Sie setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Im ersten Teil aus einer
bereits im Jahre 1971 erschienenen Comenius-Bibliographie von Hildburg
Bethke[1] (Nummern 1 bis 1183) für den Zeitraum 1870 bis 1970 und einem
Nachtrag für den Zeitraum 1971 bis 1999, der von den genannten
Bearbeitern verantwortet wird (Nummern 1184 bis 2407). Man hätte
erwartet, daß die Bearbeiterin der übernommenen Bibliographie auf dem
Titelblatt genannt worden wäre. Das hätte nicht nur die
wissenschaftliche Redlichkeit geboten, sondern ihre bibliographische
Arbeit zeichnet sich auch durch ihre Sorgfalt und Kenntnis
bibliographischer Standards aus, was man für das, was die auf dem
Titelblatt genannten Bearbeiter hinzugefügt haben, nicht behaupten
kann. Die folgenden Kritikpunkte beziehen sich daher stets auf den
zweiten Teil.
Die Bearbeiter bezeichnen das vorliegende Werk als "Baustein" (die
deutschsprachige Literatur) für eine noch ausstehende internationale
Comenius-Bibliographie. Die Beschränkung auf deutschsprachige Titel
ergibt sich aus der Vorgabe, "das Vorhaben arbeitstechnisch in einem
vertretbaren zeitlichen Rahmen durchführen und abschließen zu können".
Ist dies bei der Festlegung des zu verzeichnenden Materials vollauf
gerechtfertigt, so darf es aber nicht zum Grundsatz bei der Arbeit an
dem vorhandenen Material zum Tragen kommen. Leider aber geschieht
genau dieses.
Was ist nun wirklich verzeichnet? Offenbar doch nicht bloß die
deutschsprachige Literatur der Jahre 1870 bis 1999, sondern es mischen
sich auch fremdsprachige Titel darunter, beispielsweise ein eindeutig
tschechisches Buch, wie Nummer 2068. (Wenn im folgenden Nummern
genannt werden, beziehen sie sich auf den entsprechenden Titelnachweis
in der Bibliographie und es ist stets ein "z.B." zu ergänzen). Im
folgenden wird deutlich, daß diese Eigenheit (daß etwas behauptet
wird, dann aber gar nicht stimmt) ein Strukturmerkmal der gesamten
Bibliographie ist.
Die Bibliographie verzeichnet insgesamt 2407 Titelnachweise. Das darf
man aber nicht allzu ernst nehmen, denn die Titelmenge wird künstlich
dadurch aufgebläht, daß mehrfach das ganze Sammelwerk zusätzlich
aufgenommen wurde, wenn nur ein Aufsatz darin einschlägig ist (1574,
1576).
"Die Bibliographie strebt Vollständigkeit an, ... sicher ein Ziel, dem
man nahekommen kann, ohne es ganz zu erreichen" (S. VII). Nun ist
jedem, der bibliographisch tätig ist, bewußt, daß es die vollständige
Bibliographie nicht gibt. Es sollten jedoch alle verfügbaren Quellen
herangezogen werden, um diesem "Ziel nahezukommen". Das ist hier nicht
der Fall. So scheint die Information, daß es elektronische
Auskunftsmittel gibt, wie Datenbanken und online recherchierbare
Bibliothekskataloge, noch nicht zu den Bearbeitern des vorliegenden
Buches durchgedrungen zu sein.[2] Aber auch Bibliographien in
konventioneller Form - sogar im Bereich der Pädagogik - wurden nicht
vollständig oder zumindest nicht sorgfältig genug ausgewertet.[3] Auch
ist es ein Muß, wenn man die Literatur zu einer historischen
Persönlichkeit zusammenstellt, die vorliegenden Bibliographien zu
ihren Zeitgenossen (hier etwa Johann Valentin Andreae und Wolfgang
Ratke) durchzukämmen und dabei u.a. literaturwissenschaftliche
Bibliographien heranzuziehen. Auch dies ist nicht geschehen.[4] Zudem
lehrt die bibliographische Erfahrung, daß in jeder Bibliographie
zumindest die letzten drei Jahre vor ihrem Erscheinen grundsätzlich
lückenhaft sind. Ein Nachbibliographieren der übernommenen Titelmenge
zumindest für die Jahre 1968 bis 1970 wäre also unumgänglich gewesen,
hat aber offenbar auch nicht stattgefunden.
