Typologisch handelt es sich bei allen Nachschlagewerken um einbändige
Handlexika, in denen zusätzlich zu einer Übersetzung des medizinischen
Fachwortes[2] die mit diesen Begriffen verbundenen Sachverhalte kurz
dargestellt werden, wobei alle Teildisziplinen der Medizin aufgenommen
sind. Jedoch bedingen verschiedene Zweckbestimmungen z.T. große
Unterschiede in der Begriffsauswahl sowie in Darstellungsweise und
-tiefe: Pschyrembel bietet Ärzten und Medizinstudenten in kompakter
Form aber für ein Wörterbuch unüblich ausführlich - quasi in der Art
eines Repetitoriums - vor allem für Diagnose und Therapie von
Krankheiten medizinische Fakten sowie Hinweise an. Daneben sind das
Zetkin/Schaldach und das Roche-Lexikon Medizin als wissenschaftliche
Fachlexika ohne derartigen Praxisbezug einzusetzen. Das Lexikon der
Gesundheit wendet sich im Gegensatz zu den zuvor genannten als
medizinisches Fachwörterbuch an den 'ungebildeten Laien' mit
Begriffserklärungen sowie Ratschlägen ohne fachsprachlichen Jargon.
Die Zielgruppe(n) des Hexal-Taschenlexikons Medizin bzw. des
Wörterbuch der Medizin in der Bearbeitung von Boss sind nicht klar zu
erkennen.
Pschyrembel weist bereits durch seinen Titel darauf hin, daß bevorzugt
klinik- und praxisrelevante Aspekte im Fachgebiet Medizin behandelt
werden. Seit der 2. Aufl. von 1901 führt das 1894 erstmals von Otto
Dornblüth[3] herausgegebene Wörterbuch den einschränkenden Zusatz
"klinisch" im Titel.
Zielgruppen sind primär Ärzte und Studenten der Medizin. Die Auswahl
der Stichwörter, der Aufbau der Einträge und nicht zuletzt die
komplexe sprachliche Darstellung der Themen orientieren sich an
geschulten, praxisorientierten Lesern im Arztberuf.
Doch abgesehen von Einschränkungen bezüglich seiner Verständlichkeit
ist das Lexikon auch für Nicht-Mediziner gut handhabbar. Hilfreich
sind die klaren Hinweise zur Benutzung, in denen übersichtlich
Anordnung und Regeln zur Schreibweise der Stichwörter, der Aufbau der
Einträge und die Methodik der Verweisungen erläutert werden. Auf mehr
als 1700 Seiten sind 35.000 Stichwörter aufgeführt; in die 257. Aufl.
wurden 1500 neu aufgenommen, andere sind entfernt worden. Umfang und
Zahl der Einträge sind im Pschyrembel im Vergleich zu Zetkin/Schaldach
und zum Roche-Lexikon Medizin zwar geringer; mit mehr als 2.300, z.T.
farbigen, Abbildungen und fast 300 Tabellen weist der Pschyrembel
allerdings bei weitem die meisten Illustrationen auf, die das
Verständnis des Textes unterstützen.
Die in Fettdruck gesetzten Stichwörter sind durch Genusbezeichnung
sowie Erläuterungen zur (sprachlichen) Herkunft des Begriffs ergänzt.
Eine bemerkenswerte Neuerung der 257. Aufl. besteht in der Aufnahme
englischsprachiger Äquivalenzbegriffe für eine Vielzahl von
Stichwörtern. Gleichzeitig erfährt in dieser Auflage die griechische
Schreibweise in den etymologischen Angaben ihre Renaissance. Als
Stichwörter sind zudem Fremdwörter oder deren Wortstämme in ihrer
Übersetzung aufgeführt, sofern sie im Wörterbuch bei unterschiedlichen
medizinischen Fachtermini verwendet werden.
Der Pschyrembel erschöpft sich nicht in kurzen Begriffserklärungen, da
er häufig eher einem komprimiertes Handbuch denn einem normalen
Lexikon gleicht. Derartig längere Beiträge sind nach festen Regeln
strukturiert: Einträge zu Arzneimitteln differenzieren in voneinander
abgesetzten Abschnitten nach Wirkungsmechanismen, Verwendung,
Nebenwirkungen etc. Bei Krankheiten werden zusätzlich zu einer
Begriffserklärung kurz Vorkommen, Diagnose und Therapie dargestellt.
