Anlaß für den Rezensenten, sich genauer mit den oben aufgeführten,
konkurrierenden einbändigen französischen Wörterbüchern zu
beschäftigen, war sein Wunsch, sich auf Grund eigener Anschauung
endlich einmal zu vergewissern, worin sich die aus
Vermarktungsstrategien angebotenen unterschiedlichen Ausgaben wirklich
unterscheiden, zumal die Genauigkeit von deren bibliographischer
Beschreibung in den Livres de la semaine und gar im Catalogue des
livres disponibles zu wünschen übrigläßt und daher der Erwerb von
Dubletten vorprogrammiert ist. Der Einfachheit halber werden die oben
aufgeführten Wörterbücher im folgenden als L1 bis L3, H1 bis H3 und R
zitiert. Dem Vergleich liegen die Ausgaben des Erscheinungsjahres[2]
1992 zugrunde, doch ist es durchaus möglich, daß mit dem Jahr 1993
bereits wieder Änderungen eintreten,[3] so wie die Situation 1991 anders
war, die der Rezensent jedoch nicht mehr rekonstruieren kann, da die
entsprechenden Ausgaben nicht mehr im Handel erhältlich sind.
Sieht man einmal von den unterschiedlichen Titelformulierungen ab, und
dafür den Inhalt genau an, so stellt man fest, daß sich sowohl bei
Larousse als auch bei Hachette die jeweils drei Ausgaben nur durch
Aufmachung und Preis sowie durch verschiedene Beigaben unterscheiden,
im Hauptteil jedoch inhaltlich, bei Larousse auch im Umbruch identisch
sind. Bei Larousse finden sich bereits auf der Titelseite,
ausführlicher auf dem hinteren Einbanddeckel, identische statistische
Angaben: 84.200 Lemmata, die sich aus der Addition von 58.700
Gattungsbezeichnungen einerseits und 25.500 Eigennamen andererseits
ergeben; dazu kommen 3.600 Illustrationen in Farbe und 285 Karten; L2
zeichnet sich außer durch sein größeres Format durch einen besonderen
Anhang mit einem Weltatlas samt Register sowie durch einen
historischen Atlas und eine Chronologie historischer Ereignisse aus.
Zwischen den beiden Hauptteilen findet der Benutzer seit eh und je die
pages roses mit lateinischen und griechischen Redewendungen sowie
einer Auswahl von französischen Sprichwörtern.
Bei Hachette ist es im Prinzip wie bei Larousse, d. h. daß der
Hauptteil in allen drei Ausgaben identisch ist, wobei sich im
Unterschied zu Larousse jedoch alle im Umbruch unterscheiden, da H1
ohne Illustrationen im Text auskommt, während H2 und H3 3.500
respektive 3.000 Abbildungen haben. Auch was die Zahl der sonstigen
Beigaben - und hier insbesondere die der Karten - betrifft,
unterscheiden sich H1 bis H3 stärker voneinander, als L1 bis L3. Zu
erwähnen sind die bei H1 und H2 auf gelben Seiten eingefügten Pages
pratiques (bei H3 nur in Auswahl im Anhang aufweißem Papier), die in
unterschiedlicher Mischung sprachliche[4] bzw. enzyklopädische[5]
Informationen enthalten. Dagegen ist die Zahl der Lemmata in allen
drei Ausgaben gleich: ca. 70.000, davon über 20.000 Eigennamen.[6]
Sowohl Larousse als auch Hachette vermarkten ihre Produkte inzwischen
auch in elektronischer Form[7]: ersterer verschiedene seiner
Teilwörterbücher für PC-Einsatz sowie ein Dictionnaire de fran‡ais
électronique de poche, letzterer H1 in einer Version für den Data
discman sowie, wohl gleichfalls mit den Daten von H1, u.d.T. Zyzomys
als CD-ROM-Ausgabe im Normalformat.
Gemeinsam ist Larousse und Hachette, daß beide nicht nur in großem
Umfang Eigennamen verzeichnen - wobei sie sich nur dadurch
unterscheiden, daß ersterer diese in einem eigenen, zweiten
Alphabetteil anbietet, während letzterer sie in einem einzigen
Alphabet zusammen mit den Gattungsbegriffen verzeichnet - sondern daß
sie auch bei vielen Gattungsbegriffen zusätzlich zu den Definitionen
und den linguistischen Informationen, typographisch abgesetzt, in
beträchtlichem Umfang enzyklopädische Informationen anbieten, wie das
folgende Beispiel zeigt:
. . . . . . . . L1. . . . . . . . . . . . . . . . I>H1
. . . . . . . Beispiel (derzeit nur in der Printform von IFB
Den dritten Konkurrenten, Le Robert "Dictionnaire d'aujourd'hui", kann
man kurz behandeln. Wie Larousse besteht er aus zwei Teilen, einem für
ca. 35.000 Gattungsbegriffe und einem für ca. 12.000 Eigennamen. R hat
also von allen dreien die geringste Lemmazahl. Zwischen beiden Teilen
sind Landkarten und eine relativ ausführliche synoptische Chronologie
eingeschoben. Das abschließende Supplement enthält Informationen zur
Grammatik sowie die von Personen- und Ortsnamen abgeleiteten Adjektiva
(nur im Alphabet der letzteren). Quelle des Lemmabestandes sind andere
Nachschlagewerke desselben Verlags, für den Sprachteil der
Micro-Robert, für die Eigennamen eine Auswahl aus dem Dictionnaire des
noms propres.[8]
Nimmt man das willkürlich ausgewählte Beispiel Diamant und beachtet
man die höhere Lemmazahl sowie zusätzlich Angaben (z. B. zur
Etymologie), so wird man den Produkten von Larousse den Vorzug geben,
wobei sich Bibliotheken wegen des nur minimalen Preisunterschiedes
weder für L3 noch wegen des zusätzlich Weltatlas (allenfalls, wegen
der besseren Lesbarkeit dank der größeren Type) für L2 entscheiden
werden, sondern wohl für den "Klassiker" L1. Er repräsentiert (wie
auch die Konkurrenz von Hachette) einen Mischtyp zwischen Enzyklopädie
und Wörterbuch, für den es in Deutschland kaum eine Entsprechung gibt;
da sich der Begriff Allbuch zur Bezeichnung dieses Mischtyps nicht
eingebürgert hat, sollte man diese Nachschlagewerke - analog zur
französische Bezeichnung dictionnaire encyclopédique - als
enzyklopädische Wörterbücher[9] bezeichnen. Trotzdem werden sich die
meisten Bibliotheken hierzulande überlegen müssen, ob ihren Benutzern
nicht mit einem der einbändigen einsprachigen Wörterbücher ohne
enzyklopädische Information (dictionnaires de langue) besser gedient
ist, z. B. mit dem Dictionnaire analogique de la langue fran‡aise.[10]
Desungeachtet ist der Petit Larousse als Phänomen einer ganz anders
gearteten nationalen Sprachkultur und als Beleg für die Entwicklung
der französischen Sprache (und Mentalität) in den letzten neun
Jahrzehnten[11] eine vorzügliche Quelle,[12] deren vollständige
Rekonstruktion auch durch die virtuelle Zusammenführung aller Bestände
in deutschen Bibliotheken wohl nicht annähernd zu erreichen ist.
sh
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