Die 1. Ausgabe der IKD enthält "in 195.102 Eintragungen die
biographischen Daten und Angaben sämtlicher 148.171 Artikel des
Thieme/Becker".[1] Wer Prospekt und Handbuch nur flüchtig konsultiert
hat, wird erwarten, den gesamten Thieme/Becker EDV-aufbereitet und
damit mit allen Vorteilen einer EDV-gestützten Recherche versehen
nutzen zu können. Dies ist aber keineswegs der Fall; vielmehr bedeutet
der Hinweis auf die "Umsetzung der Lexikon-Artikel in recherchierbare
Daten"[2] keineswegs, daß die Volltexte des Thieme/Becker gespeichert
wurden, sondern lediglich, daß die Eintragungen auf folgende
biographische Eckdaten reduziert wurden, die zugleich das
Kategorienschema für die Recherche bilden :
Name (allg.), Ort (allg.), Zeit (allg.), Beruf (allg.); Dokument,
Künstlername, Zweitname, irrtümlicher Name, evtl. Identität,
Geschlecht, künstlerischer Beruf, anderer Beruf, GEO-Nachweis, Staat
<1990>, Geburtsdatum, Geburtsort (Geburts-Landschaft, Geburtsland),
erste Erwähnung, Todesdatum, Todesort (T.-Landschaft, T.-Land), letzte
Erwähnung, Erwähnungsort (E.-Landschaft, E.-Land), Fundstelle.
Damit entfallen jegliche Angaben zum Werk eines Künstlers, und für
diesen nicht unwesentlichen Teil der Information bleibt einzig die
Rubrik Fundstelle die entscheidende: hier erfolgt der Hinweis auf Band
und Seitenzahl des Thieme/Becker; für alle weitergehenden
Informationen muß man also auf das konventionelle Medium Buch
zurückgreifen.
Dies bedeutet zugleich, daß die IKD als eigenständiges biographisches
Nachschlagewerk lediglich biographische Informationen in Minimalform
bietet, in Kombination mit dem gedruckten Thieme/Becker dagegen aber
nur den Wert eines zusätzlichen - digitalisierten - Registers zum
Lexikon besitzt. Da der Thieme/Becker alphabetisch nach den
Künstlernamen ordnet, die IKD aber den diesem Anordnungsprinzip
entzogenen Direktzugriff auf das künstlerische Werk aufgrund der
Reduktion auf die genannten Elemente ebenfalls nicht gestattet, muß
man fragen, was die CD-ROM-Ausgabe über die Faszination des neuen
Mediums hinaus an Vorteilen bzw. an zusätzlichen
Informationsmöglichkeiten über das gedruckte Lexikon hinaus bieten
kann.
Bekanntermaßen liegt der Vorteil dieser Medienform auch darin,
mehrdimensionale Sucheinstiege zu ermöglichen und damit die
Beantwortung komplexer Fragestellungen zu vereinfachen. So erlaubt
denn die IKD selbst angesichts der für die Kategorisierung reduzierten
Beschreibungen immer noch einen differenzierteren Zugriff, als es die
gedruckte Version mit ihrem eindimensionalen Ordnungsschema und trotz
der Möglichkeit von Verweisungen usw. bieten kann.
Die CD-ROM-Version bietet damit bereits beim Primärzugriff auf den
Namen des Künstlers in den vielen Fällen, in denen es Namensvarianten,
Künstlernamen, Zweitnamen usw. gibt - die Kategorien der
Datenbankeintragungen weisen darauf hin -, weitreichendere, zumindest
aber bequemere Verknüpfungen und Wege zur Haupteintragung. So führt
beispielsweise in der Kategorie Name allgemein nicht nur die Eingabe
Grünewald* zum gesuchten Matthias Grünewald, sondern auch der Einstieg
über den Zweitnamen Mathis von Aschenburg oder über Mathis Nithardt
als evtl. Identität weist auf die Haupteintragung Grünewald, Matthias.
Blättert man dann unter Grünewald, Matthias die Vollanzeige auf, so
werden hier - in den oben aufgeführten Kategorien - alle Zweitnamen
sowie die evtl. Identität (Nithardt) nochmals angezeigt. Allerdings
wird dieses Prinzip der Erfassung von Namensvarianten nicht immer mit
Stringenz durchgehalten, so daß die technischen Möglichkeiten für
solche Fragestellungen nicht immer voll genutzt und die Recherchen
entsprechend erfolgreich abgeschlossen werden können.
