CS III (deren verunglückte Titelfassung Doppelpunkt statt Genitiv setzt) breitet ihr bibliographisches Material auf den Seiten 55 - 370 aus, die umgeben sind von dem im Zusatz zum Sachtitel so genannten "Forschungsüberblick" (mit "Anhang: Gattungsbezeichnungen im deutschen Roman 1815 - 1830") sowie einem Registerteil am Ende (Autoren, Kurztitel, Verlage, Bibliotheken [d.h. Standorte], Abkürzungen - aber kein ordentliches Literaturverzeichnis wie in CS II). Die bereits nach RAK-WB katalogisierten Corveyer Titel wurden in Doppelarbeit nochmals zusammen mit den relevanten Titeln anderer Bibliotheken nach Autopsie "in Anlehnung an ... RAK-WB" (S. 51) erfaßt und ein Standort und ggf. Rezensionsnachweis(e) hinzugefügt; bei nicht zugänglichen Werken erfolgte die Titelaufnahme nach der zitierten Quelle.
Vor einem genauen Eingehen auf die Bibliographie muß auf den
speziellen Romanbegriff eingegangen werden, der dem bibliographischen
Projekt zugrundeliegt und der offenbar 1991 erstmals veröffentlicht
(bzw. 1990 bei dem genannten Symposium vorgetragen) wurde:[3] Als
"deutscher Roman" wird diejenige fiktionale Prosa bezeichnet, die
folgende Kriterien erfüllt: 1) Erstveröffentlichung in deutscher
Sprache (keine Neuauflagen, keine Übersetzungen); 2) Bibliographische
Selbständigkeit - Buchform (keine Texte aus Sammelbänden; keine
Hinweise - wie bei Goedeke - auf früher ganz oder teilweise in
Zeitschriften, Almanachen o. ä. erschienene Werke bzw. keine Aufnahme
von ausschließlich in Periodika veröffentlichten Texten); 3) Umfang
von mindestens 100 (CS II) bzw. 160 (CS III) Seiten.
Während Fragen hinsichtlich der Abgrenzung zur Sachliteratur und der
Grenze zwischen Übersetzungen und freien Bearbeitungen fremdsprachiger
Werke nicht zu sehr ins Gewicht fallen, wirft die dargelegte
Definition ein grundsätzliches Problem auf. Selbst wenn man
akzeptieren sollte, z. B. "Novellen" von einer bestimmten Seitenzahl
an in "Romane" verwandelt zu sehen (und verschiedene Ausgaben eines
Titels z. T. über, z. T. aber auch beträchtlich unter der
Seiten-Grenze liegen können) - eine Frage darf bei diesem
pragmatischen Vorgehen nicht unter den Tisch fallen: Die gerade für
diese Zeit typischen "Kleinen Romane" passen nicht in das Roman-Schema
der Arbeitsgruppe. Sie werden bei Vollmer mit einem einzigen Satz (CS
II S. 12) und bei Eke überhaupt nicht bedacht. Infolgedessen tauchen
sie in Ekes "Anhang: Gattungsbezeichnungen..." nur einmal auf (CS III
S. 40). Derjenige, der von anderer Seite keine Vorkenntnisse
mitbringt, geht bei Studien zur Gattungsdefinition am "Kleinen Roman"
einfach vorbei. Vielleicht hätte sich bei vorheriger Erarbeitung
einzelner Personalbibliographien z. B. zu den belletristischen
Vielschreibern (unter Auswertung vor allem des Goedeke) eine
Lösungsmöglichkeit ergeben, in welcher Weise diese Gattung
berücksichtigt werden könnte, wäre dadurch jedenfalls ansatzweise
Licht in das Dickicht gebracht worden, in welchem Umfang fiktionale
Prosa damals nur oder zunächst in Periodika abgedruckt wurde.
