Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 2
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Das grosse Graffiti-Lexikon


01-2-324
Das grosse Graffiti-Lexikon / Bernhard van Treeck. - Stark erw. Neuausg. - Berlin : Lexikon-Imprint-Verlag, 2001. - 439 S. : Ill. ; 24 cm. - ISBN 3-89602-292-X : DM 39.80
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Es handelt sich bereits um die 3. Aufl. (nach 1993 und 1998) dieses umfassendsten deutschsprachigen Lexikons zur Graffiti-"Kunst". Die Anführungsstriche sind vorsichtshalber gesetzt, gilt vielen diese ebenso vitale wie vergängliche Manifestation doch keineswegs als Kunst, sondern als Schmiererei oder gar als Sachbeschädigung.[1] Da adelt auch nicht der Hinweis auf die Höhlenmalerei[2] oder auf die Urahnen in Pompeji. Dem durch zahlreiche Publikationen zum Thema ausgewiesenen Verfasser[3] geht es bei seinem Lexikon über "die größte illegale Kunstbewegung aller Zeiten" (S. 4) auch gar nicht darum, für diese die Weihen der Kunstgeschichte zu suchen, sondern um die aktuelle Darstellung von Akteuren (Personen und Gruppen), Städten (bzw. Straßen, Plätze, Bauwerke), Techniken, Begriffen u.a. aus dem Kampf gegen die Graffiti und nicht zuletzt um den Szenenjargon, der sich - wie bei der Herkunft der Bewegung aus den USA der siebziger Jahre nicht verwunderlich - vorzugsweise englischsprachiger Termini bedient. Ohne diese Ursprünge in den USA, deren in die Kunstszene aufgestiegenen Protagonisten (wie Jean Michel Basquat), die international arrivierten Künstler, die Graffiti als Stilmittel verwenden (wie Keith Haring) oder die wichtigsten Protagonisten in anderen Ländern auszublenden, liegt der Schwerpunkt des Lexikons im deutschsprachigen Raum. Die meisten der zahlreichen schwarzweißen Abbildungen im Text und die auf einem Tafelteil in der Mitte des Bandes (S. 193 - 256) zusammengefaßten farbigen Illustrationen[4] stammen lt. Vorwort aus neuerer Zeit und sind somit nur teilweise identisch mit denen der Vorauflage, aus der zudem "Sprayer, die mittlerweile nicht mehr wichtig sind", nicht übernommen wurden. Bibliotheken, die ein längeres Gedächtnis bewahren wollen und sei es an die bei der nächsten Sanierung ihrer Fassaden, Toiletten[5] und Fahrstühle zum Verschwinden bestimmten Schmierereien, sollten also die frühere Auflage aufbewahren.

Klaus Schreiber


[1]
Gerade als der Rezensent diese Besprechung schrieb, gingen wieder Meldungen durch die Presse, die zur Bekämpfung der Graffiti-Künstler aufriefen. So kündigte der baden-württembergische Ministerpräsident an, das Land werde am 19. Oktober im Bunderat eine Initiative zur Verabschiedung eines "Graffiti-Bekämpfungsgesetzes" einbringen. - Vgl. Stuttgarter Nachrichten. - 01-09-13, S. 9. - Die auf eine "Änderung der Paragraphen 303 und 304 Strafgesetzbuch: Bewertung von Graffiti als Sachbeschädigung" abzielende Initiative wurde an die Ausschüsse verwiesen (http://dip.bundestag.de/cgi-bin/dipweb3/continu). (zurück)
[2]
Die Werbung auf der Rückseite des Umschlags verspricht unter der Rubrik Aus dem Inhalt zwar "Höhlenmalerei - die definitiv ersten Graffiti-Künstler", doch fehlt im Lexikon ein entsprechender Artikel. Pompeji ist dagegen mit einem kurzen Artikel vertreten. (zurück)
[3]
In dem umfangreichen zweisprachigen Literaturverzeichnis (S. 430 - 439) nehmen seine Veröffentlichungen fast eine ganze Spalte ein. (zurück)
[4]
Der Verlag bietet in seiner Reihe Graffiti Art reiches Abbildungsmaterial zumeist in Bänden für einzelne deutsche Regionen. Der neueste Band zur Zeit der Rezension war: Graffiti in Sachsen. - Berlin : Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2000. - 143 S. : überw. Ill. ; 30 cm. - (Graffiti Art ; 12). - ISBN 3-89602-363-2 : DM 49.90. (zurück)
[5]
Im kurzen Artikel Toilettengraffiti liest man u.a. "In der in München seit 1903 erscheinenden Zeitung "Antropophyteia" wurden Untersuchungen zu Toilettengraffitis veröffentlicht." Abgesehen davon, daß es sich um ein Jahrbuch und nicht um eine Zeitung handelt, daß dessen Titel richtig Anthropophyteia heißt (mit dem Zusatz: Jahrbücher für folkloristische Erhebungen und Forschungen zur Entwicklungsgeschichte der geschlechtlichen Moral), der nicht seit 1903 in München, sondern von 1 (1904) - 10 (1913) in Leipzig erschien, handelt es sich nicht um Untersuchungen zu Toilettengraffitis, sondern um von verschiedenen Sammlern mitgeteilte Funde: Skatologische Inschriften. - 3 (1906), S. 244 - 246, oder später: Neue Beiträge zur Skatologie. - 5 (1908), S. 265 - 275. (zurück)

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