Denkmälerinventare und ähnliche Verzeichnisse für Frankreich
von
Angela Karasch
1 Historischer Abriß
Staatlicher Denkmalschutz besitzt in Frankreich eine lange Tradition:
er setzte bereits in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ein.[1]
Das 1830 eingerichtete Amt des Inspecteur Général des Monuments
Historiques und die 1837 folgende Commission Supérieure des Monuments
Historiques waren dabei entscheidend für die Ausbildung eines Prinzips
der Denkmalklassifizierung und für die Erarbeitung erster
Denkmalschutzgesetze. Bereits 1840 wurde für die praktischen
Bedürfnisse der Denkmalpflege eine Liste der staatlich geschützten
Denkmäler zusammengestellt und diese in der Folge dann mehrfach
erweitert und modifiziert. Das Jahr 1887 brachte dann die erste
entscheidende gesetzliche Rahmengebung für das classement eines
Denkmals. Weitere Gesetzesfassungen des 20. Jahrhunderts zum
Denkmalschutz berücksichtigten zudem - im europäischen Vergleich recht
früh - Landschaftsbereiche und Umgebungsschutz und formulierten den
Schutz von Denkmalensembles. Es kann an dieser Stelle nicht die
Geschichte des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege in Frankreich
skizziert werden, doch sei es abschließend zu diesen wenigen
einführenden Bemerkungen erlaubt, sie in einer Verkürzung auf Personen
mit wenigen Namen entscheidend zu markieren: Für das 19. Jahrhundert
sind als herausragende Impulsgeber zu nennen der französische
Schriftsteller und Archäologe Prosper Mérimée, der 1831 erster
Inspecteur der Monuments Historiques wurde, insbesondere aber der
französische Architekt und Kunsttheoretiker Eugne Emmanuel
Viollet-le-Duc, der vor allem mit seinen Veröffentlichungen
entscheidend das Interesse für die Denkmalpflege weckte und
denkmalpflegerische Initiativen begleitete. Gleichwohl führte dies
nicht zu umfassenderen Unternehmungen der Denkmalverzeichnung. Für das
20. Jahrhundert nun wird man eine Geschichte der Denkmalpflege und vor
allem der Denkmaldokumentation in Frankreich nicht ohne Nennung von
André Malraux aber auch von André Chastel schreiben können. Beiden
kommt nicht nur das Verdienst zu, die Traditionen des Denkmalschutzes
und der Denkmalschutzgesetzgebung in Frankreich für die Moderne
gestalterisch fortgeschrieben und/oder publizistisch beeinflußt zu
haben; viel mehr noch ist es ihr Verdienst, auch die Defizite der
französischen Denkmalpflege thematisiert und deren Korrektur initiiert
zu haben. Sie betreffen in erster Linie die Denkmalverzeichnung, gab
es doch - abgesehen von den erwähnten kurzen Denkmallisten - bis in
die sechziger Jahre unseres Jahrhunderts in Frankreich keine
umfassende Denkmalinventarisierung und -beschreibung, vergleichbar
etwa mit der in Deutschland schon im 19. Jahrhundert einsetzenden
Erstellung von Großinventaren, ebensowenig eine kürzere,
handbuchartige, dem Dehio vergleichbare systematische Dokumentation.[2]
André Chastel hat über Jahrzehnte diesen und andere Einzelaspekte und
Anliegen der französischen Denkmalpflege publizistisch begleitet.[3]
Aber erst unter André Malraux als französischem Kultusminister konnte
1964 das Inventaire général des monuments et des richesses artistiques
de la France institutionalisiert werden mit der Aufgabe, durch
umfassende (kunst-)historiographische, photographische und graphische
Dokumentation die Denkmäler Frankreichs bekannt zu machen.[4]
2 Inventaires topographiques
Kernstück der in den 60er Jahren in Frankreich einsetzenden
Denkmalverzeichnung sind die in der Reihe Inventaires topographiques
veröffentlichten Inventare. Die auf Gesamterfassung der französischen
