Eine gravierende Einschränkung stellt allerdings die Ausrichtung auf
franko- und anglophone Studenten dar (S. VI), wobei erstere faktisch
nochmals bevorzugt sind. Zwar werden auch anderssprachige Werke
genannt[7] und auch deutschsprachige Literatur ist vielfach präsent und
schließlich ist die Eingrenzung bei den Grundlagenwerken, Editionen
etc. aufgehoben, doch wäre es nicht schwer gewesen, vor allen Dingen
durch Überarbeitung der einleitenden Teile diese Sprachschranke noch
weiter aufzulockern, um wenigstens die Sprachen des europäischen
"philosophischen Binnenmarkts" angemessen zu repräsentieren. Follons
Arbeit wäre dann der Standard für diesen Bereich, wie er es jetzt
zumindest für den französischen Sprachraum ist. Kritik an
Bibliographien, Nennung von Auslassungen und Fehlern ist oft ebenso
leicht wie beliebig. Wir fügen deshalb nur einige gravierendere
Punkte, die vielleicht in einer Neubearbeitung bedacht werden könnten,
der folgenden Übersicht über den Aufbau des Buches ein. Sie betreffen
vor allem die Organisation des Materials.
Bei den ersten beiden Kapiteln Einleitung in die Philosophie und
Handbücher der Philosophie ist die Sprachbeschränkung am
gravierendsten. In den Annexen über Schriften en d'autres langues ist
die Auswahl nicht immer überzeugend, während das Französische m.E. um
einiges zu populäres und peripheres Schrifttum entlastet werden
könnte, das wohl nur für den pädagogischen außeruniversitären Bereich
interessant sein kann, über den normalen Buchhandel genügend
zugänglich und außerdem auch zu sehr auf den Tag bezogen ist.
Die Typologie der behandelten Gattungen führt zu Gliederungen, die
manchmal die Übersicht erschweren. So findet man bei den Einführungen
in besondere Richtungen, den Anthologien und den thematischen
Handbüchern viele identische Rubriken ohne Querverweise. Da das Buch
leider nur ein Personen-, jedoch kein Sachregister enthält, in dem man
etwa phénomenologie oder thomisme ermitteln könnte, setzt eine
erschöpfende Nutzung des Buches ein sehr genaues Durcharbeiten der
Gliederung voraus. Im dritten Kapitel, das Enzyklopädien, Lexika und
biographische Werke umfaßt, scheint mir die Trennung von encyclopédie
und dictionnaire in der vorgenommenen Weise nicht tragfähig, weil zu
sehr an Titelstichwörtern orientiert. Daher finden sich umfassende
lexikalische Darstellungen des Fachs (P. Edwards) neben thematisch
begrenzten (Encyclopedia of morals / V. Ferm), handbuchartige,
nicht-lexikalische Übersichtsdarstellungen (R. Klibansky; G. Floistad)
neben Kurzlexika (J. O. Urmson). Bei den Hilfswissenschaften der
Philosophie ist das noch gravierender, da hier gelegentlich sehr
große, inhaltlich divergente Gebiete zusammengefaßt und auf diese
fiktiven Genera verteilt werden; das läßt sich am Beispiel
Religion/Theologie S. 41 - 43, 65 - 67 besonders leicht zeigen, etwa
bei den verschiedenartigen Nachschlagewerken zur Bibel von völlig
unterschiedlichem Ansatz, Forschungsstand und Relevanz.[8] Positiv
schlägt aber hier die materiale und sprachliche Breite (s.o.
Foclóir...) und auch die formale Ausweitung auf Konkordanzen und
Hilfsmittel bei den einzelnen Philosophen zu Buche.
Das 4. Kapitel zur Philosophiegeschichte wäre um einiges Populäre im
französischen Bereich zu kürzen. Hier sind auch wieder philosophische
Richtungen vertreten, die schon im 1. Kapitel auftauchten; bei anderen
fragt man sich dagegen "warum dort und nicht hier?". Problematisch ist
der Abschnitt mit monographischen Studien über einzelne Philosophen,
der die "klassischsten" Werke zu nennen sucht, die oft einen sehr
alten Forschungsstand repräsentieren (X. Léon zu Fichte oder L.
