Die Nennung der EDV an gerade dieser Stelle (Nebeneintragungsvermerke)
weist auf den grundlegenden Unterschied der Suche in einem
Zettel- oder Listenkatalog und in einem Online-Katalog hin. Da sich im
Online-Katalog die Suchmöglichkeiten aus den recherchierbaren
Kategorien ergeben und da weiterhin nicht die vollständige
Namensansetzung (z.B. bei Körperschaften) und auch nicht der komplette
Sachtitel bekannt sein müssen, erübrigt es sich, von Haupt- und
Nebeneintragungen (HE, NE) zu sprechen. Hinzu kommt, daß auch alle
Verfasserschriften unter dem Sachtitel resp. Stichworten daraus
auffindbar sind.[2] Wenn die DBI-Kommission für Erschließung und
Katalogmanagement eine Expertengruppe beauftragt hat, die RAK-WB
daraufhin durchzusehen, ob die Regeln den Anforderungen des
Online-Retrievals gerecht werden, so soll theoretisch nachgeholt
werden, was in der Praxis längst üblich ist. Entsprechend der
Entwicklung hin zu Online-Publikumskatalogen kamen Überlegungen zu
einer Angleichung der Ansetzungsregeln für Personen- und
Körperschaftsnamen in RAK-WB und RSWK hinzu; eine Forderung übrigens,
die bald nach Vorliegen des ersten RSWK-Entwurfs erhoben worden ist.
Dieser Aufgabenstellung entsprechend, bzw. ihr nicht entsprechend, hat
sich die Expertengruppe unter Vorsitz von Margarete Payer in drei
Sitzungen auf die genannten Fragen konzentriert und einen Entwurf für
die 1 - 34 (Grundbegriffe), 101 - 192 (Allgemeine Bestimmungen),
502, 601 - 685 (Haupt- und Nebeneintragungen) und 701 - 706 (hier:
Sucheinstiege für Online-Kataloge überschrieben) vorgelegt. Die beiden
zuletzt genannten Paragraphengruppen liegen in drei Versionen vor, im
Anhang (S. 105 - 133) sind Auszüge aus den Protokollen der
Arbeitssitzungen abgedruckt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, daß
im Online-Katalog eine Titelaufnahme (soll dieser Begriff überhaupt
beibehalten werden? Wäre nicht Datensatz sinnvoller?) nur einmal
gespeichert ist, und daß beliebig viele Sucheinstiege möglich sind, je
nach der Zahl der Kategorien, die retrievelfähig gemacht werden.
Leider ist die Expertengruppe über diese an sich klare
Aufgabenstellung hinausgegangen und wollte, "jede Regel hinterfragen,
ob sie in einem Online-Katalog noch notwendig ist und ob nicht auch
der herkömmliche Katalog auf die entsprechende Regel verzichten kann"
(S. 11). Das hat mit einer Durchsicht der RAK-WB für die Erfordernisse
von Online-Katalogen nicht mehr viel zu tun und soll es wohl auch
nicht, denn die Aufgabe der Expertengruppe, die sie sich
offensichtlich gesetzt hat, ist es, ein Regelwerk zu schaffen, das
auch für die bisherigen Listen- und Kartenkataloge anwendbar ist. Dies
war aber bislang die Aufgabe der DBI-Kommission für Alphabetische
Katalogisierung (seit 1990: Expertengruppe RAK der DBI-Kommission für
Erschließung und Katalogmanagement). Arbeiten jetzt zwei
Expertengruppen neben-, gegen- oder miteinander? Verwundert liest man,
daß die Expertengruppe Online-Katalog "kein Online-Regelwerk neben
RAK-WB bzw. RAK-ÖB anstrebte, sondern eine Überarbeitung
... im Hinblick auf Online-Erfordernisse empfiehlt" (S. 8). Man weiß
nicht recht, wie man dies mit dem Titel der Publikation und dem Namen
der Expertengruppe in Einklang bringen soll. Irritierend (oder schon
nicht mehr) ist auch die (gewollte?) sprachliche Ungenauigkeit: die
Gruppe empfiehlt nicht die Überarbeitung, sie legt sie ja vor!