Kunstdenkmale zielende Unternehmung folgt dabei dem klassischen
Prinzip einer topographischen Ordnung: Regionalredaktionen legen die
Inventarisierungsergebnisse nach Départements bzw. nach Kantonen und
Orten als kleineren Verwaltungseinheiten strukturiert vor. Der
Textteil eines jeden Bandes bringt vorab eine grundlegende
Dokumentation zur Denkmalsituation des jeweiligen Gebiets mit
Zusammenstellungen der Quellen, Hinweisen auf ältere Repertorien und
mit bibliographischen Angaben. Die Texte selbst geben einen
geographischen und historischen Überblick zur betreffenden Region,
Statistiken, übergreifende bzw. zusammenfassende Charakterisierungen
der kunsthistorischen Situation, schließlich Hinweise auf die
Erfassungs- und Verzeichnungsgeschichte der Denkmale der Region. Es
folgt dann das eigentliche Inventar in alphabetischer Abfolge nach
Kommunen mit jeweils gleichbleibendem Beschreibungsraster:
Charakterisierung des Ensembles bzw. der Stadtanlage,
Sakralarchitektur, öffentliche und private Profanarchitektur,
öffentliche Sammlungen. Ausstattungsgegenstände werden nach
feststehenden Klassen geordnet direkt bei der beherbergenden
Architektur beschrieben. Die Beschreibung selbst ist äußerst knapp,
letztlich auflistend unter Berücksichtigung folgender Kriterien zu
jedem Beschreibungsgegenstand: kurze Objektgeschichte, genaue
Bezeichnung, Plazierung, Ikonographien, Künstler/Zuschreibung,
Datierung, Material, Maße, Erhaltungszustand, Inschriften,
Dekorationen, Hinweis auf den Denkmalstatus (Klassierung als monument
historique oder Eintragung in das inventaire supplémentaire).
Umfangreiches Bildmaterial (Photos und sonstige Abbildungen, Risse,
Zeichnungen), Karten und Pläne sowie exhaustive Register runden die
Inventarbände ab. Mit diesen Publikationen hat Frankreich, wenn auch
spät, zu den großen Denkmalverzeichnungsprojekten anderer Länder
aufgeschlossen, ohne aber bis jetzt - gemessen an der Zahl der
publizierten Bände - einen anderen Ländern vergleichbaren
Verzeichnungsstand aufzuweisen. Überblickt man die bislang in der
Reihe Inventaires topographiques publizierten Bände, so ist unschwer
vorauszusagen, daß Frankreich auch noch lange Zeit weit davon entfernt
sein wird, über ein abgeschlossenes Denkmälerinventar zu verfügen;
nicht einmal für einzelne Regionen ist die Verzeichnung bislang
vollständig abgeschlossen und publiziert. Am besten dokumentiert ist
zur Zeit noch das Elsaß mit 3 Bänden zu Kantonen des Département
Haut-Rhin und einem Band zum Kanton Saverne des Département Bas-Rhin.[5]
Diese auch in Relation zu vergleichbaren neueren
Verzeichnungsprojekten wie etwa der Denkmaltopographie der
Bundesrepublik Deutschland[6] sehr zögerliche Dokumentation und das
Fehlen älterer umfassender Inventare hat zur Folge, daß für große
Teile des französischen Denkmälerbestandes nach wie vor andere
Informationsquellen herangezogen werden müssen. Wohl auch mit Blick
auf dieses Defizit wurde von den das eigentliche Inventar
initiierenden staatlichen Institutionen schon frühzeitig auf
ergänzende, aber anders konzipierte und auf Zielgruppen mit
unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen ausgerichtete
Publikationsformen gesetzt.
3 Cahiers de l'inventaire; tudes du patrimoine; Cahiers du
patrimoine
Die Buchreihe Cahiers de l'inventaire wurde 1993 mit der sie
begleitenden und gerade auch die photographische Dokumentation
betonenden Reihe tudes du patrimoine zusammengelegt und beide wurden
unter dem Titel Cahiers du patrimoine weitergeführt. Dieser Reihe
kommt dabei die Aufgabe der vertieften wissenschaftlichen
Dokumentation und detaillierten Beschreibung von Einzelaspekten zu.
