Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
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100 Jahre1 7Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler1


01-1-070
100 Jahre1 7Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler1

Folgt man der Tradition einer Etikettierung von Jahren und Jahrhunderten, so dürfte für die Architektur(-geschichte) das zu Ende gegangene 20. Jahrhundert wohl auch als das Jahrhundert der Denkmälerinventarisierung bezeichnet werden. Sicher, die Wurzeln der Denkmalverzeichnung reichen - zumindest in Deutschland - zurück ins 19. Jahrhundert, als mit zunehmendem Interesse an historischen Fragestellungen und der Etablierung entsprechender Fach- und Wissenschaftsdisziplinen in seinen letzten Jahrzehnten bereits erste Großprojekte zur Inventarisierung der "Altertümer" in den einzelnen Ländern des Deutschen Reiches einsetzten. Historische Reflexion und historische (Fach-)Perspektive beförderten aber nicht nur diese umfassenden, sehr langsam voranschreitenden, bis ins 20. Jahrhundert hinein reichenden und z.T. dennoch unvollendet gebliebenen ersten Großprojekte, sondern erwiesen sich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts als tragfähige Basis für ein Projekt der schnelleren und komprimierteren Vermittlung von Eckdaten zum Denkmälerbestand in Deutschland, das bis heute mit dem Namen seines Initiators verbunden ist: das Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, kurz Dehio genannt. Der 1850 in Reval geborene Historiker und Kunsthistoriker Georg Dehio trug erstmals 1899 auf einer Tagung der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Straßburg seinen Plan eines Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler vor, dessen Durchführung dann 1900 auf dem Tag der Denkmalpflege in Dresden beschlossen wurde, nachdem er hier nochmals die Grundvorstellungen für dieses neue Handbuch formuliert hatte: "Es gibt Aufgaben der Denkmälerstatistik, die durch die offiziellen Inventare nicht gelöst sind, und nicht gelöst werden können. Wir bedürfen eines Mittels zu schneller Orientierung. Ich beantrage daher die Herstellung eines Handbuches, welches seinem Begriff gemäß wenig voluminös, leicht transportabel, in seiner inneren Einrichtung so übersichtlich wie möglich, ebenso bequem auf dem Schreibtisch wie auf der Reise zu benutzen sein muß. Daraus folgt: relative Beschränkung des Stoffes und knappe Ausdrucksweise. ..."[1] Dieses daraufhin erstmals ab 1905 in 5 Bänden publizierte, nach Dehios Tod 1932 von Ernst Gall fortgeführte und ab 1941 (bzw. nach Neugründung ab 1958) von der Vereinigung zur Herausgabe des Dehio-Handbuches getragene Handbuch erschien somit über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg in verschiedenen Auflagen und z.T. grundlegenden Neubearbeitungen. Diese waren nicht nur jeweils notwendig durch einschneidende Veränderungen im Denkmälerbestand aufgrund von Kriegszerstörungen und -verlusten, aufgrund staatlicher Neuordnungen, wie etwa nach 1945 usw., sondern gerade im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts auch bedingt durch einen gewandelten und breiteren Denkmalbegriff und Verschiebungen im chronologischen Schnitt. Der jüngste Impuls für Neubearbeitungen schließlich ist in vielen Teilen eng verbunden mit den Veränderungen durch die deutsche Wiedervereinigung. Von Dehio gedacht als "ein urteilender und klärender Führer durch die Denkmälerstraße"[2] und im Vorwort des ersten Bandes von 1905 schließlich definiert als "... Übersicht über den heutigen Bestand der deutschen Denkmäler in der Form eines beschreibenden Verzeichnisses, geordnet nach der örtlichen Verteilung" (S. V), "als ein Nachschlagebuch für die Arbeit am Schreibtisch und zugleich ein bequemes Reisehandbuch" (S. VI), hat der Dehio seitdem vor allem Generationen von Kunsthistorikern begleitet und ist so durchaus seiner Bestimmung bis heute gerecht geworden, wenn auch die mit den Adjektiven "urteilend" und "klärend" gegebenen Charakterisierungen im Laufe der Zeit oftmals in den Hintergrund traten zugunsten von reinen Fakteninformationen.

Angela Karasch


[1]
Zitiert nach dem in der im folgenden besprochenen Festschrift (S. 82 - 87) abgedruckten Programm zu einem Handbuche der deutschen Kunstdenkmäler / vorgelegt von Georg Dehio = Straßburg (Zitat S. 82). (zurück)
[2]
Zitiert nach der im folgenden besprochenen Festschrift, S. 75. (zurück)

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