Der Index général bietet ein ineinander gearbeitetes Personen-,
Orts- und Sachregister; ein Initienregister wird - wie überhaupt in den
Einzelbänden des Catalogue général, der nicht auf die Besonderheiten
mittelalterlicher Handschriften zugeschnitten ist - nicht geboten. Die
Einträge wurden unter der Leitung von Michel Popoff (Bibliothque
Nationale) von einer großen, auf dem Titelblatt nicht vollständig
aufgeführten Gruppe von Mitarbeitern erstellt und in eine Datenbank
eingegeben. Bewußt sind die Einzelbeschreibungen in den Katalogen und
nicht die Register der Einzelbände dem Index général zugrunde gelegt
worden. Einerseits sollten auf diese Weise die veralteten Katalogisate
neuen Forschungserkenntnissen und -bedürfnissen angepaßt werden.
Andererseits wurde durch diese Maßnahme eine Vereinheitlichung
angestrebt, da für die Kurzbeschreibungen (in der Regel Bestimmung von
Autor und Inhalt sowie Angaben zu Datierung, Beschreibstoff,
Blattzahl, Maßen, Einband und Provenienz) niemals Richtlinien erlassen
worden sind und somit in Umfang und Genauigkeit große Schwankungen
auftreten können.[2] Daß dabei, wie in der als Benutzungsanleitung allzu
knappen Einleitung bereits entschuldigend angedeutet wird, trotz aller
Bemühungen um eine nachträgliche Vereinheitlichung der so
zusammengetragenen Informationen und um eine möglichst genaue
Identifizierung von Personen, Orten und Sachen Fehler und Mängel
unvermeidbar sind, ist angesichts des Registerumfangs nur zu
verständlich.
Die ca. 184.100 Lemmata (mit bis zu zwei Unterbegriffen) sind durch
Fettdruck bzw. - im Fall fremdsprachiger Titel - in Kursivschrift von
den darauf folgenden Nachweisen abgesetzt. Wohl weil in vielen Bänden
des Catalogue général mehr als eine Sammlung beschrieben wird und weil
ein erkennbarer Hinweis auf die Bibliotheksheimat erhalten bleiben
sollte, wurde auf die aus Benutzersicht vorteilhaftere Angabe von
Katalogband und Seite oder laufender Katalognummer verzichtet.
Stattdessen setzen sich die Nachweise aus einem kursiv gedruckten
Code, der eine Stadt als Bibliotheksstandort bezeichnet, und den in
Normalschrift aufgelisteten Katalognummern zusammen.[3] Die ersten
Ziffern der bis zu fünfstelligen Codes stimmen mit den geläufigen
Codes du département überein, während nachgestellte Buchstaben die
Sammlungen genauer als Stadt- oder Universitätsbibliothek, Archiv oder
Sondersammlung identifizieren. So muß der Benutzer den Umweg über zwei
jedem Registerband beigegebene Listen nehmen, von denen die eine
numerisch nach Chiffren und die andere alphabetisch nach Orten
geordnet ist, um die Codes zu entschlüsseln bzw. um eine gesuchte
Bibliothek zu codieren. Das für den Benutzer entscheidende Verzeichnis
mit den Bandnummern, in denen eine Bibliothek ursprünglich und in
Nachträgen erschlossen wurde, wird nicht zur Verfügung gestellt,
obwohl es aus den neuesten Katalogen hätte übernommen werden können.
Unerfreulich an dieser die Benutzung erschwerenden Verweisform ist
ebenfalls, daß die aufgelisteten Nachweise nicht gut lesbar sind; die
kursiv gesetzten Codes für die Bibliotheken springen nicht ins Auge
und sind nur bei großer Konzentration von den in Normalschrift
gedruckten Katalognummern unterscheidbar.