Schon die Selbstcharakteristik dieser Reihe verdeutlicht dabei, in
welchem Ausmaß hier auf ein Auswahlprinzip bei der dokumentarischen
Veröffentlichung einerseits und in der Breite ihrer wissenschaftlichen
Präsentation gesetzt wird: "Sur les sujets les plus variés, les
Cahiers présentent l'état d'une question, approfondissent une
réflexion méthodologique ou révlent des aspects inconnus du
patrimoine franais."[7] Die Themen der Bände dieser Reihe sind
äußerst
vielfältig: Beschreibung einzelner herausragender Baudenkmäler und
ebenso ganzer Stadtensembles, Zusammenschau des regionalen oder
lokalen Werkes einzelner Architekten, Dokumentation beweglicher
Kulturgüter oder regionaler kunstgewerblicher Produkte u.v.a.m., wobei
die Publikationsform von der Monographie über den Sammelband bis zum
Lexikon reichen kann. Beispielhaft für die Dokumentation eines
einzelnen Baudenkmals sei auf eines der ersten Cahiers, auf die 1985
erschienene Beschreibung des Htel de Vigny in Paris eingegangen:[8]
Obgleich mit 64 Seiten im Vergleich zu den späteren Veröffentlichungen
der Reihe noch von bescheidenem Umfang, präsentiert sich das Heft als
Sammelband von Beiträgen mehrerer Autoren zu diesem Bauwerk und nicht
als eine in sich geschlossene Einzelbeschreibung. Nach einem Beitrag
zur Urbanisationsgeschichte des gesamten (Stadt-) Viertels (Histoire
d'un territoire) folgen Ausführungen zur Bau- und Nutzungsgeschichte
des Denkmals. Weitere Beiträge befassen sich mit ausgewählten
Einzelheiten der Ausstattung (schmiedeeisener Treppenhauslauf,
Deckenmalereien, wobei diese inventarartig erfaßt und dokumentiert
werden) und vergessen nicht, die aktuelle Nutzung des Gebäudes als
Sitz des Inventaire Général des Monuments Historiques zu
dokumentieren. Die Gesamtdokumentation wird ergänzt durch
Photographien, Pläne und Wiedergaben historischer Abbildungen;
bibliographische Angaben finden sich bei den Einzelbeiträgen. Diesem
Grundraster - historischer Überblick und Hintergrund, Bau- und
Nutzungsgeschichte, Beschreibungen von Einzelheiten, Grundrisse,
Zeichnungen, Abbildungen, bibliographische Angaben, Quellenverzeichnis
- folgen auch die neueren, inzwischen wesentlich umfangreicheren
Cahiers, soweit sie Baudenkmäler dokumentieren.[9] Die neueren
Cahiers
sind allerdings zunehmend weniger einzelnen Baudenkmälern gewidmet,
sondern vor allem auch Kulturgütern, die in der herkömmlichen
Denkmälerverzeichnung höchstens im Rahmen der Nennung von
Ausstattungsgegenständen Berücksichtigung fanden, deren umfassende
Dokumentation gegebenenfalls speziellen Inventarisierungsprojekten
vorbehalten war, oder aber sie betreffen sonstige Einzelaspekte, die
im Rahmen der Sicherung und Erfassung des kulturellen Erbes von
Bedeutung sind. Beispielhaft hierfür genannt sei das Verzeichnis der
Marken der Pariser Gold- und Silberschmiede.[10] Diese als
Nachschlagewerke konzipierten Bände sind im strengen Sinne Repertorien
der nachweisbaren Gold- und Silberschmiede mit Abbildung der von ihnen
verwendeten Stempel, Nennung ihrer Wirkungstätte und Zulassung usw.,
nicht aber Inventare entsprechender Sammlungen der Gold- und
Silberschmiedekunst. Hier wird sicher besonders augenfällig, inwieweit
sich die Cahiers du patrimoine in ihrer Konzeption vom klassischen
Kunstdenkmälerverzeichnis, dem sich das Inventaire topographique
verpflichtet sieht, entfernen. Rein quantitativ betrachtet, haben sich
inzwischen die Cahiers du patrimoine längst vor das eigentliche
Inventar geschoben und sich so publizistisch in den Vordergrund
gestellt. Gerade wegen der langen Bearbeitungszeiten eines umfassenden
Denkmälerinventars mag eine schnellere Präsentation von
Einzelergebnissen in den Cahiers eine "Verlockung" sein, sie wird aber
zur Gefahr, wenn damit eine grundsätzliche Prioritätenverschiebung und
somit zugleich eine schleichende Verabschiedung vom Projekt eines
publizierten Gesamtinventars verbunden sein sollte. Nicht die
abweichende Erfassungs- und Beschreibungskonzeption der Cahiers gilt
es zu kritisieren, sondern die Prioritätensetzung vor dem Hintergrund
einer für die Kunstdenkmäler im engen Verständnis noch weitgehend
rudimentären Verzeichnung in Frankreich. Denn die Funktionen eines
klassischen Denkmalverzeichnisses können und wollen die Cahiers du
patrimoine nicht vollständig mitübernehmen.