Diesen Hintergrund des gemeinsamen Projekts um den deutschen Roman
1815-1830 - wobei CS III natürlich nicht vollständig neu erarbeitet
ist - muß man kennen, um zu verstehen, warum die Quellen, aus denen
das Titelmaterial letztlich geschöpft ist, in CS III nur mühsam zu
eruieren sind.[4] Auch bleiben die einzelnen Arbeitsschritte, die zur
Titelsammlung führten, im Dunkeln. Man darf vermuten, daß Heinsius und
Kayser mit ihren Romanverzeichnissen der wichtigste Ausgangspunkt
waren. Unzählige Fernleihbestellungen erwiesen sich wegen Punkt 2 des
eingegrenzten Romanbegriffs als unzutreffend, aber auch (Punkt 3) auf
Grund der Tatsache, daß z.B. Kayser keine und Goedeke unregelmäßig
Seitenzahlen angeben. Es ist zu hoffen, daß die ermittelten, aber
nicht in die Bibliographie eingegangenen Daten einmal in anderem
Zusammenhang Verwendung finden.
Angesichts der selbstverordneten Einschränkung erstaunt es dann, wenn
man unter den 250 Titeln, für die in CS III kein Standort ermittelt
werden konnte, auf sehr viele Fälle trifft, bei denen auch die
Seitenangaben fehlen. Zumindest die einbändigen "seitenlosen" Titel
hätten als Zweifelsfälle höchstens in den Anhang gehört. Immerhin sind
es allein im ersten Drittel der Bibliographie gegen 50 Titel (also
gegen 10%). Die geschilderte bibliographische Situation macht eine
Aussage darüber, ob CS III innerhalb ihrer Grenzen wesentliche Lücken
hat, letztlich unmöglich. Es soll jedoch erwähnt werden, mit welch
unbegreiflicher Überheblichkeit die Materialfülle des Goedeke auch zum
Roman 1815 - 1830 abgeurteilt wird (CS III S. 20).[5] Wenn z. B. CS II
(S. 46 Anm. 84) und CS IV (S. 73 Anm. 6 u. S. 211 Anm. 20) direkt auf
bibliographisches Material bei Goedeke hinweisen, dürfte die Meinung
zu diesem Standardwerk der Germanistik innerhalb der Arbeitsgruppe
unterschiedlich sein.[6] Sinnvoll wären Bibliotheksreisen (zu den
Zentralkatalogen, zu Spezialbeständen) gewesen, um an Ort und Stelle
zu recherchieren (wie dies offenbar ansatzweise geschehen ist, vgl. CS
II S. 46 Anm. 86). Auch an eine Fragebogenaktion wäre gerade
hinsichtlich der unauffindbaren Titel zu denken gewesen. Ferner
vermißt man die Auswertung der Bibliothek der deutschen Literatur[7] mit
jetzt (Sept. 1994) laut Verlag 647 Autoren der Restaurationszeit von
ca. 1815 - 1850. Die Arbeitsgruppe hat sich im wesentlichen mit
Fernleihbestellungen begnügt, wobei Vollmer und Eke z. T.
unterschiedliche Standorte nachweisen (und Eke in der Zwischenzeit
manchen Standort ausfindig machen konnte, den Vollmer noch nicht
kannte). Obwohl es zweifellos zu begrüßen ist, daß die Autopsie bei
den genannten Bibliographien im Vordergrund steht - der Nachweis einer
einzigen Bibliothek (übrigens ohne Signatur), aus der das Fernleihbuch
kam, hat wenig Aussagekraft und Nutzen.[8] Das Register der Standorte
führt sogar insofern in die Irre, als es nur sehr eingeschränkt die
einschlägigen Bestände der deutschen Bibliotheken widerspiegelt und
durch den Leitweg der Fernleihbestellungen beeinflußt ist. Bei diesem
scheint z. B. Hessen nur nachrangig angegangen worden zu sein: Die
StuUB Frankfurt, die seit 1990 mit Sondermitteln der VW-Stiftung ihren
Bestand an deutschen Veröffentlichungen 1801 -1870 zu komplettieren
sucht, hat nur zwei Titel geliefert. Spätestens bei einer
Bibliotheksreise oder einer Fragebogenaktion wäre man schließlich auf
die Gießener Sammlung Trivialliteratur des 19. Jahrhunderts vor allem
mit Beständen einer alten Gießener Leihbibliothek gestoßen, die noch
nicht im Hessischen Zentralkatalog nachgewiesen sind, von denen
