treten hier der gegenwärtige Stand der
Forschung wie Perspektiven in den Vordergrund. Verdrängt wird damit,
was der Titel schon durch Auslassung bekannt gibt, der
Festschrift-Charakter der Veröffentlichung, die mehr Wegweiser denn
Wegnachzeichner sein will. Ein gesundes Maß an Understatement scheint
hier gegeben. Die Bibliographical Society hat allen Grund, Stolz auf
die Ergebnisse ihrer 100jährigen Arbeit zu sein, deren bekannteste
Frucht der STC ist, auch bekannt als Pollard/Redgrave[2] nach den Namen
der Begründer. Die Aufsatzsammlung hätte also auch im Titel ihren
Anlaß nicht verschweigen müssen. Zur Feier zusammengefunden haben sich
in 30 Beiträgen renommierte englischsprachige Bibliothekare und
Wissenschaftler. Entstanden ist ein Übersichtswerk über the state of
the art, das allen Buchkundlern Pflichtlektüre sein sollte. So finden
sich neben den renommierten Namen De Hamel (Handschriften des
Mittelalters), John Bidwell (Papierkunde), Lotte Hellinga
(Inkunabelkunde), Robin Myers (Bibliographie), T. H. Howard-Hill
(enumerative und deskriptive Bibliographie), G. Thomas Tanselle
(deskriptive und analytische Bibliographie im Hinblick auf die
Textkritik), D. F. McKenzie (Buchgeschichte), Nicolas Barker
(Typographie) und Miriam Foot (Einbandkunde) auch interessante
Beiträge in Deutschland noch weniger bekannter Forscher, zum Beispiel
Tom Davis zu The analysis of handwriting. Der Einfluß der
elektronischen Datenverarbeitung wird durchgehend spürbar, mögliche
Entwicklungen diskutieren besonders Robin Alston (Bibliography in the
computer age) und Nicolas Barker. Umso seltsamer mutet es an, das
hierbei die Möglichkeiten des EDV-Einsatzes in der analytischen
Bibliographie reichlich kurz kommen: im Zentrum steht hier der Bereich
der Ausnutzung von Datenbanken. Deren Gehalt ist aber nicht nur über
Scanner erweiterbar (Einlesen von Graphiken, Vignetten,
Einbandelementen), sondern bietet auch neue Möglichkeiten der Analyse.
So dürfte gerade die maschinelle Kollation von Texten durch die
Entwicklung von mikrofilmverarbeitender Software erleichtert werden.
Auch der Einsatz im Bereich der Untersuchung von Wasserzeichen (durch
das Scannen des Lichtdurchbruchs in der Art von Diapositiven) ist
denkbar.
Unangemessen pessimistisch scheint dagegen der envoi von Terry
Belanger, der den Bibliothekar der Zukunft von der Erhaltung des
Buches als physischem Objekt befreit sieht, da diese nicht zuletzt
digitalisiert vorliegen. Gerade auf dem Hintergrund eines steigenden
Interesses an der 'Materialität der Zeichen' (zumal in den
Geisteswissenschaften) muß dies als unzeitgemäß gelten. Wer vom Wert
des gedruckten Buches als erhaltenswertem kulturellem Artefakt und
damit sinnvollem Gegenstand der Untersuchung überzeugt ist, wird
Belangers Bedenken hintanstellen und im vorliegenden Band reichhaltige
Anregungen für seine Weiterarbeit finden.
Rudolf Nink
- [1]
- The Bibliographical Society 1892 - 1942 : Studies in retrospect.
- Cambridge : Bibliographical Society, 1945.
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- [2]
- A short-title catalogue of books printed in England, Scotland &
Ireland and of English books printed abroad : 1475 - 1640 / first
comp. by A. W. Pollard & G. R. Redgrave. - 2. ed., rev. & enl. / begun
by W. A. Jackson & F. S. Ferguson, completed by Katharine F. Pantzer.
- London : Bibliographical Society. - 32 cm. [0814]. - Vol. 1 (1986)
- 3 (1991). - Vgl. zuletzt ABUN in ZfBB 38 (1991),4, S. 394 - 400. - Die
1. Ausg. stammt von 1926.
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