Auch Krummels neuestes Werk ist mehr als eine kenntnisreiche Reihung
von Buch- und Aufsatztiteln. Die rahmenden Kapitel (1 und 9) sind
ausschließlich der Theorie vorbehalten; dort referiert er intelligent
und lehrreich - und das meint: diskussionswürdig - Aufgabenstellung,
Anforderung und Problematik im Hinblick auf das Erstellen einer
idealtypischen Musikbibliographie. Dabei profitiert er in den
Grundgedanken natürlich sehr stark von dem bereits im Grove-Artikel
Geschriebenen. Den übrigen Kapiteln, die die Literatur verzeichnen,
gehen nicht selten umfangreiche Einleitungen voraus, die die
Prinzipien der Systematisierung innerhalb der einzelnen Kapitel[4]
reflektieren und zu legitimieren versuchen; was denn nun als major
oder special qualifiziert ist, muß ja begründet sein. Das Buch ist
also eine Mischung von "bibliographical list" und "prose narrative" in
der ausgesprochenen Hoffnung des Autors "that it will be both read as
a text and consulted as an index" (S. 358).
Das Buch ist in 9 Großkapitel gegliedert. Hauptteil von Kapitel 1 ist
eine Agenda of music bibliography, in der er die Problematik im Umgang
mit gedruckten musikalischen Werken darlegt: Description, dating,
plate numbers, u.a. Seine Ausführungen zu den einzelnen Stichwörtern
leitet er stets mit einer Frage ein ("nine interrelated questions"),
die ein Bibliograph nach Krummels Auffassung an die Vorlage zu richten
habe. Es folgen als weitere Kapitel: 2. Historical surveys of music
printing, 3. The technology of music printing, 4. Printed music as a
graphic art, 5. Musical commerce and property, 6. National literatures
(nach Ländern gegliedert mit jeweils umfangreichem Verzeichnis aller
wichtigen Drucker und Verleger eines Landes, von den Anfängen bis
1920), 7. The institutional setting (Literatur zu: Geschichte der
Musikbibliotheken, Musikantiquare und -sammler, Bibliophile
Editionen), 8. Reference works, 9. Epilogue (reflektiert noch einmal
auf die Agenda im 1. Kapitel "with a view to future scholarship"). Ein
Verfasser- und ein Sachregister bilden den Erschließungsteil.[5]
Berichtszeitende ist 1991.
Der Autor selbst sieht sein Buch als eine Ergänzung zum Grove handbook
on music printing and publishing, als dessen Mitherausgeber er
zeichnet, und stellt sich zugleich bewußt in die Nachfolge von ke
Davidssons Bibliographie zur Geschichte des Musikdrucks.[6] Krummel
allerdings annotiert ausführlich, während Davidsson nur die Titel
aufführt. Außerdem hat er die Namen von Autoren, die bei Davidsson nur
mit Initialen aufgeführt sind, eruiert und wo nötig die
bibliographischen Angaben vervollständigt. Eine Überprüfung ergab, daß
sämtliche wichtigen Titel zu "Noten- und Musikdruck" im 15.
Jahrhundert[7] bei Krummel verzeichnet sind, und: er hat auch hier
vorbildlich die dort nur abgekürzt wiedergegebenen Vornamen
ausgeschrieben. Kapitel 6, National Literatures, allerdings leidet an
einer zu stark auswählenden Verzeichnung, der in diesem Falle offenbar
rein formale Kriterien zu Grunde liegen. In der Regel nennt Krummel
ausschließlich nationalsprachliche Publikationen des jeweiligen Landes
und natürlich englischsprachige Literatur. Eine für den Forscher
informative Veröffentlichung wie die von Rudolf Harneit[8] ist deshalb
in dieser Bibliographie nicht zu finden. Doch das mag ein Einzelfall
sein. Mitunter erwähnt er in den Annotationen noch Veröffentlichungen,
die aber keinen eigenen Haupteintrag erhalten, weil, wie er
selbstbewußt anmerkt, "I have not seen them".
Das Buch ist an keiner Stelle trocken oder spröde geschrieben.
Gelegentlich schleicht sich gar ein Schmunzeln in den Text.[9] Die
Annotationen vermitteln sämtlich einen kompetenten Eindruck und machen
deutlich, daß Krummel einen Großteil des nicht englisch Geschriebenen
gelesen und verstanden hat. Ganz ohne Zweifel ist dies ein
faszinierendes Werk, intelligent und anspruchsvoll gemacht. So hat es
alles, was es zu einem Standardwerk prädestiniert.
Reiner Nägele
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