allerdings seit 1970 ein gedruckter Katalog existiert,[9] der sicher
auch in Paderborn vorhanden ist und natürlich in den bekannten
Informationsmitteln zu germanistischen Sondersammlungen in deutschen
Bibliotheken erwähnt wird. Darin wären 18 Nummern (vollständig oder
teilweise erhalten) zu ermitteln gewesen, zu denen in CS III ein
deutscher Standort fehlt oder/und eine andere Ausgabe (oder nur ein
anderer Verlag) desselben Jahres vorliegt.[10] Von den 1815 - 1830
gedruckten Titeln der Gießener Sondersammlung, die in diesem Zeitraum
erstmals veröffentlicht wurden, weisen mindestens 5 auf Lücken in CS
III hin, wobei alle Zweifelsfälle (besonders Bearbeitungen
fremdsprachiger Vorlagen) unberücksichtigt bleiben.[11]
Zu 912 von insgesamt 1.582 Titeln sind eine oder mehrere Rezensionen
verzeichnet. Eine Überprüfung der Romane Nr. 1 - 400 (davon 209 mit
Rezensionen) ergibt folgendes Bild: Das Gros der Rezensionen ist acht
Zeitschriften[12] (mit jeweils mehr als 25 Nennungen) entnommen. Dagegen
sind drei Viertel der im Abkürzungsverzeichnis zitierten Zeitschriften
nur geringfügigst (mit 1 oder 2 Rezensionen) oder gar nicht vertreten.
Nun behaupten die Verfasser keineswegs, daß sie die angegebenen
Zeitschriften komplett ausgewertet haben; es fehlt jedoch der Hinweis
darauf, wie diese Literaturangaben zustandegekommen sind (aus denen
das "Archiv der Roman-Rezensionen" des Projekts besteht, vgl. CS III
S. 53) - um Mißverständnisse auszuräumen und evtl. Doppelarbeit bei
der Auswertung der betreffenden Zeitschriften zu vermeiden. Mehrere
Rezensionen haben nicht vorgelegen und wurden mit Asteriskus
gekennzeichnet. Hierzu wäre die Quellenangabe wichtig gewesen, sobald
diese Rezensionen nicht einer im Abkürzungsverzeichnis zitierten
Zeitschrift zweifelsfrei zuzuordnen sind. Vergeblich sucht man nach
einer Auflösung von Krit Bibl (Nr. 314), die auch der so geschmähte
Goedeke (X S. 632 zu diesem Roman) zitiert, allerdings zusammen mit
dem Namen des Herausgebers und auch mit allen anderen bei Eke Nr. 314
zitierten Rezensionsnachweisen. Daß der "spärliche" Goedeke überhaupt
Rezensionen nachweist, erfährt man freilich bei Eke nirgends. Zur
Anlage des bereits erwähnten Abkürzungsverzeichnisses regt sich
größter bibliothekarischer und bibliographischer Widerspruch, da die
Verfasser versäumt haben, dringenden Notwendigkeiten bibliographischer
Verzeichnung nachzukommen.[13]
Für eine gründlich recherchierte Bibliographie zum deutschen Roman
1815 -1830 hätten wir uns Goedeke als Ausgangspunkt vorgestellt und
außerdem eine umfassende einmalige bibliographische Publikation
gegenüber einer allmählichen Ausbreitung des Materials (CS II, III)
vorgezogen. Der fürstliche Preis für CS III dürfte die finanziell
weniger fürstlich gestellten Bibliotheken überlegen lassen, ob ihnen
der im Vergleich zu Goedeke - wegen des eingeengten Romanbegriffs und
wegen fehlender weiterführender Informationen - übersichtlichere und
bequemere Zugang zur deutschen Prosa zwischen 1815 und 1830 sowie eine
größere Anzahl von Rezensionsnachweisen so viel wert sind, daß sie
diese Bibliographie zusätzlich zum Goedeke besitzen müssen. Doch sei
ausdrücklich vermerkt, daß unsere Kritik an CS III nicht die
fachwissenschaftlichen Forschungen zum deutschen Roman betrifft, um
die sich die Projektgruppe verdient macht, sondern ausschließlich die
bibliographische Seite meint - und da sehen bibliothekarische Augen
wohl manches schärfer als diejenigen des Fachwissenschaftlers.
Gertrud Bader
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