Bereits der Titel weckt falsche Erwartungen; seiner programmatischen Funktion gemäß hätte er lauten müssen: Biographical dictionary of literature read in England, oder genauer Biographical dictionary of literature read by Antony Kamm. Letzteres ließe zumindest am Eindeutigsten auf die hier zugrunde gelegten Auswahlkriterien der 791 britischen und irischen sowie 785 (!) nicht-englischen Autoren schließen; "personal preferences have had to prevail" heißt es dann auch 'erklärend' im wenig aufschlußreichen Geleitwort an den Leser. Dies allein erklärt möglicherweise, weshalb man zwar eine große Bandbreite schottischer Autoren, nicht aber gegenwärtig diskutierte Literaten - auch wenn diese den Booker-Preis erhalten haben - findet. Die Liste des Mangels reicht von Martin Amis, John Banville und William Boyd über Penelope Lively und Robert Nye bis hin zu Tom Sharpe, Graham Swift und Rose Tremain. Wieso erscheint ein Eintrag zu dem in England kaum rezipierten Kanadier Robert Kroetsch, jedoch keiner zu der nach Margaret Atwood am weitesten verbreiteten kanadischen Autorin Carol Shields? Wieso ein Eintrag zu dem im Vereinigten Königreich kaum mehr gelesenen Erich Kästner, jedoch keiner zu Astrid Lindgren? Ebensowenig nachvollziehbar wie die Auswahl der aufgenommenen Autoren erscheint die dann bei diesen zitierte Primärliteratur. Der Gipfel der Unzufriedenheit wird jedoch erreicht, liest man die markig klingenden Reduktionen des literarischen Schaffens eines Autors. Mit der verwertbaren Information würde man in keinem noch so elementaren literarischen Quiz bestehen. So heißt es zu Miltons Paradise Lost: "it is the most noble poem in the language." Was will uns das sagen?
Als biographischem Nachschlagewerk gebührt diesem ebenso voluminösen
(weil auf dickem Papier gedruckten) wie inhaltsschwachen Werk ein
Platz auf dem Kaminsims. Es lädt zum Schmökern ein, besonders wenn man
sich vergegenwärtigen will, von wem in Schottland oder im ehemaligen
Commonwealth man alles noch nicht gehört hat. Auf der Suche nach
konkreter Information, einem ersten Einstieg in die Lebens- und
Werkgeschichte eines interessierenden Autors, sollte man es am Kamin
liegen lassen.[1]
Rudolf Nink
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