Ähnelt der Einstieg über Namensformen auch bei teilweise größerer
Suchbequemlichkeit und stärkerer Berücksichtigung und Verknüpfung von
Varianten immer noch dem herkömmlichen Lexikon-Einstieg, so gehen
vergleichbare Einstiege über die Kategorien Ort (allgemein), Zeit
(allgemein) und Beruf (allgemein) im Prinzip über die Möglichkeiten
des gedruckten Pendants hinaus, da sie dessen primärem Ordnungsschema
entzogen sind. Es lassen sich etwa über die Kategorie Ort (allgemein)
theoretisch alle Künstler auflisten, die an dem entsprechenden Ort
geboren, gestorben bzw. erwähnt worden sind. Des weiteren sind
Verknüpfungen dieser Kategorie mit den Kategorien Beruf und Zeit für
spezifischere Suchanfragen möglich, wenn z.B. nur Architekten, Maler,
Stecher usw. eines begrenzten Zeitraums an einem bestimmten Ort usw.
ermittelt werden sollen. Damit ist eine Mehrdimensionalität in der
Suche erreicht, die in dieser Form konventionell nicht mehr mit
angemessenem Aufwand geleistet werden kann, wie folgendes Beispiel
illustriert:
Die Suche Freiburg* in der Kategorie Ort (allgemein) ergibt 543
Treffer für eine Künstlererwähnung mit Freiburg-Bezug; wählt man (im
Maskenmodus über Indizes) die Spezifizierung Freiburg (Breisgau),
reduziert sich das Ergebnis auf 276 Angaben. Werden diese Ergebnisse
über Verbindung mit der Kategorie Berufe (allgemein) weiter
eingeschränkt auf Nennungen von Malern in Freiburg, erhält man noch 65
Anzeigen; eine weitere Reduktion auf den Zeitraum 1450:1550 in der
Kategorie Zeit (allgemein) führt schließlich noch zu 12 Treffern. Über
die Kombination Freiburg (im Breisgau), Maler und 1500 in den
genannten Kategorien kann dann Hans Weiditz als ein zu diesem
Zeitpunkt in Freiburg tätiger Maler nachgewiesen werden; die
Suchanfrage "wer war zu welchem Zeitpunkt wo tätig" kann somit recht
bequem beantwortet werden. Auch bei diesem Aspekt ist freilich die
prinzipiell positive Aussage über Anlage und Leistungsmöglichkeiten
der IKD gleich durch Einschränkungen hinsichtlich der faktischen
Qualität vieler entsprechender Suchergebnisse einzuschränken. In
zahlreichen Fällen fehlen nämlich gerade die entscheidenden
Verbindungen zwischen den Kategorien Künstler und Ort und können damit
kein relevantes Rechercheergebnis zeitigen. Ein Beispiel soll dies
verdeutlichen:
Eine Suche in der Kategorie Ort unter St. Peter (Baden) führt den
Benutzer keineswegs auch zu einem Hinweis auf den Künstler Peter
Thumb. Umgekehrt zeigt eine Anwahl der Vollanzeige Thumb, Peter in der
Kategorie Künstler nur folgende geographische Verbindungen: Bezau als
Geburtsort, Konstanz als Todesort, Konstanz, Rheinau, Ebersmünster und
Ettenheimmünster als Erwähnungsorte. Damit wird der Benutzer aber
weder über den Künstlereintrag noch über die geographische Kategorie
zu den entscheidenden geographischen Angaben geführt: St. Peter, St.
Gallen, die Birnau usw. Hier führt der Verzicht auf eine angemessene
Erfassung der Informationen aus den vollen Lexikoneintragungen des
Thieme/Becker nicht nur zu einer in ihrer Quantität beschränkten
Information sondern auch zu einer erheblichen Einschränkung ihrer
Qualität.