Charakterische Symptome einer Krankheit, die sog. "Klinik", werden
bestimmungsgemäß detailliert unter Verwendung vieler Farbfotos
ausgeführt.
Für Ärzte und Medizinstudenten konzipiert, finden sich im Pschyrembel
auch Einträge zur ärztlichen Praxisführung, wie zum
Gesundheitsstrukturgesetz oder Kassenpatient, die bei Zetkin/Schaldach
oder im Roche Lexikon Medizin fehlen. Andere standesrechtlich
relevante Begriffe, wie Kassenärztliche Vereinigung, sind in
letztgenannten Lexika zwar enthalten, aber weniger ausführlich
erläutert. In der Auswahl der Beiträge lassen sich Trends der
medizinischen Praxis erkennen: zur Jubiläumsausgabe von 1994 wurden
einerseits Stichwörter zu molekularbiologisch-genetischen Techniken
neu aufgenommen und andererseits die bereits früher begonnene
Erweiterung des Wortschatzes zur Naturheilkunde fortgesetzt.
Seit dem Jubiläumsjahr gibt es den Pschyrembel auch in einer
Disketten- und zusätzlich in einer CD-ROM-Ausgabe.[4]
Im Jahr 1992 erlebte das Wörterbuch der Medizin von Zetkin/Schaldach
mit der 15. Aufl. seine gesamtdeutsche Premiere. 1956 erstmals als
Wörterbuch der Medizin, Zahnheilkunde und Grenzgebiete im Verlag Volk
und Gesundheit der DDR erschienen, erreichte das von Maxim Zetkin und
Herbert Schaldach herausgebrachte medizinische Universallexikon dort
14 Auflagen. Als Lizenzausgabe in der Bundesrepublik wurde es immerhin
siebenmal aufgelegt.
Im Vorwort zur 15., vollständig überarbeiteten Auflage betont der neue
Verlag Ullstein-Mosby, dies sei ein "gesamtdeutsches Wörterbuch".
Diese Aussage hat aufgrund der Entstehungsgeschichte seine
Berechtigung, fiel doch gegenüber der Ausgabe von 1990 die Renovierung
sparsam aus. Zwar wurden ideologisch geprägte Einträge angepaßt, ganz
entfernt oder durch Äquivalente der Bundesrepublik Deutschland
ersetzt, auch kamen neue Begriffe hinzu; die Mehrzahl der Einträge
wurde jedoch mit dem Satzspiegel weitgehend unverändert übernommen. So
sind Qualitäten und Mängel der gesamtdeutschen Ausgabe des
Zetkin/Schaldach dieselben wie die der Vorauflagen:
Medizinisch-naturwissenschaftliche Kenntnisse voraussetzend werden in
spröder Sprache 55.000 Stichwörter aus allen Gebieten der Medizin auf
2500 Seiten knapp erläutert. Der ursprüngliche Titel hatte zu erkennen
gegeben, daß auch die Zahnmedizin berücksichtigt wurde. Zu dieser
Disziplin wird man weiterhin gut informiert, sofern man nicht zu einem
Speziallexikon[5] greifen möchte oder kann.
ses Wörterbuchs ist es vermutlich zuzuschreiben, daß der Sozial- und
Arbeitsmedizin breiter Raum zugemessen wird. Unter den verglichenen
Lexika finden sich bei Zetkin/Schaldach die meisten Stichwörter zum
Wortstamm Sozio.../Sozial... Bedauerlicherweise sind zu viele Einträge
der Fächer ohne ausreichende systematische Überarbeitung nur
aktualisiert worden. Sonst würden in der Arbeitsmedizin der
Bundesrepublik so gängige Begriffe wie Arbeitsschutz oder
Arbeitsstättenverordnung nicht fehlen. Sollten diese Mängel in einer
weiteren Auflage beseitigt sein, wäre dies einer der möglichen
Pluspunkte dieses Nachschlagewerks. Auf die Fortsetzung der Praxis,
die Medizin weiterhin auch unter gesellschaftspolitischen Aspekten zu
beschreiben, deutet die Tatsache hin, daß in diesem Fachlexikon z.B.
die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Deutsche Institut für
Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) sowie die Rolle des
Zentralen Gutachterausschusses (ZGA) in der DDR vorgestellt werden.
