Von den 42 Lehrenden sind elf Prosaiker, 14 in erster Linie Lyriker, aber von den zehn am Lehrstuhl für literarische Übersetzung Tätigen sind sieben auch Lyriker. Zwei sind Kinderbuchautoren, zwei Dramatiker, einer Journalist und zwei reine Literaturwissenschaftler. Der Kenner stößt schnell auf vertraute Namen. Unter den Prosaschriftstellern ist in Deutschland wohl der bekannteste Anatolij Pristavkin, unter den Lyrikern sind es Oles'ja Nikolaeva, Evgenij Rejn und der inzwischen verstorbene Vladimir Cybin, aber dort findet sich auch Igor' Volgin, den man eher als Dostojewski-Spezialisten kennt. Von 1968 an unterrichtete am Institut Viktor Rozov, der berühmteste Dramatiker Rußlands nach Stalins Tod, der stets bis an die äußerste Grenze des für die Zensur Erträglichen ging. Jetzt ist der 1913 Geborene krank und schwach, für ihn hat die Literaturwissenschaftlerin Inna Visnevskaja (geb. 1925) geschrieben, die seit 1956 dort unterrichtet. Auch Lev Ozerov konnte den Text über sich nicht selbst schreiben. Der Lyriker und Literaturwissenschaftler starb 1996. Seit 1943 hatte er am Institut gelehrt. Tat'jana Sotnikova, die bei ihm studiert hat, verfaßte den Text. Vladimir Gusev, Inhaber des Lehrstuhls für Literaturtheorie und Literaturkritik, ist aus der Sowjetzeit durch Publikationen bekannt. Übersetzer werden am Institut für sechs Sprachen ausgebildet, darunter der deutschen, und hierüber schrieb Maria Zorkaja. 1991 bis 1993 lehrte sie am Slavischen Institut der Universität zu Köln aufgrund eines 1990 mit E. Sidorov geschlossenen Austauschvertrages der Universtität.
In jedem Beitrag werden als erstes tabellarisch Stellung im Institut, sonstige Funktionen und Ehrungen angegeben. Es folgt eine Bibliographie der Primärliteratur (Bücher, meist ohne Erscheinungsorte) und dann zwei Artikel - eine literarisch gestaltete Autobiographie und ein ebenso literarisch gehaltener Bericht über den persönlichen, dem Autor nahen Ansatz bei der Lehre im Literaturinstitut. Lexikographische Vollständigkeit und Zuverlässigkeit sind bei diesem subjektiven Ansatz nicht gegeben. Selten gehen die Autoren auf ihre Herkunft ein, die älteren noch seltener auf ihre Tätigkeit in der Sowjetzeit. Beschreibungen der Werke und Urteile darüber kann man nicht erwarten, aber bei den Schriftstellern findet man das in Lexika. Jedoch direkt oder zwischen den Zeilen erkennt man die Haltung zu Dichtung, zu Inspiration, zum Schöpferischen, zur Verantwortung vor dem Geschriebenen - also Wesentliches zum Erfassen des Einzelnen und zu Literatur überhaupt. Natürlich wird durch die Art der Darstellung auch der Charakter des jeweiligen Schriftstellers oder Wissenschaftlers deutlich - in seinen Stärken und seinen Schwächen.
Eine gewisse Parallelität hat das von Elena Tichomirova unter
Mitwirkung von Ute Scholz 1998 herausgegebene Handbuch über Russische
zeitgenössische Schriftsteller in Deutschland.[1] Esins Edition beläßt
aber sämtliche Texte im Wortlaut der Autoren, während Tichomirova die
Hauptteile vor der Übersetzung bearbeitete und nur die Beantwortung
von zwei Fragen wörtlich zitiert. Diese sind dann russisch und
übersetzt aufgenommen.
In dem Band sind nicht alle der stark spezialisierten Lehrstühle der
Hochschule vertreten, z.B. nicht der für Literaturgeschichte, denn die
Frage Esins richtete sich nach einer Theorie des Schreibens. Eine
Liste aller, die jemals an den gewählten Lehrstühlen gelehrt haben,
hätte den wissenschaftlichen Nutzen sehr erhöht, von einem
Namenregister ganz zu schweigen. Mancher, der in der Vergangenheit
lehrte, wird erwähnt, da viele heute Lehrende einst ebendort
Studierende waren. Dennoch kann man dem Buch viel entnehmen: im
Hinblick auf die zu Worte kommenden Schriftsteller, zur Beurteilung
dessen, was man einen beginnenden Schriftsteller lehren kann und zum
Eindringen in das Wesen des literarischen Prozesses.
Wolfgang Kasack
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