Dafür gilt es, zuerst einen kurzen Einblick in die Typologie zu geben.
Dies ist auch mit der Tatsache zu begründen, daß bibliothekarischer
Rat des öfteren von Benutzern zur Entscheidungshilfe bei der Auswahl
bzw. beim Kauf eines Atlas herangezogen wird. Auf spezielle
kartographische Probleme (Projektionen, Darstellungsmethoden,
Produktionstechniken) soll jedoch nicht näher eingegangen werden,[1] und
lediglich dort, wo es erforderlich ist, werden die notwendigen
kartographischen Begriffe hinzugezogen. Soweit es der zur Verfügung
stehende Raum erlaubt, werden Unterscheidungs- und
Beurteilungskriterien an die Hand gegeben und an den hier
vorzustellenden Atlanten exemplifiziert.[2]
Atlanten können unterschieden werden nach
- territorialer Gliederung: Welt-, Regional-, Nationalatlas
- Zweckbestimmung: Schul-, Nachschlage-, Hausatlas
- Erscheinungsform: Schul-, Handatlas
- Inhalt: physischer, thematischer, thematischer Spezialatlas
wobei eine Zuordnung - wie die Beispiele zeigen - durchaus in mehrere
Gruppen gleichzeitig vorgenommen werden kann. Die richtige Zuordnung
erlaubt es dann auch, aus der Menge der Angebote den richtigen Typus
(Nachschlageatlas, Hausatlas, Planungsatlas etc.) herauszufiltern.
Die zunehmende kartographische Behandlung eines bestimmten Themas oder
Themenkomplexes hat eine kaum noch zu überblickende Menge von
Spezialatlanten zur Folge. Aber auch innerhalb eines Typus gibt es
erhebliche konzeptionelle Unterschiede bis hin zu Mischformen, die
sich nur schwer exakt zuordnen lassen. Zuletzt ist von Denk der
Versuch unternommen worden, ein Diagramm der Typen zu entwickeln, das
die Stellung und Zugehörigkeit untereinander darstellt.[3] Abgesehen von
einer regionalen Zuordnung werden in dieser zweiteiligen
Sammelbesprechung folgende Atlastypen vorgestellt: verschiedene
Nachschlage- und Hausatlanten (mit Übergangsformen), auf denen der
Schwerpunkt liegt, sowie im zweiten Teil, der in IFB 1 (1993),4
erscheint, je ein Regionalatlas, ein komplexer Nationalatlas, ein
nationaler Reiseatlas und ein nationaler Satellitenbildatlas.
Gerade im Bereich der klassischen Weltatlanten hat sich in den letzten
Jahren ein Wandel vollzogen. So werden nicht mehr nur physische und
politische Karten, ergänzt durch einzelne thematische Weltkarten, in
einem Atlas zusammengestellt, sondern das Angebot durch umfangreiche
Themenkarten, statistische und lexikalische Informationen über die
Erde und/oder Satellitenbilder erweitert. Neben der kartographischen
Qualität und Zuverlässigkeit treten also andere Aspekte für die
Entscheidung hinzu, welchen Atlas man bevorzugt. Unabhängig von der
kartographischen oder thematischen Ausstattung stellt darüber hinaus
die Qualität des Erschließungsteils ein für die Beurteilung wichtiges
Kriterium dar, das zudem leicht zu handhaben ist. Zum
Erschließungsteil gehören: a) das Inhaltsverzeichnis, b) Indexblätter[4]
und c) das Register.[5] Letzterem kommt die größte Bedeutung zu und hier
liegt auch der für die bibliothekarische Arbeit wichtigste Punkt. Da
zu erwarten ist, daß das Register alle geographischen Namen, die im
Kartenteil vorkommen, verzeichnet, hat ein Atlas nicht zuletzt auch
die Funktion eines internationalen Nachschlagewerks für geographische
Namen. Dieser Aspekt ist deswegen relevant, weil in einer Bibliothek
nicht von jeder Region oder jeder Nation ein Ortslexikon zur Verfügung
stehen kann. Über die Verzeichnung von Orten hinausgehend
berücksichtigen die Register in der Regel alle geographischen
Einzelerscheinungen, d.h. zusätzlich auch Landschafts- oder Flurnamen,
verwaltungsräumliche Benennungen, Gebirge, einzelne Berge, Flüsse oder
Seen. Die Menge der Einträge ist dabei abhängig von der
Informationsdichte der Karten und diese wiederum vom Maßstab. Atlanten
können - einen entsprechenden Maßstab vorausgesetzt - auch für die
Ansetzung von Ortsnamen oder Landschaftsbegriffen bibliothekarische
Dienste tun. Aber auch hier gibt es wiederum eine verwirrende
Vielfalt, die sich einerseits durch die im Register bevorzugte
Reihenfolge der Namen (z.B. Ortsname vor Nicht-Ortsname), vor allem
aber durch die gewählte Schreibweise eröffnet. Bevorzugen einige
Atlashersteller die deutsche Schreibweise aller Ortsnamen, so folgen
andere den Empfehlungen der Unesco.[6] Die damit verbundene Problematik
mag beispielhaft verdeutlicht werden: Während die somalische Stadt
Belet Huen in dieser Schreibweise in den deutschen Medien präsentiert
wird, ist ihre Ansetzung in Atlanten mit internationalem Anspruch in
den Schreibweisen Belet Uen, Beled Weyne oder Beledweyne anzutreffen.
Ebenso streben einige der nach Autarkie drängenden Provinzen oder
Regionen die offizielle Ortsnamensansetzung in ihrer eigenständigen
Sprache an, z.B. Girona (katalanisch) statt Gerona (spanisch). In
kritischen Fällen sollte in einem Atlas mit Verweisungen gearbeitet
werden.
Die Grenzen des bibliothekarischen Nutzens werden in erster Linie vom
Maßstab gesetzt. Inoffizielle Landschaftsnamen oder Gebiete auf
unterer Verwaltungsebene sind in einem internationalen Weltatlas
schwerlich zu finden. Gilt es beispielsweise, ein Buch über den Norte
Grande (in Chile) zu klassifizieren, wird die Suche in einem Weltatlas
ebenso erfolglos bleiben wie die Suche nach Baix Empordá (katalanische
Verwaltungseinheit, in katalanischer Sprache). In derartigen Fällen
ist gegebenenfalls auf National- oder Regionalatlanten bzw.
Länderkunden auszuweichen.
Die politischen Ereignisse der letzten Jahre haben die Endlichkeit von
Staatsgebilden und ihrer Grenzen wieder in unser Blickfeld gerückt.
Die Herausgeber von Karten und Atlanten reagierten prompt, so daß eine
Fülle aktualisierter Neuauflagen - meist ohne konzeptionelle
Änderungen - aber auch gänzlich neue Atlanten auf den Buchmarkt
gelangten.
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