Der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt werden, daß bei
Zetkin/Schaldach eine bemerkenswert hohe Zahl biographischer sowie
medizinhistorischer Einträge verzeichnet sind.
Die Stichwörter sind durch Fettdruck hervorgehoben, wobei
Krankeitsbegriffe griechisch-lateinischer Herkunft entsprechend
gekennzeichnet und mit einer Genusbezeichnung versehen sind. Nicht nur
der Zetkin/Schaldach weist sog. "Stichwort-Nester" auf, in denen
mehrere Stichwörter mit gleichen Wortanfängen in einem Absatz
zusammengefaßt sind - unter Verkürzung des Anfangswortstammes zum
Anfangsbuchstaben. Doch wendet Zetkin/Schaldach dieses Prinzip
unangenehm häufig an, indem sogar Begriffe, die in keinem
Sinnzusammenhang stehen, wie Konversionsfaktor (ein Begriff aus der
Physik) und Konversionsneurose (im Text: K.neurose), in einem Absatz
zusammengepreßt werden.
Zwar ist dieses medizinische Universallexikon aufgrund seiner Vielfalt
eine Fundgrube für Eingeweihte. Bedauerlicherweise muß man sich zum
Gebrauch selbst ermuntern, einladend ist das Wörterbuch nicht
gestaltet. Der Darstellung mangelt es an Übersichtlichkeit, die Seiten
sind "zu voll". Nur 500 schwarzweiße Strichzeichnungen, die noch aus
anderen Zeiten zu stammen scheinen, ergänzen die verbalen
Beschreibungen. Umfangreiche Tabellen, die Überblick schaffen würden,
fehlen leider völlig.
Als gut lesbares medizinisches Nachschlagewerk präsentiert sich das
Roche-Lexikon Medizin. Vom Verlag Urban & Schwarzenberg erstmals 1983
in Zusammenarbeit mit der Hoffmann La Roche AG auf den Markt gebracht,
liegt es seit 1993 in der 3., neu bearbeiteten Auflage vor. Neben
Ärzten und Medizinstudenten sollen auch Angehörige der Pflege- und
Heilberufe angesprochen werden. Diesem breiteren Spektrum an
Interessenten wird ein prägnantes, an den Anforderungen der
medizinischen Wissenschaft ausgerichtetes, aber dabei in hohem Maße
verständlich geschriebenes Lexikon geboten, das alle Bereiche der
Medizin abdeckt. Auch grundlegende Begriffe aus den angrenzenden
Naturwissenschaften sind gut repräsentiert.
56.000 Stichwörter werden auf 1800 Seiten erläutert; in der 2. Auflage
von 1987 waren es bei gleichem Umfang sogar 60.000 Stichwörter
gewesen. Ihre Zahl ist zugunsten einer Zunahme der zumeist
mehrfarbigen Abbildungen von 1.600 auf 1.900 verringert worden. Wie im
Pschyrembel sind Fremdwörter bzw. deren Wortstämme mit
Bedeutungserklärung als eigene Stichwörter aufgenommen worden. Bei den
durch Fettdruck gut hervorgehobenen Stichwörtern fehlen
Genusbezeichnungen, Sprachbezeichnungen sind nicht durchgängig
vorhanden. Hilfreich sind die kursiv gesetzten Kurzbezeichnungen des
zugehörigen Fachgebiets, in dem ein Begriff verwendet wird.[6]
Bedauerlicherweise wurden die englischen Äquivalenzbegriffe bei 37.000
Stichwörtern nicht in die 3. Aufl. übernommen. Sie fielen - ebenso wie
das 80 Seiten umfassende englisch/deutsche Glossar im Anhang - der
Zunahme an Abbildungen zum Opfer.[7] Die didaktisch guten Schemata und
Tabellen tragen jedoch immerhin zusammen mit den Fotos sehr zum
Verständnis des Textes bei.
Insgesamt scheint das Roche-Lexikon Medizin gut geeignet,
qualifizierte Informationen zu medizinischen Fragestellungen auf hohem
Niveau zu erhalten. Abgerundet wird das Nachschlagewerk mit einem
umfangreichen Anhang, der u.a. Medizinische Arbeitshilfen,
Umrechnungsfaktoren im Internationalen Einheitensystem sowie
Abbildungen zu lebensrettenden Maßnahmen in Notfällen enthält.
