Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 2
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Kärntens braune Elite


01-2-501
Kärntens braune Elite / Alfred Elste. Mit einem Beitrag von Siegfried Pucher. - 2., verb. Aufl. - Klagenfurt [u.a.] : Verlag Hermagoras, 1997. - 251 S. : Ill. ; 21 cm. - ISBN 3-85013-476-8 : DM 41.00
[6601]

Auch wenn in den Sammelbiographien, die Anton Kreuzer u.d.T. Kärntner publiziert (IFB 01-2-500), Persönlichkeiten der NSDAP nicht völlig fehlen,[1] so ist die vorliegende, nach Qualität und Anspruch gänzlich anders geartete Sammlung, die zwanzig Kärntner NS-Protagonisten porträtiert, hier kurz anzuzeigen. Die durch einschlägige Publikationen[2] ausgewiesenen Verfasser beschränken sich auf Porträts der als "Alte Kämpfer" der NSDAP geltenden Personen, d.h. Inhaber von Mitgliedsnummern unter 100.000 sowie solche, die "'nachgewiesenermaßen eine außerordentlich verdienstvolle Tätigkeit in der Partei ... vor dem 11. März 1938 ausgeübt haben'". In den Biographien steht "der innerparteiliche Aufstieg ... bis 1938 und ... der Anteil an der nationalsozialistischen 'Machtergreifung'" im Vordergrund, während die Position im 'Dritten Reich' und die "Beurteilung durch die (Entnazifizierungs-)Gerichte nach 1945" nur in "großen Zügen ... nachgezeichnet" werden (S. 9 - 10). Es handelt sich also nicht um Gesamtbiographien der Personen: Herkunft und Geburtsjahr (nicht -datum) und -ort werden im Text eher beiläufig genannt, das weitere Leben (und der Tod) nach der Entnazifizierung völlig ausgeblendet. Die von einem Porträtphoto und einem Motto (Äußerungen des Porträtierten) eingeleiteten Biographien beruhen auf Archivstudien und der Auswertung der Literatur (Quellenangaben auf S. 200 - 210), z.T. auch auf Befragung von überlebenden Zeitgenossen oder deren Nachkommen; die Quellen sind in den 807 durchlaufend numerierten Fußnoten (dazu in den 108 für den Artikel über Odilo Globocnik, der von Siegfried Pucher beigesteuert wurde) dokumentiert. Wenn es im Vorwort von Anton Pelinka heißt: "Zu den Klischees, die Kärnten betreffen, zählt der auch für österreichische Standards ungewöhnlich lockere Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit" und weiter: "Der verbrecherische Charakter des Nationalsozialismus war schon lange vor 1938 angelegt; und er wirkte noch lange nach 1945 nach",[3] so genügt es, zum Beweis den Anfang des Artikels über Hans Steinacker (hier S. 150) zu lesen. - Der Band wird durch ein Namenregister erschlossen und von ausgewählten Dokumenten in Faksimile (S. 215 - 251) abgerundet.

Klaus Schreiber


[1]
In Bd. [9] kondensiert Kreuzer den Inhalt des siebenseitigen Artikels von A. Elste über Matthias Zmöling auf eineinhalb Seiten und nennt seine Quelle. - Derselbe Band enthält eine knapp einseitige Biographie des NS-Publizisten Willibald Kollegger (S. 166 - 167). (zurück)
[2]
Auf dem Weg zur Macht : Beiträge zur Geschichte der NSDAP in Kärnten von 1918 bis 1938 / Alfred Elste ; Dirk Hänisch. - Wien : Braumüller, 1997. - X, 412 S. : graph. Darst., Kt. - (Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische Ideengeschichte der Neuzeit ; 8). - ISBN 3-7003-1153-2. - "... in der Bewegung führend tätig" : Odilo Globocnik - Kämpfer für den "Anschluß", Vollstrecker des Holocaust / Siegfried J. Pucher. - Klagenfurt : Drava, 1997. - 174 S. - (Dissertationen und Abhandlungen / Slowenisches Institut zur Alpen-Adria-Forschung ; 41). - Zugl.: Klagenfurt, Univ., Dipl.-Arb. - ISBN 3-85435-278-6. (zurück)
[3]
"Die 'Grenzlandproblematik' gab dem Kärntner Nationalsozialismus einen besonderen Charakter, der auch für eine spezifische Wirkung nach 1945 sorgte." - Daß diese Thematik auch heute noch virulent ist, belegt der Ende 2001 vom Kärntner Landeshauptmann und früheren FPÖ-Vorsitzenden Haider vom Zaun gebrochene Streit über die zweisprachigen (deutschen und slowenischen) Ortstafeln.
Insofern ist es nicht verwunderlich, daß der Band im Hermagoras-Verlag / Mohorjeva Zalozba erscheint, der 2001 sein 150 Jubiläum feierte und "in Kärnten der älteste heute noch tätige Verlag" ist. "Der Hermagoras-Verein wurde im Jahre 1851 in Klagenfurt als Buchverlag ... gegründet." Über das weitere Schicksal des Verlags nach dem Ende der Habsburg-Monarchie - mit Ablegern in Cilli/Celje im heutigen Slowenien und in Görz/Gorizia für die große slowenischsprachige Minderheit in Italien -, sein Schicksal in der Zeit des Nationalsozialismus, als der Verein aufgelöst wurde sowie die Wiederaufnahme der Verlagstätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg, kann man in der Einleitung zur Herbstvorschau 2001 (aus der die Zitate stammen) des Verlages nachlesen, der "jedes Jahr zwischen fünfzig und sechzig Bücher (verlegt), wovon zwei Drittel in slowenischer und ein Drittel in deutscher Sprache erscheinen." "Im Schulbuchprogramm wird das zweisprachige Schulwesen in Kärnten nahezu zur Gänze versorgt." (zurück)

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