Die Inventarisierung beruht auf einer Umfrage, deren Ergebnisse in eine Datenbank übertragen wurden. Sie besteht aus lediglich neun Datenfeldern: (1) Name (bei Familien evtl. Herkunft), (2)˙Lebensdaten, (3)˙Beruf und Tätigkeit (nur bei Einzelnachlässen), (4)˙Aufbewahrungsort samt Signatur, (5)˙Umfang in Metern, (6)˙unpublizierte Findmittel (ja / nein), (7)˙Benutzungsbeschränkungen (ja / nein), (8)˙detaillierte Inhaltsangaben, (9)˙Titel publizierter Findmittel (falls vorhanden). Erfreulich ist die Durchnumerierung der Nachlässe, die eine angenehme und präzise Handhabung der Register gewährleistet.
Unterhalten und weitergeführt wird die Datenbank vom Schweizerischen
Literaturarchiv, das Interessenten an seinem Sitz in der
Schweizerischen Landesbibliothek in Bern zugänglich ist. Wenn man im
Repertorium eine Angabe vermißt, dann ist es die genaue Herkunft des
Nachlassers. Der Bürgerort, eine schweizerische Eigenart, hätte in
diesem Nachschlagewerk auch angegeben werden können, was nur in
einigen Fällen bei Familiennamen auch tatsächlich geschieht. Ein
unzureichender Ersatz für die fehlende Herkunft bleibt alleine der
Aufbewahrungsort des Nachlasses, der aber, bei einer Aufbewahrung in
nationalen und überregionalen Institutionen, keine Rückschlüsse
erlaubt.[5]
Die ausreichenden Angaben in dieser Datenbank hätten eine gute
Voraussetzung für die Erschließung dieser bedeutsamen privaten Quellen
geboten. Leider ist das Repertorium nur über zwei Register zusätzlich
erschlossen: dem der aufbewahrenden Institutionen und einem
Personenregister. Im letzteren wird auch auf Namen und Familien
verwiesen, die in Punkt 8 (Inhaltsangabe) genannt sind. Ein
Nachschlagen im Hauptteil und im Register ist also unerläßlich.
Nachlässe dienen der Forschung aber nur dann, wenn sie auch von der
Sache und nötigenfalls vom Ort her angegangen werden können. Gerade
privates Schrifttum ist wichtig als Ergänzung zu den staatlichen
Quellen, so man das Gesuchte auch findet! Eine wahre Fundgrube könnte
sich öffnen, wenn das notwendige Instrumentarium dafür geschaffen
worden wäre.
Für nachfolgende Fragestellungen erweist sich das fehlende
Berufs-, Amts- und Tätigkeitsregister als empfindliche Unterlassung: Was
beschäftigte Chirurgen des 19. Jahrhunderts (Nr. 3352)? Wieviele
Nachlässe von Schriftstellerinnen sind greifbar (z.B. 491)? Wo liegen
welche Nachlässe von Genealogen und Musikern? Wer hat Reiseberichte
aus China (3850)? Wer bearbeitete die Geschichtsakten des Gasterlandes
(1969)? Wer sammelte Wetteraufzeichnungen (1409)? Wo befinden sich
unerwartete Notariatsakten (1391)? Was bieten Nachlässe dem Heraldiker
(1424 und 2897) und dem Familienforscher (1553)? Solche und ähnliche
Fragen lassen sich nur anhand eines Sach- oder eines geographisches
Register beantworten, aber sie sucht der Leser vergebens und gerade
die präzisen Inhaltsangaben hätten unbedingt zum Erstellen von solchen
Registern verleiten sollen.
