Den Hauptteil des Handbuchs bildet weiterhin sein dritter Teil Das
Werk (S. 116 - 491), in dem nach einem Abschnitt über die
Veröffentlichungsgeschichte der Texte und einem weiteren über
Handlungsführung und Prosastil sämtliche Texte Karl Mays nach elf
Werkgruppen geordnet, in gezeichneten Artikeln nach einem vorgegebenen
Schema - Editions- und Stoffgeschichte, Inhaltsangabe, Analyse,
Wirkungsgeschichte - vorgestellt werden. In Anbetracht der proteischen
Veröffentlichungsweise von Karl Mays Werken, die durch geänderte
Titel, Bearbeitungen, unselbständige und selbständige Publikation
desselben Textes, Wiederverwendungen u. dgl. gekennzeichnet ist, hilft
zur sicheren Identifizierung die von Karl Serden und Klaus Rettner
bearbeitete Konkordanz (S. 591 - 616), die von allen abweichenden,
auch "erfundenen und veränderten" Titeln auf die fett gesetzte Form
verweist, die auch im dritten Teil verwendet wird;[2] die entsprechende
Fundstelle wird leider nicht angegeben. In der Vorbemerkung zur
Konkordanz sind pauschal die einschlägigen subjektiven
Personalbibliographien von Plaul und Schmatz/Hermesmeier Klotz
genannt.[3] Daß die laufenden Nummern bei Plaul weder hier noch im
Werk-Teil zitiert werden, ist ebenso verwunderlich wie nachteilig,
enthalten sie doch die genaueste bibliographische Beschreibung aller
bis zum Tode Karl Mays erschienenen Texte.[4]
Der erste Teil Zeit und Überlieferung (S. 19 - 60) behandelt primär
Die literarische Tradition (Trivial- und Abenteuerroman) und Den
literarischen Markt mit seinen Produktions- und Verbreitungsformen als
Voraussetzung für Karl Mays Erfolg auf dem Markt der Massenliteratur,
der zweite Teil Person und Lebensumstände (S. 61 - 115). Der besonders
interessante und in einer weiteren Auflage dringend auszubauende
vierte Teil Wirkungsgeschichte (S. 492 - 564) enthält in nicht weniger
als zwölf leider meist recht knappen Abschnitten Informationen zu
folgenden Themenbereichen: Kritik und Rezeption;[5] Fortsetzungen,
Ergänzungen und Bearbeitungen; Karl May in den anderen
deutschsprachigen Ländern und der DDR; Übersetzungen;
Dramatisierungen;[6] Verfilmungen; Vertonungen;[7] Formen kommerzieller
Verwertung (Merchandising); Comics und Bildergeschichten; Museen und
Gedenkstätten (hier haben sich seit der 1. Aufl. und nach dem Ende der
DDR die meisten Veränderungen ergeben); Der Karl-May-Verlag; Organe
und Perspektiven der Karl-May-Forschung. Der Anhang enthält außer
kurzen Verzeichnissen der Abkürzungen, der Internetadressen und der
Mitarbeiter als umfangreichere Teile die bereits erwähnte
Bibliographie der Forschungsliteratur (S. 568 - 590), die leider nur
alphabetisch geordnet ist, die man jedoch mit einer auf der
Internetseite der Karl-May-Gesellschaft[8] angebotenen, sachlich
geordneten Bibliographie ergänzen kann sowie die ebenfalls bereits
genannte Konkordanz; das Werk- und Personenregister erweitert das
reine Werkregister der 1. Aufl. durch die Personen, wobei die Figuren
aus Karl Mays Werken besonders markiert sind; leider sind die
Hauptstellen, an denen die Werke im dritten Teil behandelt werden,
typographisch nicht hervorgehoben.
Wenn es im kurzen Unterabschnitt Perspektiven der May-Forschung (S.
564) heißt: "a) Ausbau des Reprint-Programms. ... Auch die auf 99 Bde.
angesetzte historisch-kritische Ausgabe (KMW) wird vom Hg. H.
Wiedenroth im Verlag Bücherhaus Bargfeld fortgesetzt", so zeigt das
die ganze Misere der Karl-May-Forschung auf, arbeitet sie doch
weiterhin teilweise mit Texten, die in einer Gestalt überliefert sind,
die auf weite Strecken nichts mit dem "Original" zu tun haben. Gemeint
sind die Bearbeitungen (inzwischen wieder "Rückbearbeitungen") der
GWR/GWB, bei denen sich der Karl-May-Verlag auf eine Erklärung der
Witwe von Karl May beruft. "Daß die Witwe eines Dichters, an dessen
Texten sie keinerlei Anteil hat, einen Dritten und ungenannten Vierten
dazu ermächtigte, auf dem Wege der Bearbeitung eine definitive
Werkausgabe zu schaffen, ist in der Literaturgeschichte ein singulärer
Fall, der im Widerspruch zu jeder wissenschaftlichen Editionspraxis
steht" (S. 125). An der Unterstützung wissenschaftlicher Editionen
scheint die Karl-May-Gesellschaft aber nicht primär interessiert zu
sein, wie man dem zitierten Hinweis auf den Herausgeber und
Selbstverleger Wiedenroth und die "historisch-kritische Ausgabe"
entnehmen kann. Abgesehen davon, daß es sich dabei um keine
historisch-kritische Ausgabe im eigentlichen Sinne handelt, sondern um
eine "zitierfähige Leseausgabe, deren Textqualität jeder anderen weit
überlegen ist" (S. 129), dürfte ein kleiner Selbstverlag mit der
Fertigstellung dieser Ausgabe überfordert sein (dafür spricht auch das
schleppende Erscheinen), ganz abgesehen davon, daß bereits zwei
Verlage (Greno und Haffmanns) aus dem Projekt ausgestiegen sind und
(wenn auch nicht wegen der Karl-May-Ausgabe) nicht überlebt haben.
Klaus Schreiber
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