Im ersten Abschnitt des Kapitels Literarisches Leben werden Forschungseinrichtungen angeführt, überwiegend solche an den Hochschulen. Die Einträge sind bald kurz, bald lang; einige bieten nur die Adresse, andere führen auch die Hochschullehrer an, wieder andere nennen sogar zahlreiche (auch unselbständig erschienene) Publikationen von Mitarbeitern. Weil das konzeptionelle Denken ganz und gar dem Computer überlassen worden ist, purzeln die Einträge wie Kraut und Rüben: Zwischen Abteilung Germanische Sprachwissenschaft [Heidelberg] und Abteilung Neuere Deutsche Literaturwissenschaft [Heidelberg] schieben sich Abteilung Mediävistik [Tübingen] und Abteilung Neuere Deutsche Literaturwissenschaft [Tübingen]. Kein Alphabet der Universitätsorte, sondern alles nach der zufälligen Form des Briefkopfes (Lehrstuhl, Fachbereich, Institut, Forschungsstelle usw. für ...) sortiert. Ordnung nach dem Ortsalphabet allein hätte schon genügt, um im Abgleich mit einem Hochschulverzeichnis auch die Lücken hervortreten zu lassen. - Ähnliches gilt für den Abschnitt Bibliotheken. Unter den wissenschaftlichen fehlt z. B. die UB Mainz.
Offensichtlich hat kein durchdachter Erhebungsbogen vorgelegen, Redaktionsarbeit ist nicht geleistet worden. Man hat genommen, was man bekommen und wie man es bekommen hat. Überall größte Sorglosigkeit im Umgang mit Details: der Heidelberger Germanist Arthur Henkel wird zu Arthus Hernkel, sein Saarbrücker Kollege Gerhard Sauder zu Sauter, längst Verstorbene (z. B. Rainer Gruenter) werden aufgeführt; die Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte wird zur Vierteljahresschrift ...; etliche literaturwissenschaftliche Zeitschriften werden aufgeführt, ausgerechnet das auf Wissenschaft und Unterricht gleichermaßen orientierte Periodikum Wirkendes Wort fehlt. Personen werden bei den Institutionen mal mit, mal ohne Vornamen genannt, gelegentlich ersetzt der akademische Titel den Vornamen. Einrichtungen, deren Träger juristische Personen sind, werden selbst als solche bezeichnet usw. usw.
Am Beispiel der ja schon nicht mehr ganz so jungen Stiftung Weimarer Klassik läßt sich zeigen, daß neben der Aktualität auch jeder Sinn für Proportionen fehlt. Der Präsident ist noch unbekannt, dafür wird die Leiterin des Museumsbereiches bei jedem einzelnen Gartenhäuschen aufgeführt, das zum großen Weimarer Museumskomplex gehört. Nirgendwo ist ein Redaktionsschluß angegeben. Wenn es aber im Titel "93/94" heißt, darf man doch wohl erwarten, daß z. B. Hans Heigert nicht mehr als Präsident des Goethe-Instituts oder der Spanier José Vidal-Beneyto, der 1991 den Europarat verlassen hat, nicht mehr als dessen Direktor für Erziehung, Kultur und Sport genannt werden.
Werfen wir einen Blick auf den Abschnitt Zeitungen im Kapitel Literatur in den Medien. Die Mehrzahl der rund 200 angeführten Feuilleton- und Kulturredaktionen hat - wenn man der hier gewählten Darstellung folgt - keine Aufgabe, wird doch nur einigen, etwa dem Deutschen allgemeinen Sonntagsblatt oder der Rheinpfalz, eine eigene Rubrik "Aufgaben" hinzugefügt - mit so erhellenden Angaben wie "Berichterstattung zu Kunst und Kulturpolitik".
Ein Publikationenregister verstimmt durch sortierende Artikel, mehr noch durch den Aberwitz, im Textteil mit Autorennamen angeführte Publikationen aus der Arbeit von Instituten nunmehr unter dem Sachtitel aufzuführen: also z. B. "Die persischen Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg" (unter "Die"; zu schweigen davon, daß der thematische Zusammenhang mit dem literarischem Leben in der Bundesrepublik hier wie in zahllosen analogen Fällen unerfindlich bleibt!) oder "Zwei plattdeutsche Briefe von E. Schmelzkopf an Klaus Groth" (eine 4 Seiten umfassende Miszelle in der Jahresgabe der Klaus-Groth-Gesellschaft von 1991) und vieles andere mehr.
Was erwartet man von einem Ortsregister? Zuallererst doch wohl ein Alphabet nach Orten! Hier findet man: 60 Seiten Register nach neuen Postleitzahlen mit einigem Unterhaltungs-, aber keinem Informationswert: Loßburg - Albstadt - Münsingen, Bautzen - Zittau - Görlitz; so o. ä. lauten die Reihenfolgen der Einträge. An einem Ort, aber in verschiedenen PLZ-Bereichen angesiedelte Einrichtungen werden gerade nicht zusammengeführt.
Eine Lachnummer en suite ist das Personenregister: immer wieder
Mehrfacheintragungen (bis zu drei!), z. B. durch Mitsortierung von
völlig entbehrlichen Zusätzen, Einträge, die auf keine Nummer
verweisen![1]
Der als Herausgeber zeichnende Deutsche Kulturrat wäre angesichts der
öffentlichen Förderung des Unternehmens und angesichts darbender
seriöser Projekte gut beraten gewesen, dies Buch nicht zu
veröffentlichen. Für den täglichen Bedarf sind die einschlägigen
Kapitel zum literarischen Leben in Blinns Informationshandbuch
deutsche Literaturwissenschaft[2], in Kürschners Literaturkalender
- den, ausgerechnet den findet man hier nicht! - u. ä. Hilfsmitteln
ausreichend und verläßlicher.
Hans-Albrecht Koch
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