4 Weitere Publikationsreihen und Zeitschriften
Um aber über das Inventaire topographique und die in den Cahiers du
patrimoine veröffentlichten Ergebnisse hinaus weitere Teile der in den
Regionalzentren des Inventaire gespeicherten Daten und sonstige
Informationen zum Themenkreis "kulturelles Erbe" einem größeren
Publikum zugänglich zu machen, werden heute unter dem Dach der
Direction du Patrimoine und der Caisse Nationale des Monuments
Historiques et des Sites (CNMHS) häufig in Kooperation mit sonstigen
Institutionen und Verlagen weitere Buch- und Heftreihen
unterschiedlichen Charakters und mit unterschiedlicher Zielsetzung
publiziert. Dies können um Kartenmaterial und Pläne erweiterte
regionalspezifische Auszüge aus den Datenbanken der Regionalzentren
des Inventaire sein (so die Reihe Indicateurs du patrimoine) oder aber
regionalspezifische - inzwischen für viele Regionen längst veraltete
- bibliographische Zusammenstellungen (in der Reihe Répertoires des
inventaires). In einer eigenständigen, vom CNRS (u.a.) herausgegebenen
und vertriebenen Publikationsreihe werden die Arbeiten der
französischen Arbeitsstelle des Corpus vitrearum Medii Aevi vorgelegt
(Recensement des vitraux anciens de la France); Kolloquiumsakten zu
Grundsatzfragen der Denkmalpflege und Denkmalerfassung finden Eingang
in die Reihe Actes des colloques; weitere eigene Reihen sind
schließlich den Ergebnissen der archäologischen und ethnologischen
(volkskundlichen) Erfassungen und Untersuchungen gewidmet; sie sollen
ebenso wie der Hinweis auf die Herausgabe verschiedener Zeitschriften[11]
und Sonderdrucke von Zeitschriftenbeiträgen in diesem Zusammenhang nur
Erwähnung finden, um das Bild der wissenschaftlichen
Publikationsaktivitäten dieser Institutionen abzurunden.
5 Itinéraires du patrimoine; Patrimoine au présent; Images du
patrimoine
Umfangreich sind inzwischen auch die unter dem Dach der Direction du
Patrimoine und der CNMHS firmierenden, vor allem in Kooperation mit
französischen Verlagen realisierten publizistischen Aktivitäten zur
Erstinformation eines breiteren Publikums. Grundsätzliches Ziel dabei
ist es, allgemein ein größeres Interesse für das kulturelle Erbe
Frankreichs zu wecken, vor Ort mit kürzer gefaßten Informationen zu
einem Denkmal zu dienen und hierbei zugleich auch die Touristik- und
Freizeitindustrie zu bedienen.[12] Es liegt auf der Hand, daß gerade aus
der Perspektive fehlender umfassender Denkmalverzeichnisse diese
Darstellungen von kompensatorischem Interesse sein können.
Hinsichtlich der Kunstdenkmäler gilt dies insbesondere für die Reihen
Itinéraires du patrimoine, Patrimoine au présent und Images du
patrimoine.
Während die Itinéraires du patrimoine auf knappstem Raum (der Umfang
beträgt meist nur 16 Seiten) Erstinformationen zu einzelnen Denkmälern
oder Themen liefern und formal am ehesten dem Typ der Kleinen
Kunstführer des Verlags Schnell & Steiner in Deutschland nahekommen,
ohne jedoch deren Erfassungsdichte und Detailliertheit der
Beschreibung zu erreichen, sind die Titel der Reihe Patrimoine au
présent mit durchschnittlich 128 Seiten umfangreicher. Allerdings
beschränkt sich diese jüngere Reihe, die zu einzelnen Titeln auch
englischsprachige Ausgaben anbietet, vorerst noch auf die wirklich
herausragenden kunsthistorischen und zugleich touristisch
interessanten Baudenkmäler Frankreichs. Daher können die
Veröffentlichungen beider Reihen zum jetzigen Zeitpunkt nur in äußerst
begrenztem Umfang Ersatz für fehlende umfassende Inventare darstellen.
