Der seit Jahren gehegte Wunsch nach einer Neubearbeitung des Werkes, die über Ergänzungen im Rahmen von Rezensionen oder kleineren Aufsätzen hinausgeht und die die reichen Erträge der Forschung in den letzten drei Dezennien dokumentiert, hat nun seine Erfüllung gefunden. Sigrid Krämer hat sich dankenswerterweise dieser längst fälligen, doch auch sehr mühevollen Aufgabe unterzogen. Das Ergebnis ist beeindruckend. Aus einem schlanken und eleganten Band von 284 Seiten ist ein dickleibiges Buch von bald eintausend Seiten geworden, der Umfang des Werkes hat sich, wie die Bearbeiterin stolz vermerkt, verdreifacht. Der Aufbau der Bibliographie, dessen Kenntnis für eine sinnvolle und effektive Nutzung von entscheidender Bedeutung ist, folgt mit Ausnahme eines Punktes in seinen Grundlinien der Konzeption von 1948. Der erste Abschnitt (A) enthält unter dem Titel Bibliography and statistics of libraries and their collections of manuscripts (S. 1 - 19) wie bisher Veröffentlichungen mehr allgemeinen Charakters mit bibliographischen und statistischen Informationen über Bibliotheken und Handschriftensammlungen, jetzt aber auch einige Werke zur Paläographie und Handschriftenkunde. Der zweite Abschnitt (B) bietet wie gewohnt unter der Überschrift Works describing manuscripts of more than one city jene Werke, die die Handschriften aus mehr als einem Land oder Ort beschreiben (S. 21 - 234). Der dritte Abschnitt (C), der in der Neubearbeitung am stärksten angewachsen ist und der für die meisten Benutzer der wichtigste sein dürfte, trägt den für sich selbst sprechenden Titel Printed catalogues and handwritten inventories of individual libraries, by cities (S. 235 - 935). Querverweisungen auf die in den allgemeineren Teilen A und B aufgeführte Literatur zwingen den Benutzer weiterhin zwar ständig zum Blättern, helfen ihm aber auch beim Auffinden verstreuter Informationen. Als sichtbarste Neuerung ist dem Werk ein vierter Abschnitt (D) beigegeben worden, der Directories and guides to libraries and archives (S. 937 - 941) zusammenstellt. Kristellers Vorworte zu den drei von ihm betreuten Auflagen des Werkes seit 1948, vermehrt um je ein Vorwort von Sigrid Krämer und P. O. Kristeller zur Neuauflage, sowie die traditionellen leeren Seiten am Schluß für handschriftliche Notizen rahmen den Band ein. Titel, die nach dem Sommer 1992 erschienen sind, konnten in der Neubearbeitung nicht mehr berücksichtigt werden.
Schon die flüchtige Durchsicht des Bandes zeigt, daß der Bearbeiterin
kaum eine wirklich wichtige Neuerscheinung der letzten dreißig Jahre
entgangen ist. Auch kleine, an versteckter Stelle publizierte Aufsätze
wurden ausfindig gemacht, so daß in Zukunft kein Bibliothekar und
Handschriftenforscher an dieser Bibliographie vorbeigehen kann. Daß
man hier und da den einen oder anderen Titel vermißt,[4] ist zum Teil
bei einem Werk dieses Ausmaßes unvermeidlich, zum Teil wohl dem
Redaktionsschluß geschuldet.[5] Schwerer wiegen dagegen einige andere
Einwände, die den ansonsten so positiven Gesamteindruck der
Neubearbeitung des Werkes beeinträchtigen. Zunächst ein mehr
äußerlicher, ästhetischer, das Layout der Neuauflage betreffender
Punkt: Der Zweispaltendruck der älteren Auflagen mit seiner relativ
kleinen Schrift und den Hervorhebungen der Ortsnamen durch Fettdruck,
der es erlaubte, ein Vielzahl von Titeln übersichtlich und für das
Auge schnell auffindbar auf zwei gegenüberliegenden Seiten
unterzubringen, ist in der Neuauflage wohl aus Kostengründen einem
einspaltigen Druck in kleinerem Format und größerer Schrifttype
gewichen. Die Handlichkeit und leichte Benutzbarkeit des Bandes haben
dadurch merklich gelitten. Autoren-, Personen- und Sachregister, die
das Werk erschließen und den Umgang mit ihm erleichtern würden, fehlen
wie in den früheren Auflagen leider auch in der Neubearbeitung.
Inhaltlich hat die Bearbeiterin an der Konzeption des Werkes
Änderungen vorgenommen, die sie nicht begründet und die in vielen
Fällen den Kriterien Kristellers, wie er sie in den Vorworten zu den
älteren Auflagen niedergelegt hat, sogar ausdrücklich widersprechen
(S. XV, XXI, XXVI). Krämer hat, um aus den zahllosen Beispielen nur
einige auszuwählen, Kataloge zu den germanischen Handschriften in
Berlin, Prag und München aufgenommen, sie verzeichnet zahlreiche
Kataloge griechischer Handschriften usw.; sie hat gegen Kristeller (S.
XXVI) in den Abschnitt B beispielsweise zahlreiche Studien
aufgenommen, die sich mit den Handschriften eines einzelnen Autors
oder einer Institution beschäftigen. Der Benutzer ist für die
zusätzlichen Informationen sicherlich dankbar, aber die, im Falle der
Kataloge zu nicht-lateinischen Handschriften sogar dem Buchtitel
ausdrücklich widersprechende Tendenz der Neubearbeitung zu einer
umfassenden Bibliographie der Handschriftenkataloge und der
handschriftenkundlichen Literatur verleiht dem Werk eine eigentümliche
Unschärfe. Es enthält zahlreiche Titel, die man nach Wortlaut der
Vorworte und nach Traditon des Werkes in ihm nicht erwartet;
andererseits aber fehlen, wenn man die Intention zur Ausweitung des zu
bearbeitenden Gegenstandes ernst nimmt, viel zu viele Titel.[6]
Im Detail haben sich schließlich dort, wo der Rezensent es aus eigener
Anschauung am besten überprüfen konnte, eine Reihe von kleinen
Irrtümern und Ungenauigkeiten eingeschlichen, die gerade in Fällen der
neueren Literatur die bibliographische Zuverlässigkeit des Werkes
gelegentlich einschränken. Aus dem Wunsch heraus, aktuell zu sein und
auch die allerneusten Handschriftenkataloge zu verzeichnen, hat die
Bearbeiterin sich gerade im Falle der in den letzten Jahren in
Deutschland erschienenen Handschriftenkataloge offenbar auf die
Verlagsprospekte und ihre Titelankündigungen verlassen und das
tatsächliche Erscheinen der Bände gar nicht mehr abgewartet. Auf diese
Weise entstehen gelegentlich Phantom-Editionen, in Details falsche
Titelangaben und irrige Erscheinungsjahre.[7] Kleinere Ungenauigkeiten
zur Geschichte einzelner Sammlungen, Irrtümer bei einzelnen Orts- und
Personennamen[8] trüben das insgesamt positve Gesamtbild der
Neubearbeitung dann doch mehr, als bei etwas gewissenhafterer
Endredaktion nötig gewesen wäre.
Bernd Michael
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