Am umfangreichsten sind naturgemäß die Vorschläge für die 601 ff.
und 701 ff. Der diffusen Aufgabenstellung entsprechend Haupt- und
Nebeneintragungen unter Titeln, Personen und Körperschaftsnamen ;
Sucheinstiege überschrieben. Dabei muß man wissen, daß unter Titel
jetzt der Sachtitel verstanden wird. Wenn im Online-Retrieval ein
Personenname und Stichwörter aus dem Sachtitel verknüpft werden
können, dann ist es unerheblich, ob die Person der alleinige oder
einer von mehreren Verfassern ist, oder ob es sich um einen
Herausgeber, Übersetzer o.ä. handelt. In einem Regelwerk, das dieser
Möglichkeit Rechnung trägt, kann es folglich die Begriffe HE und NE
nicht mehr geben. Die bisher üblichen Funktionsbezeichnungen bei den
sonstigen beteiligten Personen haben dann lediglich Informationswert.
Der Vorschlag 2 (S. 77 - 97) für diese Paragraphengruppe ist hier am
konsequentesten. Demgemäß werden in den 600er-Paragraphen die Titel
festgelegt, unter denen gesucht werden kann, desgleichen die Personen.
Eine Beschränkung auf zwei Verfasser und eine sonstige beteiligte
Person ist bei einem Online-Katalog allerdings ein wenig lächerlich
(S. 84, 86). Da jedoch wegen der Listen- und Kartenkataloge an den
genannten Begriffen festgehalten wird, werden in Vorschlag 1 und 2 die
HE stets unter dem Sachtitel (neue Terminologie: unter dem Titel)
gemacht, Vorschlag 3 hält noch an einer HE unter dem (einzigen)
Verfasser fest. Der Nachteil dieses Sucheinstiegs ist die hohe
Trefferquote bei Sammlungen mit generellen oder gemischt-generellen
Sachtiteln; hier soll der Sachtitel durch den Namen des Verfassers in
Ansetzungsform ergänzt werden.[3] Wo ist bei einer Online-Recherche der
Unterschied zu einer Verknüpfung von Sachtitel und Verfassernamen?
Dererlei Ungereimtheiten resultieren ausschließlich aus dem
hoffnungslosen Bemühen, die RAK-WB zu verbessern und den
Online-Katalog dabei nicht aus dem Auge zu verlieren; nach dem Motto:
RAK-Online ja, aber nicht zu viel.
Auch die einleitenden Ausführungen zeigen, daß sich die Expertengruppe
selbst um den Erfolg ihrer Bemühungen gebracht hat. Einerseits wird
die Unterscheidung von HE und NE für unnötig gehalten (S. 12 - 13),
weil es aber noch Kartenkataloge gäbe, soll die HE unter dem Sachtitel
gemacht werden und eine NE unter dem Verfasser. Schlagendes Argument
ist dann ein Zitat aus einer amerikanischen Veröffentlichung, nach der
20 - 40 % der Katalogisierungszeit eingespart werde, unterscheide man
nicht mehr zwischen HE und NE. Der Text begeht hier eine kleine
Unredlichkeit, denn der in der Fußnote zitierte Aufsatz behandelt den
Verzicht auf die HE (nonmain-entry) "and the automated catalog".
Aus dem entweder nicht präzise genug formulierten Arbeitsauftrag oder
der unter der Hand erweiterten Aufgabenstellung resultiert auch die
Revision der Grundbegriffe, dabei hält sich die Expertengruppe nicht
mit Begriffen wie HE und NE auf, sondern zieht die Definitionen in
631, 649 - 651, 664 - 666, 679 - 681 nach vorn und fügt sie als 19 a
- k ein. Das hat mit RAK-Online nun überhaupt nichts mehr zu tun, oder
bahnt sich hier eine der nächsten RAK-WB-Änderungen an?
Richtig gesehen, aber wegen der unklaren Aufgabenstellung ganz an den
Rand gerückt, ist die Angleichung bei der Ansetzung der Personen- und
Körperschaftsnamen bei RAK-WB und RSWK. Dieses Ziel scheint aber erst
wieder einmal in weite Ferne gerückt, schreibt doch die 2. Auflage der
RAK-WB die bisher bekannten Regeln fort.
Der DBI-Kommission ist zu raten, den Arbeitsauftrag der Expertengruppe
präziser zu formulieren oder sie anzuhalten, sich ausschließlich mit
Fragen des Online-Katalogs zu befassen. Es kann nicht angehen, daß
jede neue Expertengruppe anfängt, die RAK-WB nach Gutdünken zu
revidieren. Eine bessere Koordination der verschiedenen
Expertengruppen sollte doch möglich sein, wozu führt die Kommission
schließlich den Begriff Management im Namen?
Rudolf Jung
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