Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
[ Bestand in K10plus ]

Die Rezeption russischer Gegenwartsprosa in der


01-1-065
Die Rezeption russischer Gegenwartsprosa in der Bundesrepublik Deutschland 1976 - 1995 : Versuch einer Chronologie / Martina Warnke. - Hamburg : Kovac, 2000. - 388 S. ; 21 cm. - (Schriftenreihe Poetica ; 54). - Zugl.: Gießen, Univ., Diss., 1999. - S. 329 - 387 Verzeichnis der einbezogenen Übersetzungen und Rezensionen. - ISBN 3-8300-0298-X : DM 188.80
[6397]

Dem Untertitel entsprechend erwartet man, daß dieses Buch ein Verzeichnis aller ermittelten Übersetzungen der im genannten Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland verlegten russischen Literatur des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts enthält, chronologisch nach Publikationsjahren geordnet, hinsichtlich der Rezeption kommentiert. Man unterstellt eine ergänzende alphabetische Aufschlüsselung. Das Buch bietet aber im Anhang nur eine Auswahlliste der "einbezogenen Übersetzungen und Rezensionen", wobei mit "einbezogen" eine nähere Beschäftigung mit Rezensionen ebenso gemeint sein kann wie lediglich statistische Angaben im Text (Nagibin). Diese Liste verweist ohne Begründung lediglich auf "FAZ-Rezensionen", im Textteil aber finden sich auch andere.

Ein notwendiges einleitendes Kapitel über die Forschungslage fehlt. Dadurch erfährt der Benutzer nicht, daß der Verfasserin reichliches, den Umfang ihres Buches überschreitendes Material zu ihrem Thema vorlag - die Hauptquelle ihres Buches. Es sind die jährlichen Nachweise der in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz in Übersetzung verlegten Werke der russischen Gegenwartsliteratur, die in der Zeitschrift Osteuropa erschienen sind. Für den Zeitraum von 1976 bis 1991 stammen sie von mir, seit meiner Emeritierung von Karlheinz Kasper. Diese 24 umfangreichen Beiträge, die sie nur als eine der bibliographischen Quellen angibt, bedingen auch den Anfang des von der Verfasserin gewählten Zeitausschnitts, nämlich 1976. Er ist weder aus der Geschichte der russischen Literatur, noch der Rezeption in Westdeutschland zu begründen. Er liegt beim Beginn meiner Forschung auf diesem Gebiet. Sie geht auf die Bitte des damaligen Leiters von Inter Nationes, Richard Mönnich, zurück, ich möge auf den Angriff von Alfred Andersch antworten, Sowjetliteratur werde in Westdeutschland nicht übersetzt. Mit bibliographischen Fakten auf der Basis einer Kartei von Mönnich widerlegte ich diese ideologische Unterstellung.[1] Der Abschluß des von Warnke erfaßten Zeitraums - 1995 - ist offenbar durch die letzte Analyse von Kasper bei Beginn ihrer Arbeit begründet. Von den beiden Buchausgaben meiner Beiträge führt sie nur den ersten Band auf - in der Bibliographie.[2] Diese Bücher enthalten insgesamt 700 Kurzrezensionen, die Nachfolgeartikel von Kasper setzen die Technik der Kurzrezension fort und sind gelegentlich ausführlicher, aber in Warnkes Rezensionsüberblicken werden sie nicht berücksichtigt, obwohl keiner der Rezensenten auch nur annähernd so viele Übersetzungen analysiert hat. Ihr Register verzeichnet nur die Schriftsteller, nicht Rezensenten und Übersetzer, obwohl Unterkapitel darauf eingehen (z.B. in jeder Periode Vermittlungsspezifische Merkmale der Rezensionen). Bedenkt man noch, daß das wichtige Problem der Beeinflussung der Verlagstätigkeit bis zur Wiedervereinigung Deutschlands durch die billigeren DDR-Lizenz-Übersetzungen nicht behandelt wird, verliert das Buch, das den linguistisch wunderlichen Terminus "bundesdeutscher" Übersetzungen sogar dann verwendet, wenn es sich um Lizenzausgaben (Ch. Kossuth) handelt, weiter an Aussagekraft. Der Wert dieses Buches - einer Dissertation - als Nachschlagewerk ist sehr gering. Das Material ist inkonsequent erfaßt (die "Rezeption" auf ausgewählte "Rezensionen" beschränkt, sogar Monographien über erfaßte Autoren fehlen). Das Register schlüsselt schlecht auf. Die Verallgemeinerungen stehen auf schwacher Basis. Sehr viel ist unvollständig, inkonsequent, einseitig.

Wolfgang Kasack


[1]
Wer lesen will, kann lesen : eine Antwort auf Alfred Anderschs Vorwürfe, Literatur aus der Sowjetunion werde in Deutschland unterschlagen ; russische Literatur heute: reiches Angebot in deutscher Sprache / Wolfgang Kasack. // In: Die Zeit. - 1977-04-15, S. 44. (zurück)
[2]
Russische Literatur des 20. Jahrhunderts in deutscher Sprache / Wolfgang Kasack. - München : Sagner. - (Arbeiten und Texte zur Slavisitk ; ...). - [1]. 350 Kurzrezensionen von Übersetzungen 1976 - 1983. - 1985. - 157 S. - (... ; 35). - 2. 450 Kurzrezensionen von Übersetzungen 1984 - 1990. - 1991. - 287 S. - (... ; 50). (zurück)

Zurück an den Bildanfang