Mit ihrer Hausarbeit an der FHBD lenkte Andrea Kullik erneut[1] und in
einer zusammenfassenden Darstellung das Augenmerk auf eine besondere
Publikationsform, die in den letzten Jahren von zunehmender Bedeutung
auch für die wissenschaftlichen Universalbibliotheken wurde und dabei
in verschiedenen Bereichen bibliothekarischer Praxis
(bibliographischer Nachweis, Erwerbung, Informationsvermittlung usw.)
die Berücksichtigung von Eigengesetzlichkeiten erforderte, ohne daß
immer geeignete Hilfsmittel und Verfahrensweisen zur Verfügung
standen. Am Beispiel kunsthistorischer Ausstellungskataloge zeichnet
die Autorin nach versuchter allgemeiner Begriffsbestimmung und einem
historischen Abriß der Entwicklung der Gattung seit dem 18.
Jahrhundert die Entstehungsbedingungen des modernen
Ausstellungskatalogs nach 1945 nach, versucht eine typologische
Bestimmung, arbeitet den besonderen Wert von Ausstellungskatalogen
innerhalb des kunstwissenschaftlichen Fachschrifttums heraus und geht
schließlich in einem Kapitel Ausstellungskataloge in
Spezialbibliotheken und wissenschaftlichen Universalbibliotheken auch
ausführlicher auf die verschiedenen bibliothekarischen Aspekte ein.
Sie zeigt insgesamt mit Deutlichkeit auf, daß "der Ausstellungskatalog
... seine Jahrhunderte währende, traditionelle Zweckbestimmung, dem
Besucher als informativer Führer durch die Ausstellung zu dienen, in
den Jahren nach 1945 teils aufgegeben, teils zugunsten anderer
Funktionen in den Hintergrund gestellt [hat]", daß "die Entwicklung
vor allem der letzten 10 Jahre ... gezeigt [hat], daß das Pendel mehr
und mehr zugunsten des rein fachwissenschaftlichen
Ausstellungskatalogs ausgeschlagen ist, ... daß er zum schnellsten und
sichersten 'Umschlagplatz' für kunsthistorische Fachpublikationen
geworden ist" (S. 80).[2]
Mit Blick auf den (nicht nur quantitativ) deutlich gewachsenen
Stellenwert von Ausstellungskatalogen innerhalb des kunsthistorischen
Fachschrifttums verweist Kullik zu Recht auf die Mißlichkeit des
Fehlens eines zentralen Nachweises von Ausstellungskatalogen und
mangelnder bibliographischer Verzeichnung trotz der Sammelaktivitäten
und Bestandsnachweise von Spezialbibliotheken und wissenschaftlichen
Bibliotheken mit besonderem Auftrag (Sondersammelgebietsbibliotheken,[3]
Pflichtexemplarbibliotheken usw.) (S. 59 f.). Aus unserer Sicht ist
gerade auch für den Informationsbereich als erschwerender Aspekt die
oft sehr große Verzugszeit bei der Verzeichnung von Katalogen zu
unterstreichen. Der Mangel an schnellen und umfassenden Nachweisen für
Ausstellungskataloge führte zwar zum Entstehen formbezogener
Sonderverzeichnisse wie etwa der Worldwide bibliography of art
exhibition catalogues, doch konnte u.E. dieser Mangel dadurch nicht
umfassend behoben werden.[4] Zwar sieht Kullik (gerade für den
Erwerbungsbereich) in Ausstellungskalendern, Buchhandelsverzeichnissen
und Bibliographien durchaus brauchbare Informationsquellen, doch wird
man ihrer Bewertung dieser Hilfsmittel aus der Praxis nicht immer
folgen können. So ist der bloße Kataloghinweis in
Ausstellungsverzeichnissen wie dem Belser Kunstquartal[5] sicher im
Sinne eines reinen Existenznachweises im allgemeinen "zuverlässig"
aber eben doch unzureichend, fehlen doch gerade die für
Erwerbungszwecke nicht unerheblichen Hinweise auf Autoren/Herausgeber,
auf parallele Buchhandelsausgaben, Preise, Umfang etc. Die meisten der
anderen von Kullik genannten Verzeichnisse wie z.B. Ausstellungslisten
und Besprechungen in Fachzeitschriften[6] und Nachweise in
(Spezial-)Bibliographien sind in sehr vielen Fällen als
Erwerbungsunterlagen ungeeignet, da sie viel zu spät erscheinen.
Spezialisierte Buchhandlesverzeichnisse[7] beschränken sich dagegen
häufig auf "Bestseller" (profitable Kataloge, S.62) und/oder
reduzieren die Angaben, um eigene Verkaufschancen besser zu wahren.
