Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 2(1994) 2
[ Bestand in K10plus ]
The companion to 20th-century music
- 94-2-294
-
The companion to 20th-century music / Norman Lebrecht.
- London : Simon & Schuster, 1992. - 418 S. ; 24 cm.
- ISBN 0-671-71019-2 : œ 20.00
- [2072]
Kein bescheidener Anspruch, den der Autor in seinem Vorwort
formuliert: "My purpose in this book is to demythologize, to
enlighten, and to entertain". Es ist die gesamte Musikgeschichte seit
dem Beginn des Jahrhunderts, besser noch das musikalische Geschehen in
seiner Totalität, in all seinen vielfältigen Facetten, gleichgültig,
ob Karajan oder Karaoke, dem er mit diesem Lexikon ein Denkmal setzten
möchte, "to reveal to a future generation ... what the epoch was all
about" (Vorbemerkung zur Diskographie). Sein Verfahren hierzu ist
denkbar einfach: Komponisten (Babbit und Jägermeier ebenso wie
McCartney), Interpreten (von Abbado bis Zappa), Labels, Sachbegriffe
aus dem E- und U-Bereich (in der Bandbreite absolute music bis zydeco)
und Werktitel reiht der Autor in alphabetischer Ordnung, fettgedruckt,
und nachfolgend preßt er sein Wissen mal nur in einen Satz, mal
breitet er es auf mehreren Spalten aus, streng nach dem Motto "paying
no dues to hierarchies and ideologies". Das Auswahlkriterium ist
ebenso simpel: Lebrechts "ears, eyes and common sense". Den Anhang
bildet eine zeit- und kulturgeschichtliche Synopse - "New music
performed", "The arts", "World events" - und eine kleine, aber
exquisite Diskographie mit authentischen Einspielungen ("authoritative
sources"), ebenso eine im Umfang bescheidene Bibliographie.
In den biographischen Artikeln, die natürlich in der Zahl überwiegen,
profitiert er uneingestanden von Baker's biographical dictionary of
musicians,[1] für den faktischen Rest stand nicht selten Nicolas
Slonimsky's Arbeit zu einer deskriptiven Chronologie der Musik des 20.
Jahrhunderts, Music since 1900,[2] Pate, was er auch zugibt. Doch das
ist nicht entscheidend. In diesem Lexikon steht nicht das
biographische Detail im Vordergrund; eher verschämt fügt er die
Lebensdaten und einige wichtige Werktitel in engster Auswahl den
einzelnen Artikeln in Fußnotenschrift an. Lebrecht ist vielmehr an
einer höchst subjektiven Wertung und Beurteilung des jeweiligen
künstlerischen Schaffens und der Person interessiert. Zugegeben, der
stets polemische Ton, in dem er sein Wissen darbietet, langweilt in
keiner Zeile, das Lesen macht Spaß. Informativ ist es allerdings meist
wenig, zumal dort, wo er glaubt, mit Erklärungen von ein oder zwei
Sätzen auskommen zu können, und dies ist nicht selten bei den
Sachbegriffen der Fall.[3] Um dem Anspruch der Unterhaltung zu genügen
und nicht allzuviel Platz zu verschwenden, ist Lebrecht gezwungen,
schlagwortartig und kategorisierend zu beschreiben: Thelonious Monk
wird als "reclusive, eccentric, skullcapped black pianist"
vorgestellt, Friedrich Gulda als verschrobener Musiker, Adornos
Arbeiten zu Wagner und Mahler als "hyperbolic" disqualifiziert und die
abstract music kurz und bündig als wahllose Kleckserei "practised by
Cage and his clique" abgetan. Gesagt ist damit viel, erklärt ist damit
nichts. Der Autor präsentiert dem Leser sein enzyklopädisches
Know-how, das er sich angelesen hat, in Form leichverdaulicher Petits
fours, als geistreiche Häppchen für den smarten Partylöwen und "music
lover trying to decide whether or not to buy a Webern recording"
(Vorwort, S. XII): ein bißchen Wissen und viel Meinung. Doch so
leichtfertig läßt sich natürlich weder Aufklärung, noch
Entmythologisierung betreiben. Ist dieses Buch demzufolge als seriöses
Informationsmittel nur mit Vorbehalten zu empfehlen, als
Unterhaltungslektüre hat es eingestandenermaßen seine Qualitäten.
Reiner Nägele
- [1]
- Baker's biographical dictionary of musiciens / Theodore Baker. - 8.
ed. / rev. by Nicolas Slonimsky. - New York, NY : Schirmer [u. a.],
1992.
(zurück)
- [2]
- Music since 1900 / Nicolas Slonimsky. - New York, NY : Scribner,
1973. - Suppl. 1986.
(zurück)
- [3]
- Aber natürlich auch bei anderem. Hugo Distler ist einfach nur ein
deutscher Kirchenmusiker, der Selbstmord unter den Nazis begangen hat.
Kein Wort zu Distlers Werk oder Bedeutung. "An American in Paris"
kommentiert er lapidar mit "jaunty memoir by Gershwin", und zu James
Last fällt ihm nicht mehr ein als "hugely commercial German leader of
Glenn Millerish big band for middle-class dance nights".
(zurück)
Zurück an den Bildanfang