Namen sind dem modernen französischen Sprachgebrauch entsprechend
angesetzt, doch empfiehlt es sich, dem im Vorwort gegebenen Rat zu
folgen und immer zusätzlich unter den möglichen sprachlichen Varianten
nachzuschlagen. Die ebenfalls im Vorwort angekündigte hierarchische
Anordnung gleichlautender Personennamen ("interclassement sur les
saints, papes, empereurs, rois etc.") ist trotz einer manuellen
Redigierung der in die Datenbank eingegebenen Informationen nicht
systematisch durchgehalten worden (dies gilt vor allem für häufig
verwendete Namen wie Charles, Guillaume, Henri u.a.). Vielmehr wird
z.B. bei den auf die Bischöfe folgenden Würdenträgern zu einer
alphabetischen Gliederung übergegangen, so daß Personen mit dem Titel
duc hinter den Grafen (comte) und Eigennamen mit dem Artikel de
eingeordnet wurden; in komplizierten Fällen (Index général, Bd. 1, S.
448 - 449, Stichwort Charles) ist eine logisch strukturierte Abfolge
nicht mehr erkennbar. Für die Ansetzung der durch Ordnungszahlen
unterschiedenen, gleichnamigen Amtsnachfolger war teilweise der Titel,
teilweise die strikt alphabetische, sich nach den Ordnungszahlen
richtende Einordnung maßgebend; so etwa sind die unsystematisch
zerstreuten Einträge zu Guillaume, duc d'Aquitaine aus drei
verschiedenen "Nestern" auf einer Seite (Index général, Bd. 2, S. 910)
zusammenzusuchen. Wegen der vielen am Register beteiligten, wohl nicht
immer gleichmäßig gut eingewiesenen Mitarbeiter sowie wegen der
genannten Uneinheitlichkeit der oftmals veralteten Katalogisate treten
Unregelmäßigkeiten gerade bei den das Sachregister betreffenden
Lemmata auf; der Benutzer sollte Flexibilität und eine gewisse
Findigkeit besitzen, um durch eine Vielzahl relevanter Stichwörter und
durch die variierte Anordnung von Ober- und Unterbegriffen zu einer
umfangreichen Nachweisliste zu gelangen.
Leider erfährt man erst bei der Lektüre des Vorwortes, daß der Titel
des Werkes zuviel verspricht. Obwohl in den Index général 289
Bibliotheken bzw. 368 Fonds eingegangen sind, steht dieser
beeindruckenden Meldung das Eingeständnis gegenüber, daß - ebenso wie
auf die Berücksichtigung von Bibliotheken der ehemaligen algerischen
Départements und der nicht ohne weiteres zugänglichen Sammlungen
wissenschaftlicher Gesellschaften - auf die Bearbeitung aller
Sammlungen in Paris und Umgebung verzichtet wurde.[4] Das Argument, eine
solche Vollständigkeit hätte den Umfang des Index général und damit
seine Handlichkeit beeinträchtigt,[5] überzeugt nicht.
Während man hier offensichtlich aus zeitökonomischen Gründen den
Vorwurf der Unvollständigkeit bewußt in Kauf nahm, deutet die
Beobachtung, daß nicht alle Suppléments ausgewertet worden sind, auf
eine eklatante Nachlässigkeit oder einen Fehler bei der
Computerprogrammierung (?). Nicht in den Index général eingegangen
sind z.B. die Nachträge zu Besanon (Catalogue général, Bd. 45), St.
Dié (Bd. 43), Troyes (Bd. 43), Dijon (Bd. 58), Rouen (Bd. 43 und 48)
und Nancy (Bd. 46). Diese auf Zufallsfunden beruhende Liste warnt
davor, selbst von dem Index général in seiner um die Pariser Bestände
reduzierten Form Vollständigkeit erwarten zu dürfen.
Unter Berücksichtigung der festgestellten Mängel wird der Index
général dennoch zu einem unerläßlichen Arbeitsinstrument werden, das
vor allem über das Personen- und Ortsregister einen Einstieg in die im
Catalogue général zusammengetragenen, unermeßlichen Informationen
bietet. Durch dieses Hilfsmittel, das erstmals eine umfassende und
gezielte Suche ohne das umständliche Durchblättern aller Register in
den einzelnen Katalogbänden erlaubt, wird der Zugriff auf die in den
französischen öffentlichen Bibliotheken lagernden handschriftlichen
Bestände immerhin erheblich erleichtert und somit der Forschung in
gewissem Sinn überhaupt erst zugänglich gemacht.