Aus unserer Sicht bleiben daher in der Regel für eine schnelle und
somit insbesondere bei Publikationen außerhalb des Buchhandels
erfolgreiche Katalogerwerbung nur die Besprechungen der Tagespresse
als Informationsquelle (mit in den letzten Jahren deutlich
gesteigertem, wenn auch im Einzelfall immer noch stark schwankendem,
bibliographischem Wert, aber eben auch mit der Möglichkeit der
Qualitätsinformation zu Ausstellung und Katalog); Kullik
berücksichtigt diese Informationsquelle nicht. Als langfristig
retrospektive Nachweisinstrumente sind Zeitungsartikel allerdings zu
Recht nicht geeignet.
Es schmälert weder Verdienst noch aktuellen Aussagewert des insgesamt
die grundlegenden Aspekte zum Thema Ausstellungskataloge und ihrer
Nachweismöglichkeiten zusammenfassenden Überblicks von Andrea Kullik,[8]
wenn mit Belser Kunst-Katalog seit Herbst 1993 ein neues
Nachweisinstrument für Ausstellungskataloge zur Verfügung steht. Mit
dieser Publikation wurde ein jährliches Seitenstück zum Belser
Kunstquartal geschaffen, in dem genauer und ausführlicher als in der
Ausstellungsvorschau, zugleich aber auch schneller und aktueller als
üblicherweise in Bibliographien über neue und lieferbare
Ausstellungskataloge informiert wird. In der Grundkonzeption folgt der
Belser Kunst-Katalog dabei dem Belser Kunstquartal. Das primär
ordnende Ortsalphabet wird durch ein Institutionenalphabet
(Kunstvereine, Galerien und Museen mit Adreßnennung) untergliedert;
erst dann erscheinen die Angaben zu Ausstellung und Katalog. Ein
thematischer Zugriff, wie "klassische" Bibliographien dies für
Sachrecherchen bieten, ist nur sehr begrenzt über ein Künstlerregister
möglich; Sachbegriffe fehlen. Schwerpunkt der Verzeichnung bleibt
- trotz des Hinweises international - der Katalognachweis zu
Ausstellungen in deutschen Galerien, Kunstvereinen und Museen und ist
auch hier - insbesondere für die Institutionen in öffentlicher
Trägerschaft - keineswegs vollständig. Die einzelnen Eintragungen
bieten nicht wie das Kunstquartal den Ausstellungs(kurz)titel, sondern
umfassender den Katalogtitel mit Nennung von Autoren und/bzw.
Herausgebern, Umfangs- und Preisangaben. Verlagsangaben fehlen, so daß
nach wie vor keine schnelle und bequeme Information über die
Publikationsform (außerhalb des Buchhandels, Buchhandelsausgabe,
Paralleleditionen) und damit keine brauchbare Hilfe für die Zwecke der
Erwerbung vorliegt. Auch fehlt ein Hinweis auf Übernahme von
Ausstellungen durch weitere Institutionen, ein nicht unerhebliches
Problem bei der Katalogbeschaffung von Ausstellungen, die gelegentlich
über einen recht großen Zeitraum wandern und dabei den Katalog vom
Erstausrichter "mitnehmen" bzw. "mitbringen".
Für eine konsequente bibliographische Nutzung erschwerend (für
Erwerbungszwecke aber durchaus hilfreich) ist die unklare Berichtszeit
von Belser Kunst-Katalog. Denn wie das vorliegende erste Heft zeigt,
werden nicht nur Kataloge zu Ausstellungen des Berichtsjahres
angezeigt, sondern auch frühere, bei den Veranstaltern noch lieferbare
Publikationen. Ob dies in der Folge konsequent durchgehalten wird, ist
jetzt noch nicht abzusehen, wohl aber zu vermuten, wenn ein
angemessener Umfang des Verzeichnisses gewährleistet werden soll.
Alles in allem kann (und will) Belser Kunst-Katalog sicher nicht einem
an professionnellen Bibliographien anzulegenden Maßstab genügen und er
sollte an diesem Raster letztlich auch gar nicht gemessen werden.
Vielmehr gehört er in den Bereich der schnelleren, handlichen, für
einen mittelfristigen Zeitraum brauchbaren und überaus preiswerten
Informationsmittel für einen primär nicht an Wissenschaftszwecken
orientierten Interessentenkreis und stellt praktisch die seit langem
notwendige Ergänzung zum Belser Kunst-Quartal dar. Die bestmögliche
Form der gleichzeitigen Information über aktuelle Ausstellungen und
die sie begleitenden Publikationen - und dies, wenn schon nicht
"weltweit", so doch ein wenig internationaler als Belser Kunst-Katalog
- wird somit weiterhin Desiderat bleiben und wohl auch ein Stück
Utopie, als die Realisation von Katalog und Ausstellung nicht immer
kongruent verläuft.
Angela Karasch
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