Die Bibliographie gliedert sich in folgende Teile: Zwei chronologische
Titellisten: 1870 - 1970 und 1971 - 1999. Dazu ein Personenregister
und ein Werkregister (mehr dazu unten). In jedem Jahr wird in vier
Rubriken gegliedert: A) deutsche Ausgaben von Werken des Comenius; B)
Buchpublikationen der Sekundärliteratur, Beiträge in Sammelschriften
sowie in nicht periodisch erscheinenden Reihen; C)
Zeitschriftenaufsätze, D) Rezensionen (durchgehend für 1971 - 1999,
für die Jahre 1870 - 1970, wie von der Vorgängerbibliographie
übernommen, in Auswahl). Der Benutzer fragt sich: Warum sind nur die
Beiträge in "nicht periodisch erscheinenden Reihen" verzeichnet, nicht
aber die in periodisch erscheinenden? Denn in der Gliederung tauchen
letztere nicht auf. Darüber hinaus erweist sich, daß die gewählte
Rubrizierung nicht durchgehalten ist: So sind unter C) zusätzlich
Zeitungsartikel (2320) aufgeführt, und Titelnachweise, die nach obiger
Definition unter B) fallen würden, sind in C) verzeichnet (1318,
2171), wie umgekehrt solche, die zu C) gehören, unter B) stehen
(2153).
Sieht man sich die formale Erschließung der Titel im zweiten Teil der
chronologischen Titellisten an, so wird ersichtlich, daß den
Bearbeitern bibliographische Grundkenntnisse fehlen. Ein Grundsatz
bibliographischer Arbeit ist: Gleiches wird gleich behandelt. Hier
hingegen herrscht die bibliographische Postmoderne: "anything goes"!
Die ungleiche Ansetzung des Gleichen ist ein durchgehendes Merkmal der
Titelbeschreibung.
Sind im ersten, dem übernommenen, Teil noch die nicht autopsierten
Titel gekennzeichnet, so wird dies im zweiten wohlweislich vermieden.
Denn hier gibt es ganz abstruse Titelnachweise, die bei einer
konsequenten Autopsierung anders aussehen müßten. Nur ein Beispiel:
die Nummer 1569. Hier ist ein als Herausgeberschrift gekennzeichnetes
Buch nachgewiesen, das in Wirklichkeit ein Sammelband von früheren
unselbständigen Veröffentlichungen des Autors ist und zu Comenius nur
einen einschlägigen Titel (nämlich den Wiederabdruck von Nummer 797)
enthält. (Dieses Buch ist in der Düsseldorfer Universitätsbibliothek
vorhanden, hätte also durchaus ohne Aufwand eingesehen und korrekt
angesetzt werden können).
Im ersten Teil sind die Autorennamen ausgeschrieben (offensichtlich
nur dann nicht, wenn sie nicht ermittelbar waren), im zweiten Teil
nicht, aber dies wird nicht durchgehalten (1822). Verlage werden
manchmal angegeben, manchmal aber auch nicht - teilweise sogar bei ein
und dem selbem Buch (1827, 1828). Manchmal fehlt auch der Verlagsort
(1312). (Über die Ansetzung der Verlagsnamen breiten wir lieber ganz
den gnädigen Mantel des Schweigens.) Bei Titeln, die in der DDR
erschienen sind, wird der Verlagsort Berlin als "Berlin (Ost)"
angesetzt. Nun ist ja der kalte Krieg eigentlich vorüber, aber selbst
dann, wenn man durch die Hinzufügung des (Ost) die ideologische
Provenienz eines Titels kennzeichnen wollte, was durchaus einen Sinn
hätte, muß man es auch durchhalten - hier geschieht dies nicht (1128,
1440, 1571). Von Körperschaften veranlaßte Schriften, die keinen
persönlichen Urheber haben, werden einmal unter der Körperschaft, ein
anderes Mal unter dem Sachtitel angesetzt (2040, 2068).
