Das Ziel dieses Unternehmens sieht Volker Rödel, Autor des ersten Bandes und Konservator am Denkmalamt der Stadt Frankfurt, zweifach: einmal soll die Publikation der "Heranführung interessierter Laien an eine bislang allgemein wenig beachtete Materie" dienen, zum anderen aber auch "als Modell einer Art Schnellinventar für die Gattung 'Technische Denkmale' verstanden werden" (S. 10). Grundlage für die 'Datenzusammenstellung' waren insbesondere die deutschsprachigen Bauzeitschriften des Zeitraums 1841 - 1930; damit wird bereits eine Schwerpunktbildung bei jenen Objekten angedeutet, die seit dem Zeitalter der industriellen Revolution entstanden sind, unter Vernachlässigung technikgeschichtlicher Zeugnisse vorindustrieller Arbeits- und Wirtschaftsformen. 1988 - 1990 wurden dann die besprochenen Objekte bereist, so daß bis zu diesem Zeitpunkt die Situationsbeschreibung als durch Autopsie gesichert gelten kann. Die definitive Auswahl der Objekte für den vorliegenden Band orientierte sich schließlich aber nicht an Denkmallisten der Bundesländer oder an der Postulierung der Denkmalwürdigkeit, sondern blieb - fußend auf Literaturinformation und Anschauung - letztlich subjektiv; der Autor weist im Vorwort ausdrücklich darauf hin und entzieht damit seine Zusammenstellung von vornherein in diesem Punkt der Kritik.
In einem einführenden Kapitel gibt Rödel einen knappen Überblick über die Geschichte der "Industriedenkmalpflege" in Deutschland; die folgende, sich an gebräuchlichen Klassifikationen technischer und industrieller Denkmale orientierende typologische Kurzdarstellung umfaßt präliminare Ausführungen und historische Abrisse zu den Bereichen Rohstoffindustrie, Massengüterindustrie, Weiterverarbeitende Industrie, Öffentliche Versorgung und Entsorgung, Kraftquellen und Primärmaschinen und Beförderung. Ein knappes Glossar (überwiegend zur Industriearchitektur) und eine Chronologie wichtiger Objekte nach Gattungen und gegebenenfalls weiter differenziert nach besonderen Bautypen ergänzen als Anhang die sachthematischen Informationen. Den Hauptteil des Führers stellen die im Ortsalphabet geordneten Objektbeschreibungen dar; Kartenmaterial, zusätzliche Namens- und Ortskurzregister erleichtern den Zugriff. Auf eine übergreifende Bibliographie wurde verzichtet. Spezielle Literaturhinweise finden sich allenfalls in Kurzform am Ende der jeweiligen Ortseinträge; nicht immer ist jedoch dabei zu ersehen, auf welche Objekte eines Ortes sich die Angaben beziehen. Allerdings sind diese Hinweise wohl weniger als weiterführende Literaturhilfen gedacht denn als kurze absichernde Quellenangabe ohne besonderen Nutzen für den "interessierten Laien".
Die Ortseinträge werden begleitet von Kurzindikationen zur
geographischen Lokalisation; ein Übersichtsplan zum leichteren
Auffinden der beschriebenen Objekte am Ort selbst fehlt:
Straßenangaben müssen genügen. Die Objektbeschreibungen folgen im
einzelnen keinem erkennbaren Ordnungsprinzip; besonders wichtige
Objekte aus der Sicht des Verfassers werden mit einem Punkt markiert.
Abbildungsmaterial ist insgesamt spärlich gestreut; den Wert einer
auch photographischen Dokumentation wenigstens aller als besonders
bedeutend hervorgehobenen Objekte kann die Publikation nicht
beanspruchen.[1] Da auch das Auswahlprinzip für die Objekte bewußt als
subjektiv bezeichnet wird, ist eine Bewertung hier schwierig. Zieht
man etwa für den Eintrag Stuttgart in der Sparte Fabrikbauten zum
Vergleich die Dissertation von Gabriele Kreuzberger[2] hinzu, die über
60 Einzelbeschreibungen bietet, so beschränkt sich Rödel demgegenüber
auf die Nennung eines einzigen Fabrikbaus: den der Firma Robert Bosch.
Diese deutliche Reduktion beruht nicht nur darauf, daß nicht mehr alle
von Kreuzberger beschriebenen Bauten (in der ursprünglichen Form)
erhalten sind, sondern mag teilweise durch Rödels Quellenwahl bedingt
sein, bzw. sich auch (mit Blick auf den Laien) am Bekanntheitsgrad der
Objekte und der mit ihnen verbundenen Namen orientieren.[3] Tendenziell
wird jedoch (zielgruppenadäquat) eine Bevorzugung "offensichtlicher"
Einzelobjekte (Brücken, Wassertürme, Bahnhöfe etc.) deutlich. Will man
Tiefe und Vollständigkeit einzelner Beschreibungen ergründen, so ist
dies nur im Vergleich zu jeweiligen Einzeldarstellungen möglich. Im
Fall zweier saarländischer Eisenhüttenwerke, dem Neunkircher Eisenwerk
und der Völklinger Eisenhütte, wird z.B. deutlich, daß für die
Einträge bei Rödel - nach den Gründungsdaten - die Beschreibung des
Ist-Zustands im Vordergrund steht, während die Ausführungen zur
Unternehmensgeschichte, zu Zwischenstadien etc. äußerst gestrafft
sind. Auch nicht unwesentliche Aspekte wie etwa die 1984 erfolgte
Ausweisung des Neunkircher Eisenwerks als Denkmalensemble fehlen
(erklärtermaßen) bei Rödel ebenso wie der für Laien vielleicht
nützliche, wenn auch eher plakative Hinweis auf den Status des
"ältesten Hüttenwerks an der Saar".[4]
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß Rödel mit diesem (allerdings
oberhalb der für Reiseführer üblichen Preisgrenze liegenden) Band
eines der genannten Ziele, nämlich den interessierten Laien an die
Industrie- und Technikdenkmäler heranzuführen, in pragmatischer Weise
gelöst und erreicht hat. Nicht immer über jeden Zweifel erhaben
erscheint dagegen die Einlösung des Anspruchs, gleichzeitig mit diesem
Führer ein Modell der Schnellinventarisierung vorgelegt zu haben. Mit
Blick auf eine teilweise divergierende Diskussion um Definition und
Kriterien der Erfassung und Bewertung von Technik- und
Industriedenkmälern vermag dies allerdings auch nicht zu verwundern.[5]
Gleichwohl kommt der Publikation eine über den "Laien-Führer"
hinausreichende Bedeutung zu: Solange Publikationen überwiegend nur zu
einzelnen Gattungen, einzelnen Typen von Technik- und Industriebauten
oder nur zu einzelnen Orten oder Regionen vorgelegt werden und
Großunternehmen wie die Denkmaltopographie der Bundesrepublik
Deutschland nicht gezielt Technik- und Industriedenkmale
berücksichtigt (und vom Konzept und Umfang her auch kaum kann), ein
paralleles Unternehmen für diesen Bereich aber noch aussteht, solange
wird als Einstiegsüberblick für Deutschland Reclams Führer zu den
Technik- und Industriedenkmalen kompensatorisch Teile dieser Lücke
schließen müssen.
Angela Karasch
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