Nicht umsonst bezeichnet sich das erfolgreichste neuere Wörterbuch
dieser Art als Lexikon und stammt auch nicht von einem
Sprachwissenschaftler, sondern von dem emeritierten Freiburger
Volkskundler Lutz Röhrich. Daß dieses zuerst 1973 unter dem Titel
Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten erschienene Nachschlagewerk
bis 1983 nicht weniger als fünf (unveränderte) Auflagen erlebte und
dazu noch in einer gleichfalls unveränderten Taschenbuchausgabe
erschien, die es gleichfalls auf fünf Auflagen brachte, läßt in der
Tat auf ein breites Interesse schließen, das sich kaum allein mit dem
Interesse von Sprachwissenschaftlern erklären läßt. Die zweite,
wesentlich erweiterte Auflage bezeichnet der Verlag freilich nicht als
solche, sondern wählt lieber den Zusatz des Adjektivs groß, ein Wort,
das die Werbeabteilungen bei den Titelfassungen von Nachschlagewerken
gerne einsetzen, in der Hoffnung, den Kunden recht zu beeindrucken.
Dem Vorwort ist zu entnehmen, daß die Zahl der Eintragungen um ca. 50%
zugenommen hat und der Waschzettel gibt die Gesamtzahl mit "etwa
15.000 Redensarten" an. "Aufgenommen wurden vorzugsweise
sprichwörtliche Redensarten, die einer kulturhistorischen Herleitung
bedürfen", was den bereits angedeuteten anderen, nicht primär
sprachlichen Ansatzpunkt dieses Nachschlagewerks belegt, der sich auch
in der starken Bebilderung manifestiert, geht es doch dem Verfasser
eingestandermaßen auch darum, "insbesondere durch historische
Illustrationen .... auch 'ad oculos' (zu demonstrieren), was
Kerbhölzer, Daumenschrauben oder Scheuklappen eigentlich sind" (S.
11). Diesem vornehmlich sach- und nicht sprachorientierten Aspekt
dienen auch die vielen Artikeln beigegebenen, z.T. langen
Literaturhinweise sowie eine ca. 1500 Titel umfassende, sachlich
gegliederte Bibliographie am Ende von Band 3, die der in den USA
wirkende Wolfgang Mieder,[2] beigesteuert hat, dem wir die wichtigsten
neueren umfassenden Bibliographien zur Parömiologie verdanken.[3] Das
Bemühen um die historische Herleitung schließt keineswegs die
Berücksichtigung der Gegenwartsidiomatik aus, manifestiert in
sprichwörtlichen Redensarten, die z.B. aus der Sprache der Werbung
oder der Jugendsprache stammen; berücksichtigt sind auch
"Anti-Sprichwörter", also insbesondere Parodien auf die Autorität
beanspruchenden, aus der Ethik der Leistungsgesellschaft stammenden
Redensarten, wie Arbeit adelt - wir bleiben bürgerlich. Die
Neubearbeitung berücksichtigt auch stärker als die Vorauflage
"fremdsprachliche Parallelen, insbesondere aus dem Französischen und
Englischen" sowie Belege aus den deutschen Mundarten. Der Anhang von
Band 3 enthält außer der genannten Bibliographie auch den
Abbildungsnachweis sowie ein Register der Stichwörter mit Markierung
der Hauptstellen und des Vorkommens innerhalb anderer Artikel,
allerdings ohne Berücksichtigung fremdsprachiger Begriffe.
Mit dem Duden "Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten"
übersteigt Der Duden in 10 Bänden : das Standardwerk zur deutschen
Sprache, wie er sich in der jedem Band beigegebenen Übersicht selbst
bezeichnete, die seit Jahren geltende Beschränkung auf ebendiese 10
Bände und springt gleich um zwei Zähler auf Der Duden in 12 Bänden,
dessen Band 12 Ende 1992 noch angekündigt, inzwischen auch bereits
erschienen ist. Er verzeichnet (gleichfalls lt. Werbung) "über 10.000
feste Wendungen, Redensarten und Sprichwörter, die im heutigen Deutsch
verwendet werden". Obwohl auch hier die "Erläuterungen zur Herkunft
... interessante Einblicke in älteres Brauchtum und
kulturgeschichtliche Entwicklungen" bieten, sind diese sachlichen
Erläuterungen, die dazu am Schluß der Lemmata mit einer markierenden
Raute zusammengefaßt sind, den sprachlichen Erläuterungen durchaus
untergeordnet, wie es dem innerhalb des Duden erscheinenden Band auch
gemäß ist. Zur Erläuterung dienen teils Beispiele, teils mit
Quellenangabe versehene Belege aus den im Anhang aufgeführten Werken.
Verweisungen sind in das Alphabet selbst eingearbeitet, wobei die
langen "Nester" mit Verweisungen von Verbindungen aus Verben mit
Substantiven auffallen, so z.B. unter haben, die nichts mehr
beinhalten, als eine Verweisung auf das jeweilige Substantiv; hier
hätte wohl auch ein genereller Hinweis in der Benutzungsanleitung
genügt, und selbst wenn diese ein Benutzer nicht konsultieren sollte,
wird er automatisch unter Haschmich nachschlagen, wenn er unter dem
Verb der Wendung einen Haschmich haben nichts findet.
Als knappes Beispiel, das die Unterschiede beider Wörterbücher
illustriert, sei das Lemma Bündel reprodzuiert (Röhrich, Bd. 1, S.
280, DudenRed. S. 36):
Beispiel (derzeit nur in der Printform von IFB)
Fazit: Für die tägliche Arbeit unter sprachlichem Aspekt wird man
sicherlich zum DudenRed. greifen und den Röhrich zur vertiefenden
Recherche, insbesondere auf die hinter den Redensarten stehenden
Realien heranziehen, ist doch letzterer auch im Selbstverständnis
seines Verfassers nicht nur dazu da, daß man in ihm "nachschlagen
kann, sondern auch zum Vergnügen sich festlesen soll" (S. 21).
sh
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