Schriftenreihen werden (sowohl bei Monographien als auch bei Aufsätzen
aus Sammelwerken) bisweilen aufgeführt, an anderen Stellen nicht. Bei
Aufsätzen in Sammelwerken sind die Seitenzahlen zum Teil weggelassen
(1469, 2061).
Der wahre bibliographische Wilde Westen allerdings herrscht bei der
Ansetzung von Zeitschriftenaufsätzen. Sind im ersten Teil alle
Zeitschriftennamen mit einer Ortsangabe verzeichnet, so geschieht dies
im zweiten Teil mal so, mal so. Besonders absurd ist in diesem
Zusammenhang die Angabe "o.O." bei Titel 1914. Auch die
Jahrgangsangaben werden nicht immer angeben, eine Regel läßt sich
nicht erkennen; dasselbe gilt für die Aufführung der Heftnummern. Sie
erfolgt vorwiegend dann, wenn der Jahrgang nicht durchgezählt ist.
Aber sie taucht - wie hätte man es anders erwartet - auch dann auf,
wenn dies der Fall ist (1351); umgekehrt fehlt die Heftangabe, wo sie
nötig ist, weil bei einer Zeitschrift jede Nummer separat gezählt ist
(2020; hier muß der Benutzer im ungünstigsten Fall 52 pro Jahr
erscheinende Hefte durchsehen, um den verzeichneten Titel zu finden).
Der Titel ein und derselben Zeitschrift wird teilweise ausgeschrieben,
teilweise aber auch abgekürzt (1457, 2104). Eine Zeitschrift wird
einmal mit ihrem Untertitel angesetzt, ein anderes Mal ohne (1291,
1338). Dafür wird aber bei einer Zeitschrift, die mehrere Unterreihen
hat, diese für das Auffinden des Aufsatzes notwendige Unterreihe nicht
aufgeführt (1458).
Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, daß viele Titel aus anderen
Bibliographien abgeschrieben wurden, ohne daß danach eine
redaktionelle bibliographische Bearbeitung der Titelaufnahmen erfolgt
wäre. Offenbar wurde die Bibliographie auch nicht Korrektur gelesen.
So wird im Abkürzungsverzeichnis eine Zeitschrift mit SCetH kodiert,
im Titelverzeichnis findet man aber auch die Abkürzung StCeH (2016).
Bei Titel 1429 steht der Zeitschriftentitel Mitt. Bl. d. Com.
Forschungsstelle im Institut für Pädagogik der RUB. Sieht man davon
ab, daß dieser Zeitschriftentitel laut Abkürzungsverzeichnis
eigentlich als MB angesetzt sein sollte, sucht man auch vergeblich im
Abkürzungsverzeichnis das häufig vorkommende Kürzel RUB.
Es ließe sich noch endlos weitermachen, aber dafür ist der Platz zu
schade. Es dürfte jedoch hinreichend deutlich geworden sein, daß es in
jeder Hinsicht an der nötigen Sorgfalt gemangelt hat. Ein
bibliographischer Laie möchte einwenden: Was echauffiert sich der
Rezensent so über diese formalen Fehler und Auslassungen, irgendwie
findet man auch mit den vorliegenden Angaben die Literatur, wenn man
sie einsehen möchte,[5] soll er sich doch lieber eingehend mit der
Sacherschließung, dem eigentlichen Kernstück einer ernst zu nehmenden
Bibliographie auseinandersetzen. Er täte es gerne! Aber diese ist nun
wirklich dürftig, und was es gibt, zeigt ebenfalls die Zeichen der an
der Formalerschließung aufgezeigten Schlamperei.
Wer beispielsweise wissen möchte, welche der "2407" Titel Comenius'
Aufenthalt an der Hohen Schule in Herborn oder seine Zeit in Amsterdam
behandeln, wird vergebens nach einem entsprechenden Register suchen.
Er muß notgedrungen das ganze Buch durchlesen, hat aber dann immer
noch nicht die Gewißheit, daß er alle einschlägigen Dokumente
identifiziert hat, denn die entsprechenden Informationen stehen häufig
nicht im Sachtitel.