Hinzu kommt, daß sich gerade auch die Bände der Reihe Patrimoine au
présent bei aller namhaften Autorenschaft im Charakter sehr weit von
einer exhaustiven und inventarartigen Beschreibung entfernen und eher
dem Stil einer hinführenden, Verständnis stiftenden, die
geschichtlichen Umstände erklärenden und beschreibenden, letztlich
popularisierenden Darstellung zuneigen. Beispielhaft erkennbar wird
diese Konzeption an dem 1993 von Anne Prache vorgelegten reich
illustrierten Bändchen zur Kathedrale von Chartres mit dem in jeder
Hinsicht sprechenden Untertitel "image de la Jérusalem céleste".[13]
An eine vergleichbare Zielgruppe wendet sich auch die zur Zeit mit
fast 150 Bänden umfangreichste Reihe, die Images du patrimoine. Sie
bringen jeweils auf ca. 60 bis 100 Seiten Hochglanzpapier einen
großenteils farbigen Bilderquerschnitt zu einzelnen Baudenkmälern, zu
den Denkmälern eines Ortes, eines Kantons oder zu einem umgrenzten
Themenkreis. Kurze Legenden begleiten die Abbildungen und werden nur
durch knappe Einführungstexte zusammengehalten. Obwohl ohne besonderen
wissenschaftlichen Verzeichnungsanspruch, können diese Hefte
gelegentlich dennoch von einigem Interesse für erste
Denkmalinformationen sein, liegen sie doch auch für Bereiche vor, zu
denen noch kein Inventarband erschienen ist und bieten hier einen
ersten Querschnitt und vor allem Abbildungsmaterial.[14] Im Normalfall
aber werden die Images du patrimoine Bildheftliebhaber beglücken.
6 Guides bleus; Reclams Kunstführer Frankreich; Guides du patrimoine;
Einzelpublikationen
Bevor die im Rahmen des Publikationsprogramms der Direction du
Patrimoine und der CNMHS seit 1992 im Verlag Hachette erscheinende
Reihe Guides du patrimoine näher beschrieben werden soll, müssen die
vom selben Verlag Hachette publizierten Guides bleus kurz
charakterisiert werden, ohne daß hier allerdings die gesamte
Editionsgeschichte[15] und die im Laufe der Jahrzehnte nicht
ausgebliebenen Modifizierungen im Konzept dieser traditionsreichen
Reiseführer für Kunstinteressierte im Detail nachgezeichnet werden
soll. Vergleichsbasis soll vielmehr die aktuelle Konzeption dieser
Führer sein. Der letzte Paris-Band in der Reihe Guides bleus erschien
bereits 1990, neueren Datums ist aber u.a. der Führer durch die
Picardie.[16] Dieser 1993 erschienene Band zeigt zugleich, daß für den
Verlag Hachette die 1992 gestarteten Guides du patrimoine nicht als
Fortsetzung bzw. Ablösung der Guides bleus gedacht waren, sondern daß
beide Reihen im nebeneinander laufen und somit auch eine durchaus
differierende Konzeption und Orientierung aufweisen. Klare Zielgruppe
der Guides bleus ist ein (autoreisendes) kunst- und
kulturinteressiertes Publikum. Die mit ausführlichem
(Straßen-)Kartenmaterial und Routenvorschlägen ausgestatteten Bände
bringen vorab zusammenfassende Beiträge zu Geographie, Geschichte,
Kunst und Kultur, Industrie, Sozialstruktur usw. der jeweiligen Region
mit einer bibliographischen Zusammenstellung zu diesen Schwerpunkten.
Daran schließen sich die Ortsbeschreibungen (unter Einschluß der
Umgebung) in alphabetischer Ordnung an. Alle Einträge folgen dem
gleichen Beschreibungsraster: Geographische Situierung,
verkehrstechnische Informationen, Ortsgeschichte; zusammenfassender
Hinweis auf die kulturtouristischen musts, daran anschließend die
Einzelbeschreibungen der mit Sternchen zusätzlich wertend klassierten
Sehenswürdigkeiten. Unter ihnen finden neben den Museen die
Baudenkmäler eine herausragende Berücksichtigung und ausführliche
Beschreibung. Der Picardie-Band etwa bietet für die Kathedrale von
Amiens neben praktischen Kurzhinweisen (Öffnungszeiten, Führungen
usw.) und nach einführenden Informationen zur Baugeschichte und zur
Bedeutung des Denkmals eine als Rundgang konzipierte ausführliche
Beschreibung der Kathedrale und ihrer Ausstattung, wobei herausragende
Einzelheiten durch zusätzliche Sternchen-Vergabe nochmals
gekennzeichnet werden. Vom eigentlichen Text unabhängige, als Kästchen
eingeschobene Informationen befassen sich in einführend und
verständlich gehaltener Form beispielsweise mit Einzelheiten moderner
Restaurierungsverfahren, mit biographischen Hinweisen zu Künstlern,
mit Konstruktionsinformationen usw. Ein thematischer Index und ein
Ortsregister beschließen den Band. Auf die weiteren, in einem
umfassenden Reiseführer selbstverständlich mitberücksichtigten
sonstigen Attraktionen und Ausführungen braucht in diesem Zusammenhang
nicht eingegangen zu werden, auch wenn sie im Vergleich zu älteren
Guides bleus an Umfang zu Lasten der früher stärkeren kunst- und
kulturorientierten Ausrichtung der Führer zugenommen haben. Dennoch
gilt weiterhin, daß die Guides bleus für viele Regionen Frankreichs
auch heute noch die einzige handliche Zusammenstellung und
Beschreibung ihrer wichtigsten Kunstdenkmäler bieten, und daß diese
Führer trotz aller tourismusspezifischen Ausprägungen lange Zeit
Ersatz für fehlende Kunstführer waren und vielfach immer noch sind.
