Im engeren Sinne personalbiographische Information wollen die Kataloge
dem Konzept der Reihe entsprechend ebensowenig bieten wie
Werkinterpretationen. Dennoch führt das Werkregister zu zahlreichen
Stellen, an denen der Katalog - etwa durch Quellenzitate aus den
reichen Beständen des Marbacher Ricarda-Huch-Archivs - Unbeachtetes in
den Blick rückt oder Vertrautes in neuer Ansicht zeigt. Der Katalog
wird seinen Wert nach Ende der Ausstellung vor allem deswegen
behalten, weil er bis auf weiteres die moderne Biographie ersetzen
muß, die trotz der großen Werkausgabe und mehrerer
Briefwechseleditionen noch immer nicht in Sicht ist. Die Stärke des
Katalogs liegt bei der äußeren Biographie, wie z. B. dem Studium, den
gescheiterten Ehen, den wechselnden Wohnsitzen, den persönlichen
Begegnungen, aber auch der moralischen Unbeirrbarkeit der Dichterin in
ihrer Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten. Daß sich in
ihrem Verhältnis zur Frauenbewegung Sympathie und kritische Distanz
verbanden, wird dagegen nicht deutlich, wie gegenüber der äußeren die
intellektuelle Biographie überhaupt eher zu kurz kommt. So fehlt etwa
ein Hinweis, welche Bedeutung Schelling für die
geschichtsphilosophischen Anschauungen Ricarda Huchs und für ihre
Romantik-Studien gehabt hat. So gewinnt man anhand des Katalogs von
manchen Beziehungen der Dichterin nicht den schwebend-zwiespältigen
Eindruck, den die Quellen selbst vermitteln - etwa der soeben edierte
Briefwechsel mit Elisabeth und Heinrich Wölfflin.[1] Indes wiegen solche
Einwände gering im Verhältnis dazu, daß der Katalog seit langem zum
erstenmal ein umfassendes und facettenreiches Gesamtbild vermittelt,
dessen nicht geringster Vorzug die Anschaulichkeit ist, mit der
Ricarda Huch im Kontext des literarischen Lebens ihrer Zeit
dargestellt wird.
Hans-Albrecht Koch
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