Was es lediglich gibt, sind ein Personenregister und ein Register zu
Werken (Primärliteratur) (S. VIII). Bei dem Personenregister handelt
es sich um das Register der beteiligten wie auch der behandelten
Personen. Darauf wird allerdings nirgends hingewiesen, der Benutzer
muß sich diese Information selbst zusammenreimen. Ob es sich
allerdings um eine vollständige Verschlagwortung der Inhalte der
verzeichneten Dokumente handelt, oder nur um ein Register derjenigen
Titel, in denen eine behandelte Person im jeweiligen Sachtitel
vorkommt, das zu überprüfen, hat sich der Rezensent auf Grund der
anderweitigen Erfahrungen nicht antun wollen. Auch hier hätte
Korrekturlesen nicht geschadet, um die Unfähigkeit des verwendeten
Computerprogramms beim Sortieren der deutschen Umlaute (Förster ist
nicht bei Foerster, sondern hinter Forster, März ist hinter Marx
eingeordnet) zu korrigieren.
Das Register zu Werken (Primärliteratur) verweist auch auf Werke der
Sekundärliteratur. Möglicherweise ist gemeint, daß es sich um das
Register zu Werken von Comenius und von Abhandlungen über die Werke
von Comenius handelt. Erklärt wird die Funktion des Registers leider
nirgends. Außerdem wimmelt es von Fehlern, Lücken und Unkenntnis
bibliographischer Gepflogenheiten. (Davon, daß die Artikel bei der
alphabetischen Einordnung nicht übergangen wurden, wollen wir gar
nicht erst reden, schließlich kann der Computer das ja nicht.)
Sinnvollerweise sollte man in einem Register von Werken einer Person,
für die sowohl Werke in Originalsprache als auch solche in Übersetzung
verzeichnet sind, die verschiedenen Titelvarianten an einer Stelle
zusammenführen. Dies wurde hier im Ansatz zwar versucht, ist aber
nicht durchgehalten. So wird von Werktitel Didaktische Ährenleiste auf
den Einheitssachtitel verwiesen, von den Titeln Briefe an den Himmel
u.a. nicht. Auch fehlen Werktitel, die im Text verzeichnet sind:
Amsterdamer Gesangbuch des Comenius (1614), Die Übergabe der Fackel
(1029) u.a. im Register. Besonders deutlich wird, daß hier
bibliograhische Laien am Werk waren, beim Registereintrag Deutsche
Katechismen. Dieser verweist auf die Nummer 79 [von der auch der
Reprint des Buches aus dem Jahre 1982 nicht aufgeführt ist]. Deutsche
Katechismen ist aber kein Werk von Comenius, sondern es handelt sich
um das Thema einer Sekundärschrift, in der u.a. ein darunter fallendes
Werk von Comenius behandelt wird. Noch dazu ist in dem genannten Buch
folgendes Werk von Comenius abgedruckt: Die uralte christliche
catholische Religion (in kurtze Frag und Antwort verfasset). Es hätte
also zumindest von einem entsprechenden Registereintrag verwiesen
werden müssen. Aber auch das Original ist allerdings - zumindest
Comenius-Forschern sollte es das sein - bekannt: Katechismus pro
mládez ceskou Jednoty Bratrské. Die Ansetzung im Register hätte
demnach bibliographisch korrekt dort erfolgen müssen, mit einer
Verweisung vom deutschen Titel.
Resümierend bleibt festzuhalten, daß diese Bibliographie eines
denjenigen Nachschlagewerke ist, die in die Kategorie "besser als gar
nichts" fallen und die man bei entsprechendem Bedarf dennoch erwerben
muß, allerdings nur, weil es zur Zeit nichts Besseres gibt. Es bleibt
zu hoffen, daß die Bearbeiter sich irgendwann die Zeit nehmen, um aus
diesem "Baustein", den man besser einen Bruchstein oder einen
Steinbruch nennen sollte, ein Nachschlagewerk zu verfertigen, das die
Bezeichnung Bibliographie verdient, weil es sich an den
bibliographischen Standards und insbesondere an dem von der Sache
geforderten orientiert, statt daran, was "arbeitstechnisch in einem
vertretbaren zeitlichen Rahmen durchführen und abschließen zu können"
ist. Ein großer Pädagoge wie Comenius hätte dies wahrlich verdient.
Ulrich Schäfer
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