Brunschvicg zu Pascal), teils - als zeitgenössisch - das Werk des
behandelten Philosophen noch gar nicht vollständig darstellen konnten
(V. Jankélévitch zu Bergson), teils nur Einführungen en miniature sind
(J. Lacroix zu Blondel). Gerade dieser Abschnitt ist im übrigen
wiederum durch die Sprachbeschränkung von nur begrenztem Wert.
Daß im 5. Kapitel über die Editionen philosophischer Texte wiederum
eine Serie über einzelne Philosophen nötig ist, zeigt erneut die
Problematik der Gliederung. Geldsetzers Ineins von Editionen,
Personalbibliographien (bei Follon leider ganz fehlend) und
Hilfsmitteln ist da von der Anlage her günstiger. Schon ein Vergleich
mit der Liste Geldsetzers von 1971 zeigt übrigens, daß bei den
Editionen einzelner Philosophen noch kräftig ergänzt werden könnte:
Von Meister Eckhart bis Erasmus, von Maine de Biran bis Rosmini, von
Herbart oder Feuerbach bis Wust, Adorno oder Gadamer und Löwith
reichen unterschiedlich gewichtige Auslassungen.
Zwei Kapitel über philosophische Zeitschriften und bibliographische
Hilfsmittel[9] folgen. Letzteres ist eine grundlegende Einführung in die
allgemeine und speziell-philosophische Bibliographie und wäre logisch
vielleicht an den Anfang eines guide bibliographique zu stellen. Ein
nützlicher Anhang über die Benutzung des Répertoire bibliographique de
la philosophie und ein kurzer Annex über die Namen philosophischer
Schulen und die Beinamen mittelalterlicher Philosophen schließen das
Buch.
Ein letztes Desiderat für eine Neuausgabe wird sich bis dahin von
selbst aufdrängen: Die Berücksichtigung der elektronischen
Informationsmittel. Schon beim heutigen Stand ist es seltsam, auf
Konkordanzen zu verweisen, wenn die Texte relativ leicht elektronisch
zugänglich sind (Kant, Augustinus und die weiteren im Corpus
Christianorum edierten lateinischen Kirchenväter und mittelalterlichen
Theologen etc.) oder gar noch über den schwierigen Umgang mit dem
pionierhaften Index Thomisticus zu informieren, dessen CD-ROM-Version
vorliegt. Das gilt ebenso für Bibliographien wie Philosopher's index
oder das Bulletin signalétique, Nationalbibliographien und
Buchhandelsverzeichnisse, deren elektronische Angebotsformen
wenigstens genannt werden müßten. In einzelnen Fällen mag hier
allerdings die Entwicklung die vielleicht langsame Drucklegung des
Buches überholt haben.
Kritische Anmerkungen gewinnen bei einer Darstellung, wie wir sie
versucht haben, leicht zu viel Gewicht im Verhältnis zur positiven
Leistung des besprochenen Werkes. Diesem Anschein sei ausdrücklich
entgegengetreten. Der inhaltliche Reichtum der Arbeit wird durch
kritische Bemerkungen zur Organisation des Materials nicht berührt.
Die genannten Punkte sollten vielmehr zeigen, daß dieses Buch durchaus
für einen größeren Kreis als die "Lehrlinge" der Philosophie und für
einen größeren Sprachraum als den angezielten das grundlegende
bibliographische Informationswerk werden könnte und in mancher
Hinsicht schon ist. Einstweilen wird man sich mit dem so Geleisteten
begnügen müssen. Auch dies zeigt Follon schon als einen ¯doctor
profundus® der philosophischen Bibliographie, um ein Epitheton aus
Annex II zu übernehmen. Die sorgfältige Redaktion des Buches sei
eigens erwähnt. Im bibliographischen Apparat philosophischer
Abteilungen sollte es jedenfalls nicht fehlen.
Albert Raffelt
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