Das 1993 gleichfalls im Verlag Urban & Schwarzenberg erschienene
Hexal-Taschenlexikon Medizin sowie das 1994 in Lizenz beim Deutschen
Taschbuch-Verlag verlegte Wörterbuch der Medizin basieren auf der
beschriebenen 3. Aufl. des Roche-Lexikon Medizin von 1993. In der
Bearbeitung von Norbert Boss wurde ein knapp 900 Seiten umfassendes,
relativ preisgünstiges medizinisches Lexikon auf den Markt gebracht,
das bei 22.000 Stichwörtern weniger als die Hälfte des ursprünglichen
Inhalts des Roche-Lexikon Medizin aufweist. Zwar finden sich in beiden
Derivaten auch neue Einträge und einige wenige Veränderungen in den
Begriffserklärungen - aufs Ganze betrachtet handelt es sich allerdings
um ein durch Weglassungen verkürztes Roche-Lexikon Medizin. So wurde
einerseits die Zahl der Stichwörter und Abbildungen verringert.
Andererseits wurden viele Einträge ohne eine Umformulierung der Texte
gekürzt. Dazu wurden Unterbegriffe und/oder Detailinformationen sowie
weiterführende Erläuterungen, wie Grundlage ist ... oder Konsequenz
ist ..., gestrichen. Weiterhin fielen für die Stichwörter die
Kennzeichnung des Fachgebiets unter den Tisch (vgl. Fußnote 5). Da die
Konzeption des "Mutterlexikons" beibehalten worden ist, liegt mit dem
Hexal-Taschenlexikon Medizin bzw. dem Wörterbuch der Medizin quasi ein
auf ein Notwendiges (?), Hinreichendes (??) reduziertes 'Roche light'
vor, wobei zu fragen ist, wem dieses Taschenlexikon nützen soll oder
kann. Die am Anspruch der medizinischen Wissenschaft orientierte
Stichwortauswahl und sprachlichen Darstellung des Roche-Lexikon
Medizin dürfte vielen Laien ohne entsprechende Vorkenntnisse schwer im
Magen liegen; da das Taschenlexikon aus der Redaktion des Verlags
Urban & Schwarzenberg aufgrund seiner Beschneidungen diesem Anspruch
nur noch begrenzt genügen kann, mag es dagegen von manchem, der
berufsbedingt medizinische Informationen benötigt, als zu leicht
befunden werden.
Ein ganz anderes Konzept weist das Lexikon der Gesundheit auf, das
1993 in überarbeiteter Auflage im Delphin Verlag erschienen ist. In
betont verständlicher Sprache - unterstützt von wenigen
Schwarzweiß-Zeichnungen - werden auf knapp 600 Seiten Begriffe aus
Medizin und Gesundheitspflege sowie zu Aufbau und Funktion des
menschlichen Körpers erläutert. Bei den 5.000 Stichwörtern handelt es
sich nicht nur um dem Laien unbekannte Fachtermini, wie z.B. Abasie
oder Zytostatika, sondern auch um allgemein geläufige Begriffe, wie
Aderlaß oder Zwillinge, zu denen aus medizinischer Sicht Erklärungen
und auch Ratschläge gegeben werden. Das Nachschlagewerk ist recht
praxisnah geschrieben, so daß es fast den Charakter eines
medizinischen 'Hausbuches' hat. Das hängt vor allem damit zusammen,
daß der zweispaltige Satzspiegel immer wieder durch mehrseitige
Ausführungen zu 'zentralen' Begriffen und Themen unterbrochen wird. So
umfaßt der Beitrag zur Ersten Hilfe mehr als 14 Seiten. Andere
Beiträge dieser Art behandeln die Organe (Auge, Haut) des menschlichen
Körpers, oder häufige Krankheitsbilder, von Aids über
Drogenabhängigkeit zu Halserkrankungen, Hämorrhoiden oder z.B.
Verstopfung. Durch seine Zweigleisigkeit in der Darstellung ist dieses
lexikalisch aufgebaute Handbuch zu Gesundheitsfragen nicht besonders
übersichtlich, trifft aber möglicherweise gerade durch seine
unterschiedlich ausführlichen Beiträge das jeweilige
Informationsbedürfnis interessierter Laien.
Matthias Sonnenschein
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