Hingewiesen wurde bereits darauf, daß Namen aus dem "Kleingedruckten"
ins Namenregister aufgenommen wurden. Auch diese Behauptung scheint
eher zuzutreffen, wenn einem Namen der Suchbegriff wie "Familie..."
vorausgeht. Weicht ein Eintrag von dieser Praxis ab, so bleibt die
Suche erschwert oder gar erfolglos.[6]
Kein Werk, sei es noch so gut bearbeitet, kann vollständig sein und
lückenlose Angaben geben. Diesen Anschein erweckt aber der Titel
Repertorium der handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und
Archiven, als ob es nicht noch weitere Nachlässe und noch andere
Institutionen gäbe. Ein Titel wie Nachlässe in Bibliotheken und
Archiven oder ... in öffentlichem Besitz wäre nicht nur kürzer
gewesen, sondern hätte auch Museen eingeschlossen.[7]
"Ist der gesuchte Name weder im Hauptteil noch im alphabetischen
Register ... verzeichnet, kann angenommen werden, dass es dazu in der
Schweiz kein eigentliches Privatarchiv und keinen Nachlass gibt",
heißt es in der Einleitung und das läßt wenig Hoffnung aufkommen, nach
unentdeckten Quellen zu suchen. Dem ist aber nicht so. 1990 wurden 540
Institutionen angeschrieben, 260 haben auf die Umfrage reagiert. Dabei
wurden die über 3.000 Gemeindearchive (und wohl auch Pfarrarchive und
lokale Dokumentationsstellen) geflissentlich übergangen. Das läßt sich
ohne weiteres anhand von publizierten Findmitteln zeigen. So fehlt der
Nachlaß von Pater Protasius Wirz (1806 - 1868), der im Archiv der
Bürgergemeinde Solothurn verwahrt wird.[8] Ebenso fehlen die von Hans
Ludwig Bartenschlager (1692 - 1773) angefangenen genealogischen
Register der Stadt Schaffhausen, die im städtischen Zivilstandsamt auf
Interessierte warten.[9] Die Auswertung von Bibliographien hätte manche
Lücke erst gar nicht entstehen lassen.
Angaben aus der Umfrage hätten leicht überprüft werden können und
sollen. Im Staatsarchiv Zürich sind im Katalog B˙X (Archivalien
privater Herkunft) verschiedene Nachlässe aufgeführt. Vieles ist ins
Repertorium gelangt, einige namhafte genealogische Sammlungen blieben
ausgespart.[10] Ärgerlich ist dies für Geschlechter, die Inventare ihrer
eigenen Familienarchive veröffentlicht und auch angezeigt haben. Im
neuen Repertorium werden sie dafür schlecht belohnt.[11] Auch kleinere
Archive mit vorbildlichen gedruckten Inventaren fanden in das
Repertorium keinen Eingang.[12] Dass der Weg zu einer solchen
ausgedehnten Sammlung von Nachlässen sicher auch grosse Probleme in
sich birgt, erkennt der Benutzer natürlich nur indirekt. Vergleicht er
aber den ausführlichen Handschriftenkatalog der Zentralbibliothek
Zürich[13] mit dem Repertorium und fragt sich, welche Nachlässe
aufgenommen und welche weggelassen wurden, so werden die Zweifelsfälle
bald offensichtlich. Betrachten wir nochmals genealogische Nachlässe,
so stellen wir fest, dass vier Zürcher Stadtgenealogien aufgezeichnet,
drei dagegen weggelassen worden sind.[14] Das Winterthurer
Genealogienwerk des Apothekers Johannes Künzli glänzt ebenfalls durch
Abwesenheit.[15]
Vergleicht man aber das Repertorium mit dem Gesamtregister zum
Schweizer Familienforscher,[16] so stellt man erfreut fest, daß die
meisten der genannten Genealogen im neuen Repertorium ihren verdienten
Platz gefunden haben. Daß gelegentlich ein publiziertes Findmittel
nicht angezeigt wird, kann hingenommen werden.[17]
Etwas grotesk mutet der Umstand an, daß beim Nachlaß von Beat
Zurlauben (Nr. 6934) kein Hinweis auf die Acta Helvetica aufgenommen
wurde. Mit bald 100 gedruckten Bänden "Regesten und Register" zur
Zurlaubiana, handelt es sich um das umfangreichste je in der Schweiz
publizierte Findmittel.[18]
Mario von Moos
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