Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 2
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Von Abrakadabra bis Zodiakus


01-2-394
Von Abrakadabra bis Zodiakus : Lexikon des Aberglaubens und der magischen Künste / Christina Zacker. - Niedernhausen / Ts. : Falken-Verlag, 2000. - 300 S. ; 20 cm. - (Falken-Taschenbuch ; 60609). - ISBN 3-635-60609-X : DM 19.90
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"Die Ratschläge in diesem Buch sind von der Autorin und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung ... für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen," heißt es auf der Rückseite des Titelblattes. In sechs Kapitel mit jeweils eigener alphabetischer Ordnung gegliedert, bietet der Band knapp 1500 Artikel mit einer Länge zwischen wenigen Zeilen und höchstens einer Spalte bei zweispaltigem Satz, dazu ca. 260 Verweisungen und 25 Tabellen. Die Kapitel sind von unterschiedlicher Länge (zwischen 167 und 315 Eintragungen) und tragen blumige Überschriften wie Die Zukunft liegt im Kaffeesatz (Kap. 1, über Wahrsagerei) oder Tanzen die Hexen im Mondenlicht (Kap. 6, über Kräuterkunde, Liebeszauber und Ähnliches). Quellennachweise oder Literaturangaben fehlen ebenso wie ein Gesamtregister.

Der erste Eindruck läßt eine populäre Zusammenstellung ohne wissenschaftlichen Ehrgeiz vermuten. Ein Blick auf die übrige Produktion der Verfasserin bestätigt diese Annahme. Christina Zacker hat, in der Regel mit anderen Autorinnen zusammen, allein in den neunziger Jahren etwa fünfzig Titel vorgelegt.[1] Das vorliegende Lexikon ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Es gehört der Trivialliteratur an, und die Prüfung, ob das hier ausgebreitete Material tatsächlich zum wissenschaftlich gesicherten Volksglaubensgut gehört, und eine etwaige Ermittlung der benutzten Quellen ist im Hinblick auf Zielgruppe und angestrebte Nutzung des Bandes belanglos. Uns interessiert hier ein anderer Aspekt. Die Autorin schließt das Vorwort mit den Worten: "Schmökern Sie. Tauchen Sie ein in Unheimliches und Rätselhaftes, finden Sie Merkwürdiges und Fantastisches - und probieren Sie ruhig das eine oder andere aus: vielleicht ein Orakelspiel an Silvester oder eine Bauernregel für Ihren Garten" (S.7). Die Vorworte zu den einzelnen Kapiteln geben dann schon präzisere Verhaltenshinweise: "... Methoden der Wahrsagerei richten sich ... direkt ans Unterbewußtsein. Das ist etwa beim Legen der Tarotkarten so oder beim Werfen der I-Ging-Münzen. Um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen, sollten Sie daher vor der Befragung des Orakels immer entspannt sein ..." (S. 9 - 10). Hilfeleistung bei konkretem abergläubischem Handeln geben insbesondere die 25 Tabellen, etwa zum zaubrischen Nutzen der Bäume ("Holunder - darf nie im Kamin verbrannt werden, sonst gibt es Unglück", S. 13) oder zur Weissagung aus Donnerschlägen ("Donner an einem Mittwoch - Tod von Dirnen oder allgemein Blutvergießen", S. 17); zur Deutung des Verhaltens von Hunden ("Hunde heulen an Wegkreuzungen - schlechtes Zeichen, ein Feind naht", S. 29) oder komplizierte astrologische Tabellen, die Planetenstunden (S. 117) oder Heilkräuter in Beziehung zu den Sternzeichen auflisten (S. 96 - 98). Das alles ist Material, das sich, die entsprechende psychische Disposition vorausgesetzt, spielerisch oder ernsthaft nutzen läßt, und auf ihm liegt das Hauptgewicht des Bandes. Er führt damit die wohlbekannte Gattung der Hausväterliteratur fort, die seit Justus Möser das Interesse der Volkserzieher, später das der Volkskundler beansprucht hat.[2]