Nahezu gleichzeitig (im September 1993) mit dem Index général wurde
der Gesamtindex mittelalterlicher Handschriftenkataloge öffentlich
zugänglich.[6] Die DBI-LINK-Datenbank Handschriften des Mittelalters
steht externen Anfragen als eine Dienstleistung des Deutschen
Bibliotheksinstituts als Datenbankproduzenten und der
Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer
Kulturbesitz als Datenlieferanten in der Form eines online-abfragbaren
Auskunftssystems zur Verfügung - und das vorerst kostenlos. Solche
weltweit zugänglichen Datenbanken sind im Bereich der
mittelalterlichen Handschriftenbeschreibung und -erschließung noch
eine Seltenheit; ihre Benutzung birgt Probleme, von denen einige sich
gerade im Vergleich zwischen dem gedruckten französischen Index
géneral und dem vorerst nur als Datenbank zugänglichen deutschen
Gesamtindex verdeutlichen lassen.[7]
Die Erschließung mittelalterlicher Handschriften wird in Deutschland
erst seit ca. 1960 als ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
gefördertes Projekt gezielt vorangetrieben. Obwohl ein Abschluß des
Unternehmens noch nicht absehbar ist,[8] wurde bereits seit 1978 in
Freiburg i.Br. an einem Gesamtregister gearbeitet; diese Aufgabe ist
1988 der Handschriftenabteilung an der Staatsbibliothek zu Berlin
übertragen worden. Die dort eingerichtete Datenbank soll die Register
der seit 1945 in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR
erschienenen Kataloge zusammenführen, und zwar unter Einschluß des
derzeit als Depositum in der Staatsbibliothek zu Berlin liegenden, von
der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften verwalteten
Handschriftenarchivs der früheren Deutschen Kommission bei der
Preußischen Akademie der Wissenschaften. Im Gegensatz zum Index
général handelt es sich somit nicht um ein anhand der
Einzelkatalogisate neu erstelltes Gesamtregister, sondern um eine
Kumulierung in Form eines Kreuzregisters der in den einzelnen
Katalogbänden enthaltenen, detaillierten Personen-, Orts- und
Sachregister sowie der Initienregister.
Als Datenbank setzt der Gesamtindex bei dem Benutzer ein hohes
Bewußtsein von den mit ihrer Erstellung und ihrer Benutzung
verbundenen Problemen voraus; nur dann wird er zu befriedigenden und
vollständigen Ergebnissen bei seinen Recherchen gelangen. Denn die
Informationen werden ihm nicht mehr - wie im dreibändigen Index
général - vollständig in die Hand gegeben; der Erfolg hängt vielmehr
von der gestellten Frage ab.[9] Der Benutzer sollte daher wissen, daß
der sog. Gesamtindex nur einen Ausschnitt aus den in Deutschland
aufbewahrten Handschriften bietet. Er spiegelt auch nicht den
aktuellen Stand der bisher erschienenen Handschriftenkataloge wider,
sondern erfaßt mit seinen ca. 165.000 Kreuz- und ca. 79.000
Initienregistereinträgen lediglich 92 Kataloge vollständig. Weitere 50
Kataloge stehen auf der Warteliste, deren Abarbeitung wohl auf sich
warten lassen wird, da die finanzielle Lage bisher nur die Einstellung
von Werkstudenten zur Dateneingabe ermöglicht hat. Der Benutzer sollte
unbedingt zur Kenntnis nehmen, daß die 1992 erschienenen Richtlinien
Handschriftenkatalogisierung zwar eine normierte Gestaltung der
Register vorschreiben, daß diese Vereinheitlichungsbestrebungen aber
erst das Resultat der aus der maschinellen Registerkumulierung
gewonnenen Erfahrungen darstellen.[10] Da die bisher gedruckten Register
