Die Idee zu diesem Vorhaben kam Kathleen Scott bei ihrer Arbeit am
sechsten Band des grundlegenden Überblicks über die englische
Buchmalerei.[1] Da schnell klar wurde, daß sie diese Arbeit nicht
alleine bewältigen konnte, tat sie sich mit anderen Autoren zusammen
(Bd. 1, S. 9). Man hat mit den Beständen der Bodleian Library
begonnen, weil diese durch den Katalog von Pächt und Alexander[2]
bereits gut erschlossen sind.
Um die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit zu schaffen, mußten die
Beteiligten zunächst ihre Terminologie so weit wie möglich
standardisieren und Richtlinien festlegen. Diese sind im Users' manual
(S. 13 - 26; 9 - 23) niedergelegt. Nach einer Liste der behandelten
Handschriften und einem Abkürzungsverzeichnis folgt als erster
Hauptteil der Katalog mit den Beschreibungen, vorangestellt ist das
Beschreibungsschema (S. 29 - 97; 27 - 103). Das eigentliche Hauptstück
ist jedoch ein ikonographischer Index (S. 117 - 143; 119 - 171), dem
noch ein speziell auf jeden einzelnen Band zugeschnittenes Glossar der
häufig vorkommenden Szenen und der nicht so geläufigen Begriffe, z.B.
aus der Alchemie oder Benennungen von Kleidungsstücken, beigegeben ist
(S. 99 - 105; 104 - 111). Ein Register der Autoren und Werke (S. 107
- 116; 112 - 118) sowie einige Abbildungen zur Erläuterung bestimmter
Begriffe runden die Faszikel ab.
Nach dieser groben Inhaltsbeschreibung gilt es, die einzelnen
Abschnitte genauer anzusehen, um das Besondere an diesem Projekt zu
erfassen und es mit anderen, speziell auch in Deutschland laufenden
Unternehmungen zu vergleichen. Zunächst fällt die Ausführlichkeit in
der Darstellung der Methoden auf, die die Benutzung sehr erleichtert
und nur gelobt werden kann. Punkt für Punkt wird im Users' manual,
Abschnitt IV - VII (Bd. 1, S. 19 - 26), das Beschreibungsschema
erklärt; so entsteht nebenbei auch ein kleines Glossar zur
Terminologie der Buchmalerei, das es auch dem Ungeübten erlaubt, sich
in den Beschreibungen zurechtzufinden. In den Einleitungen zu den
Katalogen illuminierter Handschriften der Bibliothèque Nationale in
Paris gibt es etwas Ähnliches, aber in sehr viel knapperer Form; die
Kataloge deutscher und österreichischer Bibliotheken bieten nichts
Vergleichbares. Das Schema enthält 43 Kategorien, von denen in den
einzelnen Katalogisaten natürlich immer nur ein Teil gebraucht wird,
sehr viele sind nur etwa 20 Zeilen lang. Umfangreich ausgestattete
Handschriften, wie Laud. Misc. 165 (Bd. 2, S. 75 - 85), beanspruchen
dagegen mehrere Seiten. Alle figürlichen Darstellungen in Miniaturen,
historisierten Initialen und Figureninitialen werden einzeln mit
Folioangabe aufgeführt, unter Nennung ikonographischer Details.
Schmuckelemente minderen Ranges (Ober- und Unterlängen, Cadellen etc.)
werden, wenn möglich, zu Gruppen zusammengefaßt und in wenigen
Beispielen angeboten, aber auch das nur, wenn sie figürliche Elemente
enthalten (z.B Menschen- oder Tierkopf); diese Bedingung gilt auch für
Fleuronné-Initialen, selbst wenn sie noch so prächtig gestaltet sind.
In dieser Kategorie erscheinen allerdings auch Nota-Hände, die in
deutschen Katalogen ignoriert werden. Angaben zu Kodikologie oder
Geschichte fehlen, ebenso eine Lokalisierung. Zwar ist eine Entstehung
in England vorausgesetzt, aber man möchte dazu doch gerne etwas
Genaueres erfahren. Nur Signatur, Inhalt und Datierung sowie Verweise
auf den Summary catalogue[3] und Pächt/Alexander[4] werden als generelle
Informationen neben der Beschreibung des Buchschmucks angeboten. Aber
auch diese Werke enthalten nur äußerst knappe Angaben. Welche
Datierungen aus ihnen übernommen sind und welche von den Bearbeitern
selbst stammen, ist nicht ersichtlich; lediglich einige von
hinzugezogenen Paläographen vorgenommenen sind im Vorwort aufgelistet
(vgl. Bd. 1, S. 14).
