Das einheitliche Erfassungsmuster des alphabetisch nach Nachlassern geordneten Inventars umfaßt Name, Geburts- und Sterbedatum (ohne Ort), Beruf, eine relativ ausführliche Biographie und Nachlaßbeschreibung: Standorte, Erwerb, Umfang sowie Beschreibung. Auffallend ist hierbei die ausführliche Auflistung der Gegenstände, die in den Korrespondenzen, deren Partner aufgelistet sind, verhandelt werden: die dabei genannten Institutionen, Firmen, Organisationen sind in einem Institutionenverzeichnis im Registeranhang ebenso auffindbar wie alle genannten Personen im Personenverzeichnis: Für die Fachwissenschaftler wohl ausreichende Erschließungshilfen, wenngleich eine sachliche Suche somit doch beschränkt ist und nicht nach Themen wie z.B. Exil oder Arbeitslosigkeit möglich ist. Doch auch mit dem Institutionenverzeichnis ist ja thematisches Suchen möglich: z.B. finden sich erstaunliche 21 verschiedene Arbeiter- und Soldatenräte.
Unscharf erscheint teilweise die Auswahl, d.h. die Kriterien, die einen Nachlasser zur "Persönlichkeit der Arbeiterbewegung" adeln, sind nicht immer nachvollziehbar: Viele vergessene Gewerkschaftler jedweder Couleur wird man suchen und finden, die Berücksichtigung von Rudi Dutschke kommt dagegen als Überraschung. Geradezu verzichtbar erscheinen einige Schriftsteller, deren Affinität zur Arbeiterbewegung vage und nicht unbedingt organisatorisch-institutioneller Art war, wie z.B. Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Georg Kaiser - die Aufnahme des Spartakisten Carl Einstein leuchtet da eher ein. Zudem sind die Dichter-Nachlässe anderweitig ausreichend verzeichnet.
Die kaum zu überschätzende Bedeutung dieses Verzeichnisses für den Spezialisten wird auch durch die offensichtlichen handwerklichen Schwächen bei der typographischen Gestaltung - von den Druckfehlern ganz zu schweigen - nicht geschmälert: Mit jeder heimischen PC-Grundausstattung bringt man heute ein Sterbekreuz zustande (nicht nur ein Pluszeichen), Trennprogramme sind Standard, und für Anmerkungsexponenten ist auch im Buchdruck des Post-Gutenbergzeitalters eine kleinere Type zu verwenden.
Der Titel von Quellen zur Gewerkschaftsgeschichte ist unpräzise, denn
es handelt sich um Bestände von genau zwei Archiven, nämlich des
Archivs der Gewerkschaftsbewegung Berlin, AdG - des ehemaligen
Zentralarchivs des Freien Deutschen Gerwerkschaftsbundes (FDGB) der
DDR - und des Zentralen Parteiarchivs beim Institut für Geschichte der
Arbeiterbewegung Berlin, ZPA/IfGA, des ehemaligen Instituts für
Marxismus-Leninismus beim ZK der SED; beide Archive waren zu
DDR-Zeiten nicht zugänglich.[2]
Angesichts des von Fachwissenschaftlern beklagten Mangels
archivalischer Quellen zur Erforschung einzelner Gwerkschaftsverbände
(das vorhandene Material ist ansonsten sehr verstreut, wie man im
gerade angezeigten Inventar zu den Nachlässen der deutschen
Arbeiterbewegung von Paul sieht) stellen die Bestände des AdG eine
einzigartig umfangreiche Sammlung dar: schließlich bestanden bis 1933
in Deutschland ca. 150 verschiedene Gewerkschaftsverbände. Das
ZPA/IfGA beinhaltet dagegen hauptsächlich Quellen zur kommunistischen
Arbeiterbewegung. Als interessanter Sonderbestand ist hier die
Sammlung Universität Frankfurt zu erwähnen, Reste des Archivs des
Frankfurter Instituts für Sozialforschung von 1933.
Die zeitliche Grenze der Verzeichnung durch Brunner ist durch die
Auflösung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten im Mai 1933
markiert. Die Gliederung folgt einem fachlich-hierarchischen
Ordnungsprinzip: Das Archivmaterial wird den gewerkschaftlichen
Organisationsstrukturen zugeordnet. Das auf ausländische
Gewerkschaftsbewegung bezogene Material folgt regional gegliedert.
Materialien zur kommunistischen Gwerkschaftspolitik nach
Organisationen, dann nach Sonderbeständen (z.B. Flugblattsammlung),
Archivalien der Komintern; persönliche Einzel-Nachlässe folgen
alphabetisch. Die typographisch hervorgehobene Durchnummerierung aller
"Akteneinheiten" von 1 bis 1422 könnte eine einheitliche systematische
Struktur suggerieren - folglich ist die gründliche Orientierung
mittels des Inhaltsverzeichnisses unabdingbar. Personen- und
geographischer Index sowie Index der Organisationen und Verbände
erleichtern die Suche.
Das Verzeichnisschema besteht aus genannter Bestandsnummer (d.h.
eigentlich: Verzeichnisnummer), Archivsigle und Signatur, Bestandsname
(meist: Organisation oder Unterorganisation), Titel der Akteneinheit
und der Inhaltsbeschreibung. Die Erschließungstiefe reicht längst
nicht an die bei Paul heran, was besonders bei den persönlichen
Nachlässen mißlich ist: hier wünschte man sich eine ebenso
differenzierte Verzeichnung wie bei Paul, genaue Mengenangaben,
umfangreichere Nennung der Korrespondenzpartner usw. - Doch ist dies
angesichts der Kürze der Entstehungszeit kaum einzufordern.
Klaus Ulrich Werner
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