Das umfangreichste und solideste der drei zu besprechenden ist
zweifelsohne die vierbändige Guinness encyclopedia of popular music,
deren Inhalt in der auf zahlreiche Themenbände projektierten Guiness
who's who of popular music series[2] weiter vermarktet wird. Klarer,
übersichtlicher Aufbau und straffe, präzise Informationen zeichnen die
Artikel aus, nüchterne Bewertungen, frei von journalistischen
Spracharabesken, adeln das Werk. Deutlich ist zu spüren, daß nicht nur
Musikliteraten, sondern auch Musikwissenschaftler die Texte mit zu
verantworten hatten. Der Ton ist erfreulich seriös, ohne allzu streng
lexikalisch zu sein. Den biographischen Einträgen folgt eine knapp
gefaßte Diskographie, mitunter sind auch bibliographische Angaben
beigefügt. Doch nicht nur bei Recherchen zu Personen und Gruppen wird
der Leser fündig. Die Enzyclopädie verzeichnet "every important
artist, band, group, genre, event, instrument, publisher, promoter,
record company and musical style[3] from the world of popular music"
(editorisches Vorwort), bis zum Stichjahr 1992. Der Nachsatz, "its
scope is truly global", freilich greift für ein spezifisch
europäisches oder gar deutsches Interesse zu weit. Das Werk
verzeichnet eindeutig nur diejenigen Interpreten (und nach Stichproben
ebenso Labels), die auf dem amerikanischen Markt eingeführt sind oder
waren. Daß schmaltzy nature Heintje einen Eintrag erhält, weil Connie
Francis mit einem seiner frühen Hits in den US-Charts erfolgreich war,
befremdet, angesichts der Tatsache, daß Herbert Grönemeyer - der nach
den LP-Verkaufszahlen erfolgreichste deutsche Rocksänger - nicht
verzeichnet ist.[4] Nach den Biographien erfolgreicher deutscher
Interpreten in dieser Enzyklopädie zu forschen bedeutet deshalb auch
in der Regel vergebliche Mühe.
Anders bei Frank Laufenbergs zweibändigem Rock- und Poplexikon. Um dem
Problem intellektueller, also wertender Auswahl zu entgehen,
versammelte der SWF-3-Redakteur einfach die amerikanischen, englischen
und deutschen Top Ten der letzten fünf Jahrzehnte (ab 1940 in den USA,
ab 1952 in Großbritannien, ab 1956 in Deutschland) bis 1992, ordnete
sie alphabetisch und versah die einzelnen Einträge mit den nötigen
biographischen Daten, aber vor allem mit Anekdoten und nicht zuletzt
mit dem ganz persönlichen Werturteil über den jeweiligen Künstler oder
die Gruppe. Zu manchen fällt ihm viel ein, zu anderen wenig, bei
einigen reichts auch nur zu einem bissigen Kommentar über die
fehlenden musikalischen Qualitäten. Alles sehr subjektiv, im Stil
einer Anmoderation gehalten, faktisch nicht immer ergiebig, aber stets
unterhaltend, im Ton arrogant und nicht selten ausschweifend. In den
einzelnen identischen Artikeln wäre sicher und ohne zu zögern dem
Rock-Lexikon des Rowohlt-Verlags der Vorzug zu geben. Es ist
sachlicher, im Detail informativer und dabei keineswegs langweilig.
Aber, Laufenberg bringt eben mehr, alles was sich jemals gut verkaufen
ließ, von Lou van Burg bis zu den Wildecker Herzbuben.[5] Schade nur,
daß die Klebebindung so mißerabel ist. Schon nach kurzem intensivem
Schmökern in den beiden dickleibigen Bänden ist Herbst: Die Blätter
fallen.
Das Lexikon des deutschen Schlagers liegt bereits in der 2. Auflage
vor und widmet sich einer nicht selten mitleidig belächelten Sparte
der Popularmusikbranche, nicht nur dem Schlager, nein, dem deutschen
Schlager. Ein durchaus lesbarer geschichtlicher Teil benennt die
Wurzeln des intellektuell unterschätzten Gewächses (Wiener Operette),
weitere Abschnitte verfolgen die Triebe, Aus- und Wildwüchse bis auf
unsere Tage ("Patronia Bavariae und die Folgen"). Der Personenteil ist
reich mit Agenturbildern (schwarz/weiß) geschmückt, im Registerteil
erleichtert ein Titelverzeichnis den Einstieg auch ohne Kenntnis
des/der Interpreten, ein Jahreskalender mit Geburts- und Gedenktagen
am Schluß mahnt zur häuslichen Andacht. Den Artikeln ist in der Regel
kaum mehr zu entnehmen als aufgelöstes Pseudonym, Lebensdaten, einige
Angaben zu biographischen Stationen - bei manchen nicht einmal
das[6] -, am Schluß, kursiv gesetzt, den oder auch mal die Hits mit
Jahreszahlen. Die Wertungen sind pauschal gehalten, austauschbar,
unspezifisch. Das Berufsetikett Schauspieler wird unbedarft jedem
Sternchen angeheftet, das irgendwann mal in eine laufende Kamera
lächeln durfte. Immerhin: Nur hier finden wir Wums Gesang zwischen
Wolfgang und Wunderlich, Klaus (mit Wehmut erinnern wir uns an die
Kleine Miezekatze). Sicher tauchen Namen auf, die in keinem der
anderen Nachschlagewerke verzeichnet sind, aber die uneinheitlichen
Einträge und häufig mageren Informationen enttäuschen doch, alles in
allem.
Reiner Nägele
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