bei Nr. 1317 fehlt allerdings der wichtige Hinweis auf Müllers bildkünstlerisches Oeuvre-Verzeichnis, S. 71 - 409. (zurück)
[5]
Nr. 763 (Barns statt Göres) ist wirklich eine Ausnahme; den vermeintlichen "Autor" V. Kn. (das heißt: "Im Buch:", Nr. 706) kann man vielleicht einem des Russischen nicht Kundigen verzeihen. (zurück)

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