Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 1
[ Bestand in K10plus ]
Lexikon sozialistischer Literatur
- 95-1-082
-
Lexikon sozialistischer Literatur : ihre Geschichte in
Deutschland bis 1945 / hrsg. von Simone Barck ...
- Stuttgart [u.a.] : Metzler, 1994. - XII, 580 S. ; 25 cm.
- ISBN 3-476-01237-9 : DM 78.00
- [2487]
Das Lexikon wurde 1987 als Projekt des Zentralinstituts für
Literaturgeschichte der ehemaligen Akademie der Wissenschaften
begonnen. Die "Grundidee des Konzepts war ..., gegen einseitige, auch
eigene frühere - Darstellungen der Geschichte sozialistischer
Literatur anzugehen" (S. VI). Man merkt dem Unternehmen allerdings an,
daß es in der Zeit des Umbruchs entstanden ist. So gehört zu den nicht
bereinigten Defiziten der Konzeption, daß die sozialistische Literatur
der Schweiz ausgeschlossen ist, obgleich - den Vorbemerkungen zufolge
- auch Österreicher und deutschsprachige Tschechen einbezogen werden,
"wenn sie innerhalb des Kommunikationsgefüges der deutschen
sozialistischen Bewegung wirksam waren." Auch in diesem Lexikon ist z.
B. der Schweizer Kommunist und Etruskologe Hans Mühlestein (1887
- 1969) nicht vertreten, dem der Vorwärts einen Nachruf widmete.
Mühlestein hatte in den zwanziger Jahren wiederholt Rußland bereist
und neben anderen Stücken noch vor den sogenannten "Säuberungen" ein
Stalin-Drama Menschen ohne Gott[1] geschrieben, in dem er Stalin
gleichsam empfahl, sein Gesellschaftsexperiment um die Rücksicht auf
religiöse Dispositionen der Menschen zu erweitern. Aus Sorge, die
bürgerliche Presse könnte das Programm eines religiösen Sozialismus
gegen den Kommunismus mißbrauchen, distanzierte sich der Autor später
von dem Stück, für das sich Walter Muschg eingesetzt hatte.
Da das Lexikon gerade auf frühe vergessene sozialistische Autoren
wieder aufmerksam machen will, hätte der Württemberger Ludwig Seeger
(1810 - 1864) einen eigenen Artikel erhalten müssen. Seeger, heute
noch vor allem durch seine unübertroffenen Aristophanes-Übersetzungen
wirksam, hatte an Georg Herweghs 21 Bogen aus der Schweiz
mitgearbeitet und sich im Berner jungdeutschen Arbeiterbildungsverein
engagiert. In anderen Artikeln des Lexikons wird er gelegentlich
erwähnt.
Auf gut 500 Seiten bietet das Lexikon sozialistischer Literatur etwa
450 Artikel. Die meisten beziehen sich auf Autoren. Von diesen
wiederum ist die Mehrzahl auch in dem von Walther Killy
herausgegebenen Literatur-Lexikon (1988 - 1993) in sorgfältig
recherchierten Artikeln von etwa derselben Ausführlichkeit und etwa
derselben Aktualität behandelt - in der Regel mit präziseren Angaben
zu den biographischen Grunddaten und mit ausführlicheren Nachweisen
als im Lexikon sozialistischer Literatur, dessen Artikel trotz
redaktioneller Kontrolle gerade in der Ausführlichkeit der
bibliographischen Angaben zu Primär- und Sekundärliteratur ungleich
sind.
Die Stärken des Lexikons sozialistischer Literatur gegenüber dem Killy
liegen in der umfassenderen Berücksichtigung von Publizisten und
Theoretikern der verschiedenen Richtungen des Sozialismus sowie von
weiblichen Autoren. Außerdem bringt es zu vielen Artikeln Abbildungen.
Neben den Einträgen zu Personen finden sich Überblicksartikel zu
Zeitschriften, Institutionen, Verbänden, Verlagen u. a. m. (z. B.
Agis-Verlag, Arbeiter-Sprechchorbewegung, Arbeiterbibliotheken).
Vom Lexikon sozialistischer deutscher Literatur[2] unterscheidet sich
das vorliegende Werk nicht nur durch die Abbildungen, sondern auch
durch die Aufnahmem mancher Autoren, die im Leipziger Unternehmen -
wohl als ideologische Abweichler oder Emigranten in die "falsche"
Richtung, wie etwa Gustav Landauer, Leo Lania, Oskar Maria Graf oder
Ernst Bloch - fehlen. Umgekehrt weist das Leipziger Lexikon einige
kleinere Autoren nach, die im Metzlerschen fehlen, und ist in den
subjektiven Personalbibliographien ausführlicher, freilich auf dem
überholten Berichtsstand.
Trotzdem ist das neue Lexikon angesichts der erwähnten Konkurrenz nur
für ausgebaute literaturwissenschaftliche Informationsbestände
unentbehrlich.
Hans-Albrecht Koch
- [1]
- Als Bühnenmanuskript 1932 bei S. Fischer verlegt, jetzt greifbar
in: Kein einig Volk : fünf schweizerische Zeitstücke, 1933 - 1945 /
Ursula Käser-Leisibach und Martin Stern (Hrsg.). - Bern ; Stuttgart
[usw.] : Haupt, 1993. - 555 S. - (Schweizer Texte ; N.F. 2). - ISBN
3-258-04827-4 : DM 49.00.
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- [2]
- Lexikon sozialistischer deutscher Literatur : von den Anfängen bis
1945 ; monographisch-biographische Darstellungen. - 2. Aufl.,
unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. - Leipzig : Bibliographisches
Institut, 1964. - 592 S. ; 21 cm.
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