Es sind die bisher letzten (und ein wenig verkümmerten) Ausläufer der "Literatur zwischen Glaube und Aberglaube" des Spätmittelalters, über die man sich in einer knappen Darstellung Peter Assions[3] unschwer informieren kann. Die Quellenschriften waren - und sind - Gebrauchsliteratur, die zerlesen und oft auch verheimlicht wurde; die bibliographische Situation in diesem Bereich ist unübersichtlich, der Nachweis der Titel lückenhaft und schwierig. Der Aurum-Verlag (Freiburg im Br.) hat einen Teil des Überlieferten in einer unkommentierten und mäßig edierten Reprint-Serie Ende der siebziger Jahre wieder zugänglich gemacht.[4]

Die Kontinuität, in der das Lexikon von Christina Zacker zu diesen Schriften steht, ist trotz aller Nähe weder eindeutig noch geradlinig. Gegenüber den ein einheitliches "magisches" Weltbild anstrebenden Hausväterschriften zeugt unser Lexikon bei der Auswahl und Zuordnung der Stichwörter und bei den mitgeteilten Inhalten von völliger Beliebigkeit. Das geistige Band findet sich hier bestenfalls im Reiz des Okkulten. Die (vielleicht beabsichtigte) Unverständlichkeit mancher Eintragungen ("Alfalfa: schützt vor Hunger und Armut", S. 258) mag dazu beitragen, dem Leser eine tatsächlich nicht vorhandene esoterische Situation zu suggerieren. Unterrichtung und Belehrung über die Praxis der magischen Künste[5] ist aber wohl nur das eine Ziel des Bandes; das andere heißt Unterhaltung. Und da hat die Autorin in der Tat den Nagel auf den Kopf getroffen: Es ist vor allem ein Buch zum Schmökern - immer unter der Voraussetzung, daß der Leser die Sache nicht allzu ernst nimmt.

In summa: Kein wissenschaftliches Lexikon, sondern Unterhaltung und "postmoderne Hausväterliteratur". Bücher dieser Art könnten Anlaß geben, den medialen Output der Okkultwelle einmal auf seine historischen Abhängigkeiten zu untersuchen.

Willi Höfig


[1]
Der Online-Katalog der Deutschen Bibliothek weist 45 Eintragungen nach; es fehlen die astrologischen Ratgeber (Recherche am 21. Juni 2001).
Den Hauptanteil bestreiten dabei Ernährungs- und Fitneß-Bücher (Natürlich gesund mit Obstessig, 1997; Die Monddiät, 1996), Diätpropaganda (mehrere Titel zur Fatburner-Diät, 2000), Briefsteller und Verwandtes (Briefideen für viele Anlässe, 1993; Die spontane Rede, 2000), und schließlich eine Vielzahl von allgemeinen Ratgebern zu den Wechselfällen des Lebens (Kleine Flirtschule, 1997; Anleitung zur Ahnenforschung, 1999; Heiteres Überlebenstraining für Fahrradfahrer; 1992). 1996 war sie ferner an einer Serie astrologischer Ratgeber beteiligt, 12 Bände für die einzelnen Sternzeichen. (zurück)
[2]
Zur Hausväterliteratur vgl. Gabalia / Will-Erich-Peuckert. - Berlin : E. Schmidt, 1967. - (Pansophie, 2), Kap. Magische Hausväterschriften, S. 296 - 400. (zurück)
[3]
Literatur zwischen Glaube und Aberglaube / Peter Assion. // In: Glaube im Abseits : Beiträge zur Erforschung des Aberglaubens / hrsg. von Dietz-Rüdiger Moser. - Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1992, S. 169 - 196. (zurück)
[4]
Kleiner Wunder-Schauplatz der geheimen Wissenschaften ... nach alten Hand- und Druckschriften und Erscheinungen der Neuzeit / hrsg. von Beryll. - Freiburg im Br. : Edition Ambra, Aurum Verlag. - Titel einer ungezählten Reihe, von der mir 9 Bd. von 1978 vorliegen, darunter der Heldenschatz des Johannes Staricius, erstmalig 1614, hier nach einer Ausg. von 1750. (zurück)
[5]
So schon im Titel des vorzüglichen einbändigen Handlexikons der magischen Künste von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert / Hans Biedermann. - 2., verb. und wesentl. verm. Aufl. - Graz : Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 1973. (zurück)

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