An dieser Stelle ist auch an die Reihe Reclams Kunstführer Frankreich[17]
zu erinnern, die sich speziell an den reisenden Kunstfreund wendete.
Sie wird in dieser Form leider nicht fortgeführt und deckt deshalb
auch bei weitem nicht alle Regionen Frankreichs ab.[18]
Gänzlich anders als die Guides bleus, jedoch vergleichbar mit Reclams
Kunstführer Frankreich, muß die Bewertung der Reihe Guides du
patrimoine ausfallen, in der Vorarbeiten für das eigentliche
Inventaire topographique eine nützliche intermediäre Verbindung mit
der Tradition der Guides bleus eingehen.
7 Verzeichnung von Denkmälern der Industrie und Landwirtschaft in
Frankreich
Die bisher beschriebenen Publikationen konzentrierten sich
schwerpunktmäßig auf den Nachweis von Kunstdenkmälern. Einzig
Reiseführer wie die Guides bleus berücksichtigen zunehmend auch
Denkmäler der Industrie und Landwirtschaft. Zu diesen Bereichen
existieren zwei spezielle praktische Nachschlagewerke in Gestalt von
kommentierten und farbig bebilderten Adreßbüchern:
8 Nachbemerkung
Sieht man all die publizistischen Bemühungen, die die staatlichen
Einrichtungen der Denkmalpflege in Frankreich selbst oder in
Kooperation mit anderen Einrichtungen bzw. mit Verlagen in den
vergangenen dreißig Jahren unternommen haben, so vermag ihre Vielzahl
und Vielfältigkeit durchaus zu beeindrucken. Gleichwohl behält das
Faktum, daß es an einer flächendeckenden Denkmalverzeichnung in
Frankreich weiterhin fehlt, nach wie vor seine Gültigkeit. Die Zeiten
der "Solisten" (und ihrer Arbeitsgruppen), die in überschaubarem
Zeitrahmen eine erste Kurzerfassung der Denkmäler eines Landes
vorlegen konnten, sind längst vorbei; in Frankreich hat es sie gar
nicht gegeben. Die seitdem stark gewachsenen Ansprüche an eine
wissenschaftlichen Erfordernissen genügende Denkmalverzeichnung
erschwert ebenso wie die Ausweitung des Denkmalbegriffs das schnelle
Erreichen des Zieles und macht es unmöglich früher Versäumtes jetzt
rasch nachzuholen. Daß trotzdem Großprojekte durchaus zu recht
schnellen Ergebnissen, d.h. Publikationen führen können, belegen die
von einzelnen Bundesländern im Rahmen der Denkmaltopographie der
Bundesrepublik Deutschland vorgelegten Bände. Ein dem bayerischen
Modell[19] folgendes Vorgehen wäre aus unserer Sicht auch für den
Nachweis französischer Denkmäler denkbar: Sehr schnelle und umfassende
Publizierung listenartiger Verzeichnisse als Basis, auf denen dann die
langsam fortschreitende Arbeit an Großinventaren sowie
Einzeldokumentationen aufbauen könnten. Solange jedoch die
französische Denkmälerinventarisation trotz großer Fortschritte im
einzelnen noch weit von einer flächendeckenden Beschreibung des ganzen
Staatsgebietes entfernt ist, bleibt nur der Rückgriff auf die
Guidenliteratur sowie auf Spezialpublikationen für einzelne Epochen
der Kunstgeschichte, von denen im folgenden einige Beispiele
vorgestellt werden.
Zurück an den Bildanfang