Die allgemeinen Kategorien Name, Ort, Beruf, Zeit, die sich für den
ersten Sucheinstieg empfehlen, zeigen im Ergebnis immer das jeweils
erfaßte Gesamtmaterial an; sie können bei gezielteren Fragestellungen
auch direkt durch Suche in spezifischeren Kategorien ersetzt oder
durch Kombination mit diesen modifiziert werden. So kann etwa der
Bereich Berufe differenziert abgefragt werden nach künstlerischen und
sonstigen Berufen (und es kann auch in Kombination gesucht werden,
z.B. nach malenden Bibliothekaren: hier ergibt dann die Kombination
Maler und Bibliothekar 12 Treffer). Der Einstieg erfolgt in diesen
Fällen über Indizes, die z.B. bei den künstlerischen Berufen noch nach
Ober- und Unterbegriffen aufgefächert werden können. So kann zum
Oberbegriff Maler eine Liste von 242 (!) Unterbegriffen angewählt
werden, die in der Suche dann nicht nur Spezifizierungen wie
Miniaturmaler, Porträtmaler, Porzellanmaler, Ruinenmaler,
Stadtansichtenmaler, Vedutenmaler, Wildbretmaler etc. ermöglichen,
sondern auch Einschränkungen auf Ruinenmalerdilettanten,
Vedutenmalerdilettanten usw. (nicht allerdings auf
Stadtansichtenmalerdilettanten!). Der Eintrag Goethe, Johann Wolfgang
erfreut hier mit den folgenden Angaben zum künstlerischen Beruf:
Zeichnerdilettant, Radiererdilettant, Malerdilettant,
Kupferstecherdilettant; der anderer Beruf ist: Dichter.
Wir gehen auf die Anlage der Indizes deswegen so ausführlich ein, um
deutlich werden zu lassen, daß die Vorgaben Oberbegriffe,
Unterbegriffe einen deutlich höheren Anspruch erwecken, als ihnen
zukommt. Die Indizes/Listen bringen auf keiner Ebene normiertes
Vokabular, es liegt kein Thesaurus zugrunde. Während in vielen Fällen
wenigstens auf der Ebene der (sehr grobsystematischen) Oberbegriffe
von einem auch in seinen Extensionen allgemeingeläufigen
Begriffsverständnis ausgegangen werden kann (Architekt, Bildhauer,
Maler ...), macht die Ebene der Unterbegriffe sehr deutlich, daß das
Material nicht mehr normierten bzw. in ihren Definitionen klar
umrissenen Begriffen zugeordnet wurde, sondern daß es sich hier wohl
um freie, zum Teil auch willkürliche Wortbildungen (bis zu
stilistischen Blüten) aus dem Thieme/Becker handelt, die für die
CD-ROM-Version mechanisch und ohne Definitionshinterfragung bzw.
Normierung in die Indizes/Listen aufgenommen wurden. So läßt sich aber
auf dieser Ebene eine angemessene Begriffsauswahl und eine klarlinige,
exhaustive Recherche nur noch bedingt durchführen.
Interessant sind die kategoriellen Kombinationsmöglichkeiten bei
Recherchen für allgemeinere und umfangreichere
Künstlerlistenerstellung. So ergeben sich z.B. schöne Selektionen bei
der Kombination verschiedener Kategorien mit der Kategorie Geschlecht.
Ein Leichtes nun, Zusammenstellungen von Künstlerinnen ganz allgemein
oder in jeder beliebigen Spezifizierung zu erhalten (Malerinnen,
Malerinnen in Freiburg, Malerinnen des 19. Jahrhunderts usw.). Das
Feld tertiärer Vermarktung des Thieme/Becker steht somit offen.
Noch einige Anmerkungen zur technischen Seite.[3] Die IDK kann wahlweise
in den Menüsprachen englisch oder deutsch benutzt werden; für die
Recherche stehen sowohl ein Masken- als auch ein Expertenmodus zur
Verfügung. Für das Erlernen der Suchstrategien in der IDK wird sich
das Arbeiten im Maskenmodus empfehlen; die in der Maske angebotenen
Kategorien sind die oben genannten. Von wenigen Einzelaspekten
abgesehen, ist das beigefügte Handbuch eine gute und genügend
ausführliche Einarbeitungshilfe, auch für den ungeübten
CD-ROM-Benutzer. Sie ist allerdings auch nicht ganz unwichtig, weil in
Teilbereichen (z.B. Zeit-Kategorien) der Komfort von Suchstrategien,
die Menüführung und Ordnung der Indizes zu wünschen übrig läßt und
allzu sehr die "Technik" Abfolge und Denken bei der Recherche
bestimmt; auch die unabdingbaren Erläuterungen im Handbuch können dies
nicht kaschieren und lassen stellenweise den Verdacht aufkommen, als
wende sich die Datenbank in einzelnen Bereichen vor allem an
EDV-Freaks, die zufällig nichts gegen kunsthistorisches Datenmaterial
haben.