bei der Eingabe in die Datenbank nicht normiert oder redigiert worden
sind, muß der Benutzer mit großen Abweichungen bei der Ansetzung von
Autorennamen und Werktiteln rechnen und diese Varianten kennen. Ihm
muß ferner bewußt sein, daß insbesondere bei Namen und volkssprachigen
Initien große Unterschiede in der Orthographie möglich sind. Um mit
der Datenbank kommunizieren zu können, muß der Benutzer die
Retrievalsprache GRIPS-R und ihre Befehle beherrschen; er muß wissen,
was Boole'sche Operatoren sind und wie Suchbegriffe trunkiert oder
maskiert und wie Recherchen mit Kontextoperatoren angestellt werden
können. Obwohl das DBI kostenlos die oben aufgeführte, von Traute
Braun bearbeitete, übersichtliche und leicht verständliche
Benutzungsanleitung zur Verfügung stellt,[11] zeigt gerade die
umfangreiche Beispielsammlung mit der "Vielzahl raffinierter
Abfragemöglichkeiten"[12] exemplarisch auf, welcher Einarbeitung und
Routine es zur optimalen Nutzung der Datenbank bedarf.
Die Datenbank konfrontiert den Anfragenden also zunächst mit
erschwerten Benutzungsbedingungen. Sie setzt "intelligente" Benutzer
voraus, die mit den in ihr gespeicherten Registereintragungen und
ihren Problemen sowie mit der Retrievalsprache und ihren Möglichkeiten
vertraut sind; eine ergänzende Ausgabe zumindest auf Mikrofiche bleibt
daher unerläßlich. Die Vorteile der Datenbank insbesondere im Bereich
der komplexen Sach- und Initienregister zeichnen sich aber schon jetzt
deutlich ab. Die verschiedenen Verknüpfungen von Suchbegriffen
verkürzen die für eine Recherche aufgewendete Zeit und erlauben es,
selbst bei abweichendem Wortlaut und veränderter Wortabfolge im Kern
übereinstimmende Textanfänge aufzufinden und dadurch Texte
nachzuweisen oder zu identifizieren. Dieser Anwendungsbereich wird den
Spezialisten und den Handschriftenbearbeitern vorbehalten bleiben.
Darüber hinaus aber - und dieser Aspekt scheint noch nicht angedacht
worden zu sein - bietet der Gesamtindex auch ungeahnte Möglichkeiten
zu statistischen Nachweisen, etwa für Benutzung bzw. Erfolg bestimmter
Textsorten und ihrer zeitlichen Streuung.[13]
Die beiden hier behandelten Gesamtregister verdeutlichen exemplarisch
ein grundsätzliches Problem: Während einerseits dem Wissenschaftler
und dem Forschenden ein zuverlässiges Arbeitsinstrument zur Verfügung
gestellt werden soll, wird andererseits die Erstellung der Register
unqualifiziertem und mit der Materie nicht vertrautem Personal
überlassen. Die unsystematische Nachredigierung des Index général ist
wahrscheinlich das Resultat einer solchen Konstellation. Sie weisen
außerdem auf die fundamentale Bedeutung einer Normierung der in ein
Gesamtregister eingegebenen Daten hin, um die Benutzung zu
vereinfachen und die Rechercheergebnisse zu optimieren. Für die
Kataloge mittelalterlicher Handschriften in Deutschland existieren
solche für die Bearbeiter und somit für die Benutzer verbindliche
Richtlinien, die auch eine nachträgliche Anpassung der bereits in den
Gesamtindex eingegangenen Einträge erlauben. Index général und
Gesamtindex lassen schließlich die jeweiligen Vorteile einer
alphabetisch geordneten Gesamtausgabe und einer zu
felderübergreifenden Suchabläufen befähigten Datenbank erkennen, die
noch dazu jederzeit oder bei Bedarf aktualisierbar ist.
Christine Sauer
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