Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 2
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Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland


01-2-417
Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland / Wilhelm Bleek. - München : Beck, 2001. - 536 S. ; 23 cm. - ISBN 3-406-47173-0 : DM 78.50
[6393]

Die Geschichte der Politikwissenschaft wurde in letzter Zeit mehrfach bearbeitet, nicht zuletzt vom selben Autor, der zusammen mit Hans J. Lietzmann bereits zwei Bücher zu diesem Thema herausgegeben hat.[1] Es fehlte jedoch eine umfangreiche Bearbeitung soz. "aus einem Guß", die der Autor jetzt vorlegt.

Am Anfang der Entwicklung des Faches steht Aristoteles und dessen Rezeption durch die neu entstehenden Universitäten ab dem 13. Jahrhundert. Seitdem entwickelt sich die Politikwissenschaft nach und nach zwar nicht zu einem Kernfach, aber immerhin zu einem Bindestrichfach im Grundstudium, welches mit dem "baccalaureus" abgeschlossen wurde. Später bekam das Fach aus verschiedenen Quellen - u.a. Kameralistik, Policeywissenschaft - Zuwachs, bis es sich im 19. Jahrhundert unter der Bezeichnung "Staatslehre" vollends konsolidierte. Im "Dritten Reich" verschwand es vollständig, um in der Nachkriegszeit mit Hilfe aus den USA völlig neu begründet zu werden. Danach kam der Ausbau, die Ausdifferenzierung in verschiedene Teilbereiche, die Entwicklung in den beiden deutschen Staaten und zuletzt der Vereinigungsprozeß in den neunziger Jahren.

All dies stellt Bleek ausgewogen und bündig dar. Obwohl der Text umfangreich ist, kann natürlich bei weitem nicht alles und jeder erwähnt werden, weswegen mancher Name fehlt, ohne daß man den Autor deswegen kritisieren könnte. Er mußte eine Auswahl treffen und diese ist gut, wenn sie auch beim Leser nicht immer auf Zustimmung stößt. Auch die ausländischen Einflüsse wurden von ihm angemessen berücksichtigt. Die einzige Lücke ist die Nichtberücksichtigung nichtstaatlicher Institutionen bzw. Organisationen außerhalb der Universitäten. Die deutschen "Think Tanks", wie z.B. die Forschungsinstitute der Parteienstiftungen oder Institutionen wie das BIOSt[2] finden keine Erwähnung. Das ist bedauerlich, spielen sie doch eine nicht zu vernachlässigende Rolle in der deutschen Politikwissenschaft, wenn sie auch kein vergleichbares Gewicht wie entsprechende Einrichtungen in den USA haben. Ebenso gibt es einige Fachorganisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, die forschen und publizieren. Die Nichtberücksichtigung von Max-Planck-Instituten ist eher zu verschmerzen, besteht doch keines, das ein Kerngebiet der Politikwissenschaft bearbeitet.[3]

Das Werk ist durch ein Personen- und ein Sachregister erschlossen, was den Gebrauchswert beträchtlich erhöht. Alles in allem leistet das Werk eine geschichtliche Aufarbeitung, die für das Selbstverständnis des Faches von Bedeutung sein wird. Daher sollte es sowohl in wissenschaftlichen als auch in öffentlichen Bibliotheken neben den fachlichen Einführungen seinen Platz finden.

Jürgen Plieninger


[1]
Politikwissenschaft : Geschichte und Entwicklung in Deutschland und Europa / hrsg. von Hans J. Lietzmann ; Wilhelm Bleek. - München [u.a.] : Oldenbourg, 1996. - 384 S. - (Lehr- und Handbücher der Politikwissenschaft). - ISBN 3-486-23860-4 : DM 68.00. - Schulen der deutschen Politikwissenschaft / Wilhelm Bleek ; Hans J. Lietzmann (Hrsg.). - Opladen : Leske und Budrich, 1999. - 320 S. - ISBN 3-8100-2116-4 : DM 48.00. - Beide Aufsatzsammlungen waren Ertrag einer Arbeitsgruppe der DVPW (Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft) über die Geschichte des Faches. (zurück)
[2]
Bundesinstitut für Internationale und Ostwissenschaftliche Studien, Köln. Es fusionierte Ende 2000 mit der Stiftung Politik, Berlin (früher: Ebenhausen bei München). (zurück)
[3] Am ehesten noch das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, das Themen bearbeitet, die der Politikwissenschaft zugerechnet werden können. Vgl. http://www.mpi-fg-koeln.mpg.de/ (zurück)

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