Nach guter Erprobung der Datenbank über den Maskenmodus ist die Arbeit
im Expertenmodus vollkommen problemlos. Es bleibt auch hier bei den
genannten Suchkategorien, nur können diese direkt eingeschrieben und
vielfältiger als im Maskenmodus über logische Operatoren miteinander
verknüpft werden. Der Bildschirm im Expertenmodus ist angenehm
gestaltet und hilft auch dem untrainierten Gedächtnis bei der Suche:
im dreigeteilten Bildschirm wird außer dem frei beschreibbaren
Eingabefeld ständig ein Feld mit allen Suchbegriffen und ihren Kürzeln
eingeblendet und im dritten Feld schließlich alle bisher
durchgeführten Suchanfragen aufgelistet. Sowohl im Masken- als auch im
Expertenmodus sind die über die Funktionstasten jeweils zu
erreichenden Arbeitsschritte in Leisten am Bildschirmrand i.a.
genügend klar definiert aufgeführt. Insgesamt muß der "technischen"
Aufbereitung der IDK und dem Begleitmaterial somit - trotz
Einschränkungen für Teilbereiche - gute Qualität bescheinigt werden.
Es bleibt dennoch zum Schluß die Frage nach dem Nutzen dieses
Informationsmittels zu stellen. Sicher erlaubt die IDK für
biographische Eckdaten - und, wie die aufgeführten Beispiele zeigen,
somit für einen letztlich recht begrenzten Fragetypus - eine
komfortablere und tiefergehende Datenerschließung als das gedruckte
Lexikon. Da jedoch für alle in das Leben und Werk eines Künstlers
weiterführenden Fragestellungen - und das wird im wissenschaftlichen
Bereich doch die häufigere Nutzung sein - der Weg unabdingbar
zurückführt zum gedruckten Thieme/Becker, fragt sich, wem dieses
komplexere Register, das die IDK letztlich nur darstellt, wirklich
dient. Wie schon im Begleithandbuch ausgeführt, wird mit dieser
Edition nicht nur der Wissenschaftsbereich anvisiert, sondern auch
entsprechende Sparten in der Wirtschaft: Auktionshäuser, Galerien usw.
Für diese wie auch für manche Verwaltungsbereiche dürften die Vorzüge
der IDK evident sein: bequeme Erstellung von Künstlerlisten und
Datenzusammenstellungen z.B. für geschäftliche Belange (Kataloge,
Verkaufslisten usw.), für lokalspezifische Fragen, Ermittlung von
Jubiläen, für lexikalische Tertiärverwertungen usf. Allerdings ist
auch hier anzumerken, daß die Anlage der Datenbank mehr verspricht als
letztlich die gespeicherten Daten halten können.
Ob sich - gerade mit Blick auf die Datenqualität - der Preis von ca.
3.600 DM für die Anschaffung der IDK auch für wissenschaftliche
Institutionen wie Bibliotheken und Museen (die i.a. zudem den
gedruckten Thieme/Becker in ihrem Bestand haben) lohnt, wird dagegen
in den meisten Fällen wohl mit einem Fragezeichen zu versehen sein.
Hier dürfte die IDK erst dann als vollwertiges und eigenständiges
biographisches Hilfsmittel interessant werden, wenn mit
fortschreitender Arbeit am AKL auch der aktuelle Forschungsstand und
die vollständigen Informationen in die Datenbank übernommen werden.
Als wirkliche Volltext-Datenbank mit allen entscheidenden Daten zu
Leben und Werk eines Künstlers wäre dann der Wert der IDK auch hier
positiv zu sehen. Im Augenblick ist aber die IDK eher ein zu teures
und nicht ganz vollwertiges "Abfallprodukt" des AKL-Unternehmens,
schön und bequem, aber in mancher Hinsicht zumindest für den Besitzer
des Thieme/Becker ein bißchen überflüssig.
Angela Karasch
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