Das Herzstück eines jeden Bandes, das der Reihe auch den Namen gibt,
ist der ikonographische Index mit vier hierarchischen Ebenen. Hier
wird sich der Benutzer im Normalfall zuerst orientieren, und er wird
nicht schlecht bedient. Meistens kann unter jedem Begriff der
detailreichen Beschreibungen der einzelnen Bilder des Katalogteils
gesucht werden. Auch wenn dies manchmal doch nicht der Fall ist, gibt
es immer noch genügend Zugangswege. Einige Fehler in der
alphabetischen Anordnung unter Sammelbegriffen mit vielen Einträgen
wirken etwas störend; es empfiehlt sich daher, bei Mißerfolgen, auch
einige Zeilen weiter oben oder unten zu suchen.
Was leistet also dieses neue Unternehmen bei der Erschließung
illuminierter Handschriften im englischen Rahmen und im Vergleich zu
dem Konzept, wie es die DFG verfolgt? In England ist man hinsichtlich
der Kataloge einzelner Bibliotheksbestände noch nicht weit gekommen,
und wie oben schon erwähnt, handelt es sich eher um Inventarlisten mit
Literaturangaben und sehr kleinen Abbildungen. Allerdings sind die
Nachbarn zu beneiden um ihren sechsbändigen Überblick zur englischen
Buchmalerei von den Anfängen bis zur Spätgotik,[5] in dem die
bedeutendsten Handschriften, ungeachtet ihres heutigen Standorts,
ausführlich einzeln beschrieben und ihrem stilistischen Umfeld
zugeordnet werden, versehen mit großzügigen Abbildungen. Damit hat man
ein Referenzwerk für alle weiteren Forschungen auf diesem Gebiet.
Etwas Vergleichbares steht weder für die deutschsprachigen Länder noch
für Frankreich oder Italien[6] zur Verfügung.
Kataloge illuminierter Handschriften liegen in Deutschland bisher nur
für einen Teil der großen Handschriftenbestände in Berlin, München und
Stuttgart und die kleinere Sammlung in Fulda vor. Sie enthalten
ausführliche Beschreibungen der einzelnen Codices - inklusive
Provenienz, Kodikologie, Einband und knappen Textangaben -, wobei der
Buchschmuck nicht nur aufgezählt, sondern in einem besonderen
Abschnitt stilistisch eingeordnet wird mit Hilfe des klassischen
kunsthistorischen Verfahrens, nämlich durch Vergleichen mit anderen
Handschriften und Kunstdenkmälern. Datierung und Lokalisierung
erhalten also eine für den Katalogbenutzer nachvollziehbare und
nachprüfbare Begründung. Ikonographische Angaben fallen dagegen nicht
ganz so detailliert aus wie in dem besprochenen Werk. Diese wie die
Einbände und die verschiedenen Initialformen, also z.B. auch
Fleuronné-Initialen ohne figürlichen Anteil, werden über ein Register
erschlossen; umfangreiche Abbildungsteile sind wesentliche
Bestandteile der Kataloge. Nach dem gleichen Muster - in den
begründenden Abschnitten manchmal sogar etwas ausführlicher - sind die
bisher erschienenen Kataloge der ÖNB aufgebaut.
Dagegen beschränkt sich die eher private Initiative einiger
Kunsthistoriker und Bibliothekare, wie es der Titel auch explizit
sagt, auf eine rein ikonographische Erschließung ausschließlich
englischer Handschriften aus einem begrenzten Zeitraum; allerdings
sind dies in den bisher erschienenen zwei (von drei) Bänden zur
Bodleian Library bereits 750 Nummern. Diese Arbeit kann, wie man an
den Erscheinungsjahren sieht, in relativ kurzer Zeit bewältigt werden,
doch bleibt eben auch der Nutzen für die kunsthistorische Forschung
